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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2014

Mehrgenerationenhaus Am Römerkastell 69

Perspektive

Perspektive

1. Preis

von Ey Architektur PartG mbB

Architektur

Terraform - Sandra Bartoli und Andreas Ziegeler

Landschaftsarchitektur

Tietge + Partner

Tragwerksplanung

HHP - West, Beratende Ingenieure GmbH

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Städtebauliche Einbindung / Entwurfskonzept
Das städtebaulich-architektonische Entwurfskonzept entwickelt sich aus den spezifischen Charakteristika des Ortes. Der Neubau rahmt durch seine Verwandtschaft in Dachform und Kubatur mit dem Gebäude der Kindertagesstätte Am Römerkastell 75 das Familien- & Nachbarschaftszentrum Am Römerkastell 71-73 und komplettiert und stärkt das Ensemble des neuen Quartierzentrums.
Entsprechend des Straßenraums Am Römerkastell, welcher durch die giebelständigen Fassaden der Siedlung aus den 20er Jahren und die flache traufständige Bebauung der ehemaligen Reiterkaserne geprägt ist, entwickeln wir das Mehrgenerationenhaus als Urtypus eines Hauses, welches der Typologie der Umgebung folgend mit seiner Giebelseite Richtung Römerkastell gesetzt wird.
So wird das Gebäude als ein selbstverständlicher Baustein im übergeordneten städtebaulichen Kontext an der Schnittstelle zwischen Siedlung und Römerkastell wahrgenommen.
Dabei werden die verbindenden, Einheit und Identität stiftenden Merkmale der lokalen Architektursprache wie Dachform, Lochfassade und Materialität übernommen. Durch Reduktion auf die wesentlichen Elemente wird erreicht, dass das Haus, seiner Nutzung entsprechend, als etwas Besonderes innerhalb des Stadtgefüges und des Ensembles wahrgenommen wird.
Die Giebelfassade des Neubaus orientiert sich an der Flucht der östlich anschließenden Nachbargebäude und schiebt sich somit gegenüber der Fassadenflucht der westlichen Gebäude in den Straßenraum. Somit wird das Mehrgenerationenhaus für den vom Hallschlag kommenden Bürger schon von weitem im Straßenraum sichtbar. Der im Westen des Neubaus an der Ecke Essener Straße / Am Römerkastell vorgelagerte Vorplatz leitet den Besucher zum großzügigen Eingang, weckt das Interesse einzutreten und an den vielfältigen Angeboten des Mehrgenerationenhauses teilzuhaben. Zudem schafft der gepflasterte Platz ein Zentrum des öffentlichen Lebens innerhalb des Stadtteils. Durch Detaillösungen, wie die Schiebeläden vor den Fenstern und Farbgebung tritt das Gebäude ausdrucksstark in Dialog mit dem denkmalgeschützten Bestand Am Römerkastell 71-73-75.

Freiflächenplanung / Außenraumgestaltung
Die innerhalb des Nachbarschaftszentrums untergebrachte Vielfalt an Funktionen und Nutzungen spiegelt sich auch in der Freiflächenplanung wieder. Das Konzept entwickelt sich vom öffentlichen Platz im Westen zu den kontrolliert zugänglichen privaten Flächen des Kinderhauses im Osten.
Der gepflasterte Vorplatz des Mehrgenerationenhauses übernimmt hierbei sämtliche Funktionen eines städtischen Platzes. Er ist der Öffentlichkeit zugänglich und lädt zum Verweilen ein. Durch seine leicht erhöhte Lage gegenüber der Straße Am Römerkastell, der Orientierung nach Südwesten, der Pflanzung einiger Schatten spendender Bäume, sowie der Nutzung als Terrasse des Cafés entsteht hier ein Ort von höchster Aufenthaltsqualität.
Das durchgesteckte Foyer leitet in den halböffentlichen Innenhof des Nachbarschaftszentrums auf den neu angelegten gepflasterten Rosenweg, welcher die Haupteingänge der Gebäude am Römerkastell 73 und 75 erschließt und an welchem sich die vielfältigen Nutzungen der angegliederten Gebäude aufreihen. Dem Mehrgenerationenhaus zugeordnet sind ein Senkgarten, Fahrradstellplätze sowie durch die Bewohner nutzbare Beete. Dann schließt sich ein gepflasterter Platz an, der vom Familien- & Nachbarschaftszentrum und dem Mehrgenerationenhaus gleichermaßen genutzt werden kann. Die Fläche bietet sich für Veranstaltungen, Boule oder sonstige Spiele für Kinder und Senioren an. In direkter Nähe kann eine Pergola zum gemeinsamen wettergeschützten Essen genutzt werden. Durch ein abschließbares Tor gelangt man in den Freibereich des Familien- & Nachbarschaftszentrums, welcher durch vielfältige Spielmöglichkeiten für die Kinder geprägt ist.

Funktionales Nutzungskonzept
Das helle und großzügige Foyer des Nachbarschaftszentrums heißt die Besucher Willkommen und vermittelt durch seine Gestaltung einen hohen Grad von Transparenz und öffentlicher Zugänglichkeit. Durch die zentrale Lage des Foyers ist es möglich alle Angebote für das Allgemeinwesen direkt anzubinden, dieses gewährleistet eine gute Orientierung und Übersichtlichkeit. Das Café, welches sich vom Foyer aus Richtung Süden bis zur Straße Am Römerkastell erstreckt, und eine Infotheke (incl. Büro und Personalstelle) dienen als Treffpunkt und Drehscheibe für das gesamte Quartierszentrum. Stadtteilbibliothek, Gruppenräume, Medienraum und ein kindgerechter Bereich sind von hier aus auf direktem Weg zugängig. Da alle Wände im Erdgeschoss nicht tragend bzw. in Teilen als verschiebbare Elemente ausgeführt werden, kann ohne großen Aufwand auf Änderungswünsche die in der Nutzung auftreten eingegangen werden. So wird ein höchstmögliches Maß an Flexibilität gewährleistet.
Der Treppenraum welcher die Wohnnutzungen in den Obergeschossen erschließt ist Richtung Innenhof an das Foyer angegliedert. So wird erreicht, dass die Mieter über den östlichen Eingang direkt in Ihre Wohnungen gelangen können, ohne das Foyer durchqueren zu müssen.
Das an der Fassade liegende Treppenhaus ist zudem in brandschutztechnischer und wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll, da es durch die natürliche Lüftung ohne großen baulichen Aufwand als Sicherheitstreppenhaus gilt.
Im 1.-3. Obergeschoss sind pro Geschoss sechs seniorengerechte Wohneinheiten geplant. Jeweils vier Wohnungen sind für ein Personen Haushalte mit 45,5 m² und zwei Wohnungen für zwei Personen Haushalte mit 61,5 m² barrierefrei (DIN 18025 Teil 2) geplant. Im 2. Obergeschoss sind anstatt zwei 45,5 m² Wohnungen zwei rollstuhlgerechte (DIN 18025 Teil 1) 49 m² Wohnungen vorgesehen. Jede Wohnung ist flexibel möblier- und teilbar, und verfügt über einen überdeckten Außenbereich in Form einer Loggia, so dass von einer hohen Nachfrage ausgegangen werden kann.
Durch die zentrale Erschließung erreichen wir eine gute Flächenausnutzung sowie kurze Wege zu allen Wohnungen. Der Erschließungsflur wird links und rechts des Treppenhauses aufgeweitet, hierdurch entstehen multifunktional bespielbare Gemeinschaftsräume, die als Treffpunkt und Kommunikationsfläche dienen.
Neben dem hohen sozialen Mehrwert für die Bewohner wird so die ohnehin notwendige Flurfläche aufgewertet.
Im Winter kann diese sowie die Loggien durch Schiebeelemente geschlossen werden um auch in der kalten Jahreszeit eine hohe Aufenthaltsqualität zu gewährleisten.
Im Dachgeschoss wird eine ambulant betreute Wohngemeinschaft geplant (DIN 18025 Teil 1). Der Grundriss ist zentralsymmetrisch vom mittig gelegenen Treppenhaus aus organisiert. Hierdurch erreichen wir kurze Wege von den Zimmern zum Gemeinschaftsbereich und der Dachterrasse. Zudem kann man die 8 Personen Wohnung ohne großen baulichen Aufwand in zwei 3/4-Zimmer Wohnungen aufteilen. Die Gebäudetiefe beträgt im Erdgeschoss 14,2m und in den Obergeschossen in Bezug auf die Wohnungen 9,5m.

Nachhaltigkeit
Das kompakte Gebäudevolumen mit dem sehr günstigen A/V-Verhältnis von 0,26 m²/ m3 garantiert auf einfache Weise eine hohe Energieeffizienz und minimiert die überbaute Fläche. Die Freiflächen werden mit Materialien mit hoher Versickerungsfähigkeit versehen.
Dazu werden im Außenbereich für die Zufahrten und Wege ungebundenes Kleinsteinpflaster sowie Mittel- und Großsteinpflaster für befahrbare Wege verwendet. Durch die einfache und stringente Organisation der Räume und Minimierung der Erschließungsflächen ergeben sich äußerst günstig mit Tageslicht und Luft versorgte Räume. Das konstruktive System sieht Spannweiten vor welche ein konventionelles und damit ökonomisches Maß reduziert werden.
Das Konzept der Nachhaltigkeit sieht eine auf das Minimum reduzierte Haustechnik, eine einfache konstruktive Logik, und materielle Haltbarkeit und Alterungsfähigkeit der Materialien vor. Die massiven Außenwände werden als Speichermasse zur Nachtauskühlung genutzt welche durch natürliche Belüftung der Gemeinschaftszonen erreicht wird. In Verbindung mit den außenliegenden Sonnenschutzanlagen und der Ausrichtung und Dimensionierung des Fensteranteiles wird so der Energiebedarf bereits durch die architektonische Planung minimiert.

Energikonzept
Die notwendigen Haustechnikanlagen werden so geplant, dass ein Großteil des benötigten Energiebedarfs durch Fernwärme und regenerative Energien abgedeckt wird.
Die für die Beheizung des Gebäudes benötigte Energie wird aus Fernwärme bezogen. Ein Anschluss an die bestehende Leitung ist ohne großen Aufwand möglich.
Ergänzt wird das System durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach mit einer jahresbilanzierten Deckungsrate von ca. 40% zur Warmwasserbereitung und Lüftung. Die fehlenden bzw. überschüssigen Stromanteile werden aus dem öffentlichen Stromnetz entnommen bzw. diesem zugeführt.
Das Warmwasser wird dezentral aufbereitet, wodurch Problematiken mit Legionellen im Trinkwasser von vornherein ausgeschlossen werden. Dies ist insbesondere in Seniorenwohnheimen von größter Wichtigkeit.
Zusätzlich zu der natürlichen Belüftung wird der hygienisch notwendige Frischluftbedarf nutzerunabhängig über eine kontrollierte Be- und Entlüftung sichergestellt. Schimmel- und anderen Feuchteproblemen wird so sicher vorgebeugt. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass ein hinreichendes Lüften auch bei kalten Außentemperaturen ohne Zugerscheinung möglich ist. Die Lüftungsanlage ist wärmerückgewinnend mit einem WRG-Grad von 90%.
Das Grauwasser wird zur WC Spülung und Gartenbewässerung genutzt.
Der geforderte KFW 70 Standart wir somit erreicht, und kann ggf. noch deutlich überschritten werden. Neben der beschriebenen ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit, ist uns wichtig, die dem Nutzungskonzept bereits inneliegende soziale Nachhaltigkeit, auch durch architektonische Ansätze wie die in den Obergeschossen vorgesehenen Gemeinschaftsflächen zusätzlich zu stärken. Hier gehen wir davon aus, dass durch einen intensiven Dialog mit den zukünftigen Nutzern weitere innovative Konzepte entwickelt werden können.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf nimmt ganz selbstverständlich die Zeilenstruktur und Kubaturen der umgebenden Bebauung auf und formuliert - ebenfalls wie selbstverständlich - die neue Raumkante des gesamten Baublocks. Mit dem längs angeordneten Vorplatz parallel zu Essener Straße erhält die vorgeschobene Ecksituation eine räumlich angemessene Betonung.
Der eindeutige, klare Baukörper mit seiner gut proportionierten und strukturierten Fassade will als zeitgenössische Neuinterpretation der historischen Bausubstanz verstanden sein - was ihm auch gelingt. Der markante Baukörper zeichnet sich dabei durch eine zurückhaltende, sparsame aber feine Detaillierung aus. Mit einer Tiefe von 14 Metern wird das Maß der zulässigen Tiefe von schon genehmigten 13,10 m jedoch um 90 cm überschritten. Da die gesamte Erschließung nur über ein Fluchttreppenhaus erfolgt, ist die brandschutzrechtlichte Genehmigungsfähigkeit noch zu prüfen. Die Rampengeometrie der Tiefgarage erscheint fraglich.
Die Aussagen zu den Freiräumen entsprechen dem städtebaulichen Konzept und ergeben klare Freiraumtypen: großzügige Terrassen-, Platzsituation zur Essener Straße, Gartensituation direkt am Gebäudeanschluss, Spielbereiche im Blockinnenraum. Alle notwendigen Verknüpfungen sind gegeben und gut überlegt. Die differenzierten Aussagen zur Gestaltung sind eine gute Grundlage für eine mögliche weitere Bearbeitung.
Zur Belebung des Gebäudes sind Nutzungen, wie Bibliothek, Mittagstisch, Infotheke sind richtig an der Straßenecke Essener Straße am Römerkastell positioniert. Die Küche ist jedoch zu klein. Im EG wäre die Funktionalität durch Raumtausch zu optimieren.
Die Wohnungen haben einen guten Zuschnitt, die eingehauste Laubengangsituation überzeugt durch ihre räumliche Gliederung mit aufgeweiteten Aufenthaltsbereichen. Wohnungsbezogene Abstellräume fehlen im UG. Der Grundriss der ambulanten Pflege-WG ist mit dem zentral gelegenen Wohn- und Aufenthaltsbereich gut organisiert. Die Mehrzwecknutzräume liegen aber ungünstig.
Die Kostenobergrenze ist überschritten, aufgrund der hohen Ausnutzung liegen die Kosten dennoch im Rahmen der Auslobung. Zu prüfen wäre der Umfang der tatsächlich, vermietbaren Fläche im DG (Reduktion durch Schrägdach).

Insgesamt handelt es sich um einen markanten, präzisen und auch angemessenen Entwurf, der sowohl in seiner klaren Haltung eine ideale Ergänzung des städtebaulichen Ensembles darstellt als auch funktional überzeugt.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Ansichten

Ansichten

Grundriss Obergeschoss und Dachgeschoss

Grundriss Obergeschoss und Dachgeschoss