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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2014

Mehrgenerationenhaus Am Römerkastell 69

Anerkennung

ORplan Partnerschaft für Architektur und Städtebau mbB

Architektur

Gänßle + Hehr Landschaftsarchitekten PartGmbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

die Identität
Über zwei Generationen war das Haus Am Römerkastell 69 ein besonderer Ort der Begegnung, der Unterhaltung, ein Treffpunkt im Gemeinwesen – da war die Glitzerwelt des Kinos und das Händchenhalten, das Ausgehen am Sonntag und die Familienfeier und der Stammtisch, da wohnte mancher für ein paar Tage oder jahrelang.
Das Haus Am Römerkastell 69 war immer noch Treffpunkt und „Ort zum Schwätzen“, als schon lang kein Film mehr lief – da war’s der Supermarkt, wo man sich traf.

Das neue „Haus Römer“ soll wieder ein Ort der Begegnung, der Unterhaltung, auch einer des Lernens, ein Treffpunkt im Gemeinwesen und „Ort zum Schwätzen“ sein – soll Angebote machen für alle Gruppen und Interessen, alle Herkünfte und jegliches Alter, für alle Generationen im Stadtteil.
Es wird ein Haus von heute sein und darum nicht so tun, als sei es aus der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert, wie die benachbarten „Gebäude der Maschinengewehrkompanie“ oder die Dragonerkaserne auf der anderen Straßenseite, und auch nicht, als sei es aus der ersten Hälfte des 20.
Für die Jungen wird es ein modernes Haus sein und für die Alten ein bisschen an den Ort erinnern, an dem sie damals, im Kino, das erste Mal „Händchen gehalten“ haben...

die Mitte
Das „Haus Römer“ ist der Schlussbaustein der alten und neuen Mitte des Stadtteils. Es korrespondiert mit dem Römerkastell und dessen kulturellen, sozialen und kommerziellen Angeboten einerseits und dem Nachbarschaftszentrum und dem Kinderhaus andererseits. Zu und mit ihnen entwickelt es die Synergien eines lebendigen Stadtteilzentrums.

die BrĂĽcke
Sowohl der Haupteingang zu den Gemeinschaftseinrichtungen des Hauses wie auch der zum gemeinschaftlichen grünen Blockinnenraum stehen im Dialog zum Tor des Römerkastells. Die Straße wird an dieser Stelle zum platzartigen Entree.

das Gelenk
Das „Haus Römer“ ist ein hervorgehobener Ort an der künftigen Nord-Süd-Achse des Hallschlags, die vom Römerkastell über den Hattinger Platz, die „Dracheninsel“, die Gutenbergschule weiter nach Norden zum Sportpark des VfR Cannstatt bis zum Schnarrenberg führt. Es bildet gleichzeitig an einem Schlüsselstandort das Gelenk hinein in den Innenraum des Nachbarschaftszentrums mit dem Kinderhaus.

Teilhabe und Rückzugsmöglichkeit
Alle Einrichtungen – die der breiten Stadtteilgesellschaft offenen wie die des individuellen und gemeinschaftlichen Wohnens – sollen immer beide Möglichkeiten offerieren – am öffentlichen Leben teilzuhaben oder sich in die Ruhe zurückziehen zu können.

Insbesondere Menschen mit eingeschränkter Mobilität brauchen und bekommen Aussichtsund Übersichtsplätze, „Neugierigensitze“, von denen aus das Alltägliche wir das Besondere erlebbar wird.

das Planungsrecht
Das geltende Planungsrecht setzt Zwänge, denen der Entwurf sich stellt.
Wir nehmen beide städtischen Grundstücke (1134 und 1133) zusammen und halten so bei einer Fläche von 3.764 qm, davon insgesamt 1.318 überbaut, die vorgeschriebene GRZ von 0,35.
Wir haben zwar einen doppelten Stockwerksverstoß, halten aber mit der 1. Traufe im Durchschnitt die Maximalhöhe von 12,00 m über Grund (- und entsprechen der Maßstabsvorgabe der gegenüberliegenden Bebauung).

Wir treten hinter die Baulinie zurĂĽck und reagieren damit im Kontext des Stadtgrundrisses.
Ein Nachteil für das Straßenbild nach § 25 OBS entsteht nicht; der Straßenraum wird vielmehr „zu Ende gedacht.“

das Energiekonzept
Einen Fernwärmeanschluss haben wir nicht; die Anforderungen an zeitgemäße energetische Standards – 30% weniger Verbrauch als nach EnEV 2009, Anforderungen an den Wärmeschutz nach KfW 70 – wollen wir einhalten.
Drei Optionen sind mit dem Konzept vorbereitet:
• Solare Heizenergieerzeugung mit Gasheizungsunterstützung, d.h. ca. 100 qm
Solarkollektorenfläche auf dem Dach, 9.000 ltr.-Warmwasserspeicher im Untergeschoss,
Warmwasser über dezentralen Durchfluss-Wärmetauscher in den Wohnungen;
• Blockheizkraftwerk in Kraft-Wärme-Kopplung – nach Möglichkeit zur gemeinsamen
Versorgung mit dem Nachbarschaftszentrum;
• oder eine Holzpelletsheizung.

einiges zu den Materialien
Im Erdgeschoss eine vorgeblendete, horizontal gegliederte Travertinbekleidung als Referenz an den Ort und vertikale Sichtbetonelemente (-stützen), die in die abgekröpften Gartenmauern auslaufen;
im 1. und 2. Obergeschoss das unvermeidliche Wärmedämmverbundsystem mit Schiebeläden, die gleichzeitig der Sonnenschutz für die Loggien sind;
im Attikageschoss ein Wärmedämmverbundsystem und einem extensiv begrünten Dach dort, wo die Solarkollektoren das zulassen.

einiges zur Flora
Die Bäume im Hof sollen Vogelkirschen sein – Prunus avium „Plena“ – und Amberbäume – Liquidambar styraciflua.
Die Fächenpflanzungen im Hof und an der Straße zeigen den Kirschlorbeer – Prunus laurocerasus „Mount Vernon“.
Sehr schön wären Gräserfelder mit Gartensandrohr – Calamagrostis acutiflora – und zierlichem Chinaschilf – Miscanthus sinensis „Gracimillus.“
Das reicht schon – alles Andere machen Bewohner und Gäste, machen „die aus dem Hallschlag“ selbst...

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit dem Versatz der Bauflucht in der Straße Am Römerkastell schafft der Verfasser einen Vorbereich zum Eingang im EG. Der Versatz unterstreicht die Bedeutung des Fußgängerübergangs zum Römerkastell. Die Ausformung der Bauflucht an der Essener Straße ist nicht überzeugend. Insgesamt sind die Baulinien nicht eingehalten.
Die architektonische Grundhaltung der Fassade wird der erwarteten Bedeutung des Vorhabens nicht gerecht. Es entsteht eher der Eindruck eines austauschbaren Mehrfamilienhauses mit Penthouse. Es wird befürchtet, das Gebäude bleibt ein Fremdkörper in der Umgebung.
Die zulässige Gebäudehöhe ist um 3,55 m überschritten, hier wird die Genehmigungsfähigkeit bezweifelt.
Als einziges Flachdach in der Straßenabwicklung hat es das Gebäude schwer, sich in die historische Umgebung einzubinden. Die dargestellt Modernität der Fassade wird dem Ort nicht gerecht.
Das EG wird von der Straße Am Römerkastell richtigerweise erschlossen und für die Obergeschosse aus der Essener Straße. Die innere Erschließung hat einen Kern bestehend aus Treppe und Aufzug. Inwieweit der den Brandschutzanforderungen genügt, wäre zu prüfen.
Die Anzahl und Dimension der Gebäudeerschließung für PKW ist gut gelöst. Es fehlt ein Anlieferungsstandort. Stellplätze für Behinderte sind so nicht realisierbar. Stellplätze für Radfahrer sind nach Zahl und Anordnung gut gelöst. Der Nachweis des Müllstandortes fehlt.
Die Anforderungen für die Konzeption des Raum- und Funktionsbereichs sind qualitativ und quantitativ gut gelöst.
Die Flexibilität der Anforderungen an die Raum- und Gebäudenutzung sind im EG und OG gut gegeben.
Die energetische und ökologische Qualität entspricht, soweit ablesbar, den Anforderungen des heutigen Standards KFW 70. Problematisch wird die hohe Verglasung im Osten gesehen.
Die großzügige Freiraumstruktur überzeugt. Wünschenswert ist der angedeutete Platz als Entrée „Am Römerkastell“ mit großer Betonung der Querungsmöglichkeit des Römerkastells. Ob Platz und Funktion der Verkehrsstraße in dieser Dimension qualitätvoll ist, scheint eher fraglich. Eine schlüssige Durchgestaltung der Freiraumgliederung ist nicht erkennbar.
Der Kostenrahmen gesamt ist eingehalten und die Kosten/m² für vermietete Flächen sind im mittleren Bereich.

Bei mehreren guten Ansätzen in Konzeption und Funktion entspricht der Gesamtbeitrag nicht vollständig den Erwartungen der Auslober.