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Studienauftrag mit Präqualifikation | 03/2014

Arealentwicklung Bahnhof

Gewinner

Hosoya Schaefer Architects AG

Architektur

robin winogrond landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Halter AG

sonstige Fachplanung

Erläuterungstext

Ankommen, abreisen, umsteigen, verweilen – der Bahnhofsplatz ist Schnittstelle von Dorf und Region. Er ermöglicht einfache und klare Umsteigebeziehungen (schnelle Zone), bietet Aufenthaltsqualität (langsame Zonen) und dient als Eingang zum Dorf. Herisau kann die einmalige Möglichkeit wahrnehmen, das Bahnhofsareal nicht nur aufzuwerten, sondern es auch mit einer ganzheitlichen Strategie besser an das Dorf anzubinden.

Das Areal gliedert sich natürlich in drei langgezogene Bänder in Richtung der Geleise. Die markante Geländekante im Süden wird ergänzt durch ein Rückgrat von Bauten in der Verlängerung des historischen Bahnhofsgebäudes und der Post. In diesem klaren Rahmen bietet das mittlere Band eine vielfältige Abfolge von Räumen und Nutzungen.

Im Zentrum liegt der eigentliche Bahnhofsplatz. Ein grosses Dach überdacht die schnelle Zone und stiftet Identität in einer fragmentierten räumlichen Situation. Seitlich angelagerte Plätze bieten Raum zum Verweilen. Sie werden räumlich definiert durch einen Solitärbau im Osten und ein Kopfbau im Westen mit Sockelebene auf Höhe der Bahnhofstrasse, die den Bezug von Bahnhof und Dorf vereinfacht und klärt.

