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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2014

Landshut West

1. Preis

Preisgeld: 27.000 EUR

B.A.S. Kopperschmidt + Moczala GmbH

Architektur, Landschaftsarchitektur

SARAH GRAEFER ARCHITEKTUR

Architektur

Marcus Wagner Architektur

Architektur

Erläuterungstext

Stadt und Landschaft
Das Wohngebiet Landshut West liegt am Übergang der Stadt Landshut zur offenen Land-schaft. Im Sinne eines sparsamen Flächenverbrauchs sollte innerstädtischeren Standorten als Entwicklungsflächen generell der Vorzug gegeben werden. Entscheidet man sich allerdings wie hier für eine Entwicklung am Siedlungsrand, spielt der Umgang mit Landschaft eine entscheidende Rolle im Projekt. Die Chance eines solchen Standortes liegt in der gleichzeitigen Entwicklung von Stadt und Natur: aus einer Agrarfläche an einem Wasserlauf wird ein neuer Stadtbaustein umgeben von ökologisch wertvollen Freiräumen.
Das neue Wohngebiet formuliert eine klare Stadtkante zur anschließenden Landschaft, deren Qualitäten erhalten, weiterentwickelt und auch weiterhin im Quartier spürbar bleiben. Gleichzeitig wird dem ökologischen Ansatz des Projektes entsprochen, in dem die in Anspruch genommenen Flächen möglichst kompakt bleiben und eine Zersiedelung des Landschaftsraumes vermieden wird.
Der Entwurf entscheidet sich daher auch bewusst gegen einen hohen Anteil freistehender Einfamilienhäuser, und zugunsten kompakterer Wohnangebote mit angemessener Dichte, die gleichwohl die gesuchten Qualitäten von Individualität und Freiraumbezug bieten. Historische landwirtschaