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Mehrfachbeauftragung | 03/2014

Sülzgürtel 47, Baufelder 1 und 2 mit Kirche

2. Rundgang

Architekturbüro Paul Böhm

Architektur

Erläuterungstext

Diese Planungsaufgabe stellt den Abschluss eines Planungsprozesses dar, der das
gesamte Areal des ehemaligen Kinderheims Sülz umfasst. Städtebaulich fungiert dieser
Bereich als Eingang zu diesem neuen Quartier, ist adressbildend und gibt der Anlage
ein neues Gesicht.
Dabei ist die Kirche mit ihren beiden Plätzen im Südwesten und im Nordosten, den
Verbindungsbrücken und den flankierenden Bauten, prägendes Element.
Die neue Bebauung soll dieses Ensemble zu einer Einheit zusammenführen. Dies wird
unter anderem auch durch Material- und Farbwahl, auch der denkmalgeschützten
Bauten, erreicht. Dabei soll nicht versucht werden, die Farbigkeit der Kirche zu
übernehmen, sondern durch das Variieren der Rot- und Ockertöne Einheit und Vielfalt
zugleich zu erreichen.
Durch die städtebaulichen Vorgaben bietet es sich an, die neu entstehenden
Blockränder in den Seitenstraßen offener zu gestalten. Ein städtebauliches Element, das
sich im Übrigen auch in unmittelbarer Nachbarschaft wiederfindet.
Die Neubauten fügen sich mit gebührendem Respekt an die denkmalgeschützten
Bestandsbauten an.
Auch aus diesem Grunde wurde vorerst auf ein Staffelgeschoss verzichtet, zumal wir die
geforderte Gesamtnutzfläche auch ohne sie erreichen.. Die Erschließung der einzelnen
Baukörper wird dabei dezentral organisiert. Das neue Bürogebäude wird von der
Anton-Antweiler-Straße aus erschlossen. Der ehemalige Verwaltungsbau erhält drei
separate Eingänge, die Erschließung der Tiefgarage im Baufeld 2 erfolgt über die
Planstraße 5. Das Haus Elisabeth wird im Wesentlichen über den bestehenden Eingang
erschlossen. Die Kindertagesstätte erhält einen eigenen Eingang.
Die weiteren Baukörper des Baufeldes 1 erhalten jeweils eigene Zugänge von der
Straße aus. Die Tiefgarage im Baufeld 1 wird über die Planstraße 4 erschlossen. Der Platz
vor der Kirche ist für die Kindertagesstätte vorgesehen. Für den Fall, dass die Kita in das
Haus Elisabeth integriert wird, wird diese Fläche als Rasenfläche ausgebildet. Die
Spielfläche für die Kita befindet sich in diesem Fall im Hof des Baufeldes 1.
Ansonsten sind die Höfe als einfache „grüne Oasen“ mit Wiesen, Obstbäumen und
Bänken, die zum Verweilen einladen, geplant.
Unser Konzept geht von einer starken Mischung der einzelnen Funktionsbereiche aus.
Dabei sind in den Bestandsbauten Wohngruppen mit frei finanzierten Wohnungen und
öffentlich geförderten Wohnungen unterschiedlichen Zuschnitten kombiniert.
Für die Kirche schlagen wir im Erdgeschoss die Kita vor. Zusätzlich könnte sich hier ein
Cafe etablieren, das die Oberkirche als Veranstaltungsraum mit nutzt.
Außerdem schlagen wir im Kirchenraum vor, den Altarbereich mit Altar und weiteren zu
erhaltenden liturgischen Einbauten in einen kleinen Andachts- und Meditationsraum
umzubauen. Ein Ort der Stille, der für die Bewohner der Wohngruppen aber auch für
alle anderen Bewohner des Quartiers zur Verfügung stehen können.
Kleine und kleinste Wohnungen (Mikroappartements) sind in den Neubauten im Baufeld
1 angeordnet. Dazwischen liegen die Stadthäuser, die auf dem Dach des Supermarktes
stehen. Diese Häuser haben einen gemeinsamen Zugang über eine Treppe, die auf das
Dach des Supermarktes führt, bzw. einen Aufzug, der die Tiefgarage und die
Straßenebene mit den Stadthäusern verbindet. Die eigentliche Erschließung dieser
Baukörper erfolgt über einen gemeinsamen Vorplatz in der Mitte der Anordnung.
Ein Wasserbecken als Vogeltränke markiert den Mittelpunkt.
An der Anton-Antweiler-Straße entsteht ein Bürogebäude. Dieses ist für die Nutzung der
GWG vorbehalten. Die Bürostruktur trägt mit ihrer offenen Erschließung über die
Geschosse, die Besprechungsinseln und die Kommunikationsbereiche den
gemeinnützigen, offenen Geist einer solchen Gesellschaft Rechnung.
Die denkmalgeschützten Bauten werden weitestgehend in ihrem Erscheinungsbild
bestehen bleiben. Wir schlagen vor lediglich die Dachgauben so umzubauen, dass ein
französischer Balkon entsteht.
Die energetische Ertüchtigung wird im Inneren durch mineralische Dämmung nach
Stand der Technik gewährleistet. Dadurch bleibt die Außenhülle in ihrem Charakter
erhalten. Wir schlagen vor die Bauten in ihrer Farbgebung der Kirche anzunähern.
Die Neubauten werden als Massivbau, z.B. Porenbeton mit Verklinkerung ausgeführt.
Diese erhalten alle ein Untergeschoss, welches die Tiefgarage, die Mieterkeller und die
Technik aufnimmt. Die Konstruktion der Untergeschosse ist in Stahlbeton konzipiert. Die
aufgehenden Außenbauteile schlagen wir in Porenbeton vor, deren Lasten direkt bzw.
über Unterzüge in die Stützen der UG’s abgetragen werden. Aussteifende Bauteile
sowie die Decken sind in Stahlbeton konzipiert.
Die Brandschutzkonzepte sind für die einzelnen Bauteile besonders zu betrachten. Die
Wohnbauten werden gegebenenfalls in separate Brandabschnitte unterteilt. Der
Veranstaltungssaal in der Oberkirche erhält einen zusätzlichen Fluchtweg über die
Tageskapelle und die Brücken. Das Bürogebäude mit der durch alle Geschosse
führenden Treppe wird brandschutztechnisch so ertüchtigt, dass möglichst keine
technischen Eingriffe notwendig sind (mechanische Entrauchung).
Alle Bauteile werden nach der neusten EnEV geplant. Die denkmalgeschützten Bauten
erhalten eine Innendämmung aus mineralischen Materialien. Hier sind insbesondere die
Decken-Anschlüsse an die Außenwände zu berücksichtigen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Proportionierung und Gestalt der Fassaden wurden teilweise kritisch diskutiert.
Der konzeptionelle Ansatz einer einheitlichen farblichen Gestaltung der Fassaden kann nachvollzogen werden, die Umsetzung wird jedoch vor dem Hintergrund der Unterschiedlichkeit der Fassaden und ihrer Materialien auch kritisch bewertet. Der Fassadensprache fehlt aus Sicht des Gremiums der Bezug zum angrenzenden Quartier. Andererseits wird der ganzheitliche architektonische Ansatz des Konzeptes als interessanter Beitrag zur Aufgabenstellung anerkannt.
Die Akzentuierung der Innenhöfe (Baumgruppe im Baufeld 2 und vier Stadthäuser im Baufeld 1) wird kontrovers diskutiert – Teile des Gremiums sehen darin einen interessanten städtebaulichen Ansatz.
Die angebotenen Grundrisstypologien lassen eine lebendige Mischung vermissen.
Der nachgewiesene Wohnungsmix entspricht nicht den Vorgaben der Auslobung. Auf die hohen Lärmpegelbereiche am Sülzgürtel wird teilweise, z. B. durch die Anordnung von Schlafräumen, zu wenig reagiert.
Die Nutzung der Werktagskapelle durch die Bewohner in Verbindung mit einem isolierten Veranstaltungssaal wird im Hinblick auf die Nutzbarkeit hinterfragt. Das Versetzen des Baldachins stellt aus Sicht der Denkmalpflege einen erheblichen, nicht genehmigungsfähigen baulichen Eingriff dar.
Der durch den Verfasser gewählte Verzicht auf das oberste Geschoss führt zu Defiziten in der angestrebten optimalen Ausnutzung und damit zur Wirtschaftlichkeit der Arbeit.
Das Durchstecken des Cafes / der Gastronomie vom Platz vor der Kirche zum Quartiersplatz hinter der Kirche überzeugt, da damit beide Plätze eine Belebung erfahren können. Eine Bespielbarkeit und Belebung des Platzes vor der Kirche wird durch die Anordnung der gewerblichen Nutzungen und ihrer Zugänge zum Sülzgürtel leider nicht erreicht.
Trotz seiner funktionalen und programmatischen Schwächen würdigt das Preisgericht den besonderen konzeptionellen Beitrag dieses Entwurfes, mit seiner Leitidee, aus der Anmutung des Kirchenbaudenkmals ein ganzheitliches architektonisches Ensemble zu entwickeln.