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Nichtoffener Wettbewerb | 03/2014

Neubau Türkenwirt-Gebäude, BOKU Wien

1. Rang / Gewinner

Baumschlager Hutter Partners

Architektur

Buschina & Partner

Tragwerksplanung, Bauphysik

HL-Technik Engineering GmbH

TGA-Fachplanung

rajek barosch landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

STÄDTEBAU

Besondere Sorgfalt galt der Definition und Integration des Bauköpers in die bestehende
städtebauliche Situation.
Der Neubau orientiert sich an den bestehenden Traufhöhen der Nachbarliegenschaften an der Peter-Jordan-Straße. Wenige, präzise gewählte Eingriffe gliedern den Baukörper.

BAUKÖRPER
Der Neubau reagiert in seiner Maßstäblichkeit angemessen auf seine Umgebung. Es ist eine grundlegende Entscheidung des Entwurfs, das oberirdisch errichtete Volumen (54% BRI) baurechtlich nicht maximal auszunutzen sondern möglichst viele Nutzungen unterirdisch (46% BRI) anzuordnen.
Ein eingeschnittener Patio schafft belichtete Flächen im ersten Untergeschoss. Dadurch wurde bewusst auf die Errichtung eines Staffelgeschoßes verzichtet und so auch die Möglichkeit einer späteren Erweiterung geschaffen.
Trotz der Widmung in zwei unterschiedliche Trakttiefen und zwei unterschiedliche Gebäudehöhen tritt das Gebäude durch die gewählten Fluchten als ein Baukörper in Erscheinung.

FASSADE
Die vertikalen Holzlamellen und die horizontalen Bänder ändern das Erscheinungsbild des Gebäudes je nach Blickwinkel von Durchlässig bis zu Plastisch-Kompakt.
Das umhüllende Lamellenwerk betont in seiner formalen Selbständigkeit den solitären Charakter einer signifikanten Architektur. Es bindet aber auch die beiden volumetrisch sehr unterschiedlichen Gebäudeteile zusammen.
Die oberirdische Klimagrenze der Gebäudehülle bildet eine Dreifach-Verglasung um möglichst niedrige Energiewerte zu erzielen.
Der Fassadeschutz vor sommerlicher Überhitzung wird mittels vertikalen, 60cm tiefen vor der thermischen Hülle angebrachten Holzlamellen hergestellt. Diese dienen auch dem Sicht- und Blendschutz. Das gewählte Material erlaubt dem zeitlosen Baukörper ein würdevolles Altern Auf der Südseite werden die Lamellen zusätzlichen mit außenliegenden Jalousien ergänzt.
Die öffentlichen Bereiche des Gebäudes werden durch Halbierung des Fassadenrasters der Lamellen betont und bilden einen transparenteren Sockel.

STADTRÄUMLICHE ANBINDUNG
Eine großzügige Geste definiert den Eingangsbereich und bindet das Gebäude an die
Hauptbewegungsströmen aus anderen Gebäuden der BOKU an. Der Hauptzugang befindet sich an der Ecke Peter-Jordan-Straße / Dänenstraße.
Das TÜWI-Lokal verfügt über einen eigenen Eingang, ein weiterer Zugang erschließt die
Fahrradparkplätze an der Grundstücksgrenze zur Peter-Jordan-Straße 74. Die Entsorgung und Anlieferung erfolgt von der Nedergasse her.

INNERE ORGANISATION
Die vorherrschende Atmosphäre ist die eines offenen Hauses, in welchem Bereiche zwar abgetrennt sind, aber Übergänge auch fließend gestaltet werden können und infolgedessen ein hohes Maß an Austausch entstehen kann.
Das Hauptgebäude wird im Erdgeschoß über einen großzügigen, gedeckten und platzähnlichen Bereich betreten. Dieser setzt sich im Innern in einer ausgedehnten Halle fort. Ebenerdig befinden sich der Zugang zur Mensa und die Erschließung des niedrigen Gebäudeteils durch einen Gang mit Aufenthaltsqualität.
Das Haupttreppenhaus ist in der Mitte des Gebäudes angeordnet. Direkt daran gliedert sich ein Luftraum mit hängenden Pflanzen an. Dieser Luftraum belichtet die innenliegenden Flure und den Free-Flow Bereich im EG; dient der Orientierung und ermöglicht auch Durchsichten durch das gesamte Gebäude. In Nord-Süd Richtung wird der Luftraum durch einen Einschnitt auf der Fassade an der Peter-Jordan-Straße fortgesetzt.
Der Hörsaal ist unterirdisch angeordnet. Er wird über das zentrale Treppenhaus und das durch den Hof natürlich belichtete Foyer erschlossen. Aus dem Hörsaal gibt es einen zweiten Fluchtweg direkt ins Freie.
In den Obergeschossen befinden sich die Institute, die Gesteinssammlung, die Räumlichkeiten der ÖH und des CDR. Auf jedem Geschoss werde Lern- und Lehrbereich ausgewiesen, welche auch als Erweiterungsflächen genutzt werden können.
Im niederen Gebäudeteil befindet sich entlang der Dänenstraße im Erdgeschoss der Hofladen und Eingang zum TÜWI im 1.UG. Dieses organisiert sich um den tieferliegenden Patio.

BRANDSCHUTZ
Die Stiegenhäuser werden mit selbstschließenden Türen in der Qualifikation EI2 30-C abgetrennt. Der Lichthof wird in der Decke über EG durch ein mobiles Brandschott von den Obergeschoßen getrennt.
Die Bemessung der Fluchtwege wurde nach dem Leitfaden „Harmonisierte Anforderung an Bauwerke und sonstige Einrichtungen für größere Menschenansammlungen“ vorgenommen.

AKTIVIERUNG KALMIERUNG
Das Projekt reagiert mit seiner Volumetrie und Gestaltung der Außenräume genau auf seine Umgebung. Vorgärten, Durchblicke, repräsentative Einfriedung und Bereiche der Ruhe und Bereiche für Belebung werden durch die Freiraumplanung sichergestellt.
Durch die Anordnung des TüWi rund um den Patio im Untergeschoss und die Orientierung zur Dänenstraße ist eine potentielle Ruhestörung des Bestandes vermieden worden.

NACHHALTIGKEIT – LOW TECH
Wesentliche Voraussetzungen für das Erreichen der angestrebten Energieeffizienz ist unter anderem ein günstiges Verhältnis von Außenflächen zur Gesamtkubatur. Der Baukörper ist daher sehr kompakt moduliert.
Die bewusste Anordnung großer Kubaturen im Untergeschoß stellt die simpelste Nutzung des Speichermasse des umgebenden Erdreichs dar: Diese „unterirdischen Fassadenflächen“ sorgen für den thermischen Jahreszeitenausgleich.
Im Gegenzug wurden die „oberirdischen Fassadenflächen“ großzügig verglast, um die tiefen Grundrisse effektiv zu belichten. Die Fensterflügel sind kippbar und ermöglichen eine natürliche Lüftung.
Das Nutzungskonzept basiert auf der Prämisse einer hohen Nutzungsneutralität der vorgeschlagenen Struktur als sinnfälliger, inhaltlicher Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Lösungsvorschlag sieht ein in jeder Hinsicht streng orthogonal ausgerichtetes Projekt vor. Der Baukörper umfasst E+2 Geschoße, ein Untergeschoß und partiell ein Untergeschoß 2 im Bereich des großen Hörsaals. Der überwiegende Anteil an Zugängen ist an der Westseite entlang der Dänenstraße organisiert. Die Anlieferung TÜWI-Lokal erfolgt an der Ostseite des Gartentraktes. Die Mensa wird von der Peter-Jordan-Straße versorgt. Das Haus verfügt über zwei Stiegenhauskerne, einen im Zentrum des südlichen Hauptbaukörpers und einen ganz im Norden an der Nederstraße. Im südlichen Teil des Erdgeschoßes ist die Mensa angeordnet, nördlich liegen der Hofladen und die Lehrmittelstelle. Das TÜWI-Lokal ist im Untergeschoß situiert. Ein abgesenkter Lichthof bildet den Gastgartenbereich an der Dänenstraße. Die Zweiteilung des TÜWIGastgartens im UG und im EG wird kritisch hinterfragt. Der Bereich des großen Hörsaals ist grundsätzlich praktikabel gestaltet. Defizite sind die mangelnde natürliche Belichtung, sowie feststellbare Mängel bei der Barrierefreiheit. Die Instituts- und Seminarräume in den Obergeschoßen sind um den zentralen Stiegenhauskern mit kleinem Lichtatrium organisiert. Es sind relativ große Raumtiefen feststellbar und innenliegende relativ dunkle Gangflächen. Der Gastraum der Mensa ist knapp bemessen. Die Eingangshalle und der Vorbereich zum großen Hörsaal sind sehr großzügig dimensioniert.

Die orthogonale Strenge der Grundrisskonfiguration spiegelt sich auch in der Fassadengestaltung wider. Vor der klimatischen Gebäudehülle werden vertikal angeordnete Holzschwerte vorgeschlagen. Das zu erwartende Ausmaß der Klimaeffizienz der vorgeschlagenen Fassade wurde kontroversiell diskutiert.

Die im Rahmen des vorliegenden Detaillierungsgrades der Planung mögliche Auswertung der Energieeffizienz deutet darauf hin, dass mit der vorgeschlagenen Gebäudekonfiguration der „Plus-Energie-Standard“ nicht erreichbar ist, jedoch durch Optimierung der Verschattung (zusätzliche Außenjalousie) und der PV-Anlage erreichbar wäre.

Zum Thema Gebäudebegrünung könnten noch stärkere Ansätze gezeigt werden.

Der innovative Ansatz vorkonditionierte Luft aus dem Vorortelinie-Tunnel zur Gebäudeklimatisierung zu nutzen wird aus eigentumsrechtlichen und bautechnischen Gesichtspunkten kritisch hinterfragt.

Die Freianlagen sind den zugeordneten Funktionen gemäß nachvollziehbar strukturiert und gestaltet. Der Freiraumentwurf ist gut ausformuliert, es werden bei kohärenter Gestaltung differenzierte Raumqualitäten angeboten, die sowohl konsumorientiert als auch frei zu benützen sind. Der Übergang vom formaleren Bereich an der Peter-Jordan-Straße zu einem informelleren Bereich entlang der Dänenstrasse und im hinteren Teil ist subtil aber wirksam. Der Filter entlang der Dänenstrasse ist durchlässig, dennoch raumbildend, Lage und Einsatz der Fahrradständer als Raumteiler sind gelungen und praktikabel.

Vom Preisgericht wird die städtebaulich gelungene Einfügung gewürdigt. Das Gebäudes ist auf die örtlichen Gegebenheiten (Bebauungsstruktur, Allee, Besucherströme, Anrainer, ...) gut orientiert.

Die einladende Geste der breiten Eingangsfront, die Barrierefreiheit zur Bildung und die Transparenz des Gebäudes werden geschätzt.
Das Gebäude erschließt sich logisch und selbstverständlich.

Aufgrund der hohen Qualität und dem angebotenen Potential spricht das Preisgericht diesem Projekt den ersten Preis zu und empfiehlt es daher der Ausloberin zur weiterführenden Planung.