Die Etappierung ist sehr flexibel, je nach Möglichkeiten und Absichten von Eigentümern und Investoren. Der Bahnhofsplatz wird als Infrastrukturprojekt zuerst erstellt. Zur Fassung des Raumes sollte früh der Solitärbau realisiert werden. Anschliessend kann der Kopfbau erstellt und so der Dorfeingang angepasst werden. Die Garage auf dem SOB Gelände kann langfristig durch einen neuen Zeilenbau mit Hochpunkt ersetzt werden, was den Eingang zum Areal und die neue Situation um den Kreisel klärt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau / Architektur
Das vorgeschlagene Konzept für die städtebauliche Entwicklung des Areals und das Projekt für den Bahnhofplatz mit Bushof vermögen zu überzeugen und emotional zu berühren. Der Vorschlag setzt am Bahnhof ein Zeichen und lässt in beiden Aufgabenperimetern positive Zukunftsvorstellungen aufkommen. Das Generationenprojekt „Tor zum Appenzellerland“ wird vorstellbar. Die Wertigkeit die mit diesem Vorschlag zum Ausdruck kommt entspricht auch den Zielsetzungen und Ausbauvorhaben der Bahn- und Busbetriebe. Das Potential der Entwicklung auf dem Bahnhofareal wird greifbar nachgewiesen.
Das Konzept ist in vielen Bereichen getragen von Realitätssinn und klaren Setzungen. Durch den geschickten Einbezug des Bestandes - ergänzt mit dem markanten Bushof und der Realisierung weniger Schlüsselprojekte - verspricht die Idee schnell zum Tragen zu kommen. Die Etappierbarkeit ist gegeben und funktioniert. Die Akzeptanz des Konzeptes in der Bevölkerung wird als hoch eingeschätzt.
Die räumliche Definition des Bahnhofplatzes durch die beiden zueinander versetzten neuen Hochbauten im Zusammenspiel mit den bestehenden Bahnhofs- und Postgebäude ist gelungen. Es ergibt sich ein stimmiges Ensemble. Zwei präzis gesetzte Freiräume beidseits desBushofs haben das Potenzial für die angestrebte Aufenthaltsqualität, ergänzen in adäquater Weise die räumliche und funktionale Abfolge und werten den Ankunftsbereich insgesamt auf.
Konzeptuell vermag die grosszügige„fliegende Dachfläche“ – auch im Zusammenspiel mit
den gegenüberliegenden, zwischen den Bauten aufgespannten Überdachungen – zu überzeugen. Als Bushof-Dach bietet es für Benutzerinnen und Benutzer und Betreibende einen hervorragenden Schutz-Raum, ist der Herisauer Witterung angemessen und gibt dem Bahnhofsplatz räumliche Kraft und Bedeutung. Insbesondere der Einbezug der wichtigsten Einstiegskante der Appenzeller Bahnen ist klug und vermag die doch beachtliche Grösse der Halle mit zu rechtfertigen. Die Ausgestaltung mit industriellen Oblichtern ist aus dem Kontext heraus nachvollziehbar, jedoch neu zu interpretieren und architektonisch unbedingt zu optimieren.
Der (westliche) bauliche Abschluss und Übergang zur Bahnhofstrasse und zum Kreisel vermag im Grundsatz zu überzeugen. Das Potential am „Scharnier“ und im Zugangsbereich vom Dorfzentrum über die Bahnhofstrasse zum Bahnhofareal wurde erkannt. Die Verbindung über die Plattform mit Überblick über das ganze Areal hinab zum „Bahnhofsplätzli“ mit Kiosk“ ist attraktiv und unterstützt die Orientierung. Die Sockelbebauung und die beiden darauf platzierten „geschnittenen“ Baukörper sind noch sehr schematisch und harren einer Ausgestaltung.
Dem Durchblick vom Bahnhofplatz Richtung Kirche ist Beachtung zu schenken.
Das starke, rhythmisch unterbrochene Gebäuderückgrat nördlich der Güterstrasse ist räumlich überzeugend und gut etappierbar. Die südliche Bebauung zwischen Strasse und Hang ist freier gesetzt, gleichwohl bildet sie ein stimmiges Ensemble. Hier ist eine gewisse Flexibilität sowohl in der Setzung wie in der definitiven Nutzung vorstellbar. Diese Offenheit lässt auch genügend Entwicklungsspielraum für das Busdepot und Unterhaltsanlagen der Appenzeller Bahnen. Die Absicht eine Fussgängerverbindung vom „Höhenweg“ auf den Platz östlich des Bushofs zu führen wird begrüsst und wertet diesen auf, die vorgeschlagene Verknüpfung mit dem Neubau ist aber nicht nachvollziehbar und muss überdacht werden.

Freiraum
Im Zwischenraum zwischen den bestehenden Bahnhof- und Postgebäude und der Hangkante ist der Bahnhofplatz gut platziert und richtig dimensioniert. Als prägendes Element erhält der Nagelfluh-Hang in diesem Bild eine angemessene Rolle. Die Ästhetik des geschliffenen Nagelfluh-Belags passt zwar gut in den landschaftlichen Kontext, wird jedoch kaum erschwinglich sein. Die Gestaltung der Bodenbeläge ist noch unbefriedigend.
Beidseits des Bushofs werden kleine aber wichtige und qualifizierte Plätze vorgeschlagen:
sie besitzen das Potential, mit Leben gefüllt zu werden. Eine differenzierte funktionale Definition und Gestaltung (Beläge, Ausstattung, Bäume) insbesondere des Platzes auf der Ostseite ist auch in Bezug auf die Erdgeschossnutzungen (Gastronomiebetrieb/Platz-Café) gut vorstellbar. Es sind auch chaussierte Flächen denkbar (Versickerung). Immer wieder, auch weiter östlich werden durch frei gesetzte Baukörper gute und differenzierte, auf Strasse oder Hang orientierte Freiräume geschaffen. Diese Räume begünstigen die Bildung von Nachbarschaft, Identifikation und einer Adresse für die umliegenden Baukörper. Weiter östlich ist für die Bedürfnisse der Bus- und Bahnbetriebe, zwischen der nordseitigen Bebauung an der Strassenachse und den Geleisen am Hangfuss ein grosszügiger Freiraum zurückhaltend bebaut: hier wird einiges offen gelassen. Die Baumpflanzungen sind entlang dem Strassenrückgrat einseitig linear und gegenüber frei in die verschiedenen Räume gesetzt.Diese „Zufälligkeit“ hat in Bezug auf die differenzierte Ausgestaltung der verschiedenen Räume ein grosses Potential.

Verkehr
Das Projekt hat die Vorgaben zum Verkehr übernommen und umgesetzt. Die Verkehrslösung und der Busbetrieb, die Verbindungen für die Benutzer des öffentlichen Verkehrs sowie die Anbindungen mit dem MIV funktionieren einwandfrei.
Der Hauptzugang für Fussgänger aus dem Zentrum von Herisau ist optimal angelegt: er führt auf direktem, intuitiv auffindbarem und sichtbezogenem Weg über das „Bahnhof-Belvedere“ zum Bahnhofplatz und garantiert so eine gute Orientierung.
Die Verbindungen mit dem Quartier Ebnet sind noch nicht überzeugend gelöst. Die Verbindung zwischen dem Höhenweg und dem östlichen Rand des Bahnhofplatzes wird begrüsst, die vorgeschlagene Treppe wirkt aber zu fragil.
Die gerade Führung der Güterstrasse mit Durchlässigkeit in beide Richtungen ist verkehrlich klar, angemessen und unproblematisch und wird auf grosse Akzeptanz stossen. Die trennende Ausgestaltung der beiden „schwarzen Fahrrinnen“ mit Mittelinsel und partiellen Fussgängerstreifen sowie einer zusätzlichen Unterführung widerspricht der Idee der verkehrsberuhigten Begegnungszone als niveaugleiche Verbindung des Platzes über die Strasse hinweg.
Die gezielte Gestaltung der Bodenbelags- und der Niveauübergänge muss im Sinne einer
flankierenden Massnahme für die „Bremsung“ des Verkehrs eingesetzt werden.

Wirtschaft
Im Konzept sind die Bestandsbauten mit gutem Erweiterungspotential zweckmässig integriert worden, was sich schnell in der einzelnen Betrachtung rechnen lässt. Die im gesamten Projekt eher auf grösseren Grundflächen ausgerichteten Bauten ermöglichen eine ideale Nettoflächennutzung.
Den Bauflächen werden unterschiedliche und nachvollziehbare Nutzungsmöglichkeiten zugewiesen, welche allerdings in der Ertragserwartung deutlich zu hoch eingestuft wurden und in dieser Form kaum vom Markt aufgenommen werden.
Die Zugänge zum neuen Bahnhofareal wurden beidseitig mit mutigen Ansätzen ausgestaltet welche zwar zum Teil einer detaillierteren Ausformulierung bedürfen, aber durchaus eine interessante Wirtschaftlichkeit aufweisen. Eine Herausforderung stellt die Kosten-/Nutzenschätzung des neuen Bahn- und Bushofdaches dar, was schnell, je nach Weiterentwicklung, einiges an Geld verschlingen könnte.
Insgesamt besticht das Projekt durch einen überzeugenden, die wichtigen Kernfragen ansprechenden städtebaulichen Ansatz, einem kräftigen freiräumlichen Konzept und einer differenzierten Umsetzung. Die Kraft der städtebaulichen Vision wird durch die klug eingesetzte Etappierbarkeit, Offenheit und Flexibilität des Konzepts nicht gemindert, vielmehr wird der strategische Ansatz dadurch gestärkt.
Der Bahnhofplatz als Initialprojekt vermag mit einem wirksamen Raumbild und einer feinfühligen, gestalterisch-funktionalen Freiraumabfolge emotional zu berühren und das Bahnhofareal Herisau zukunftsfähig umzuschreiben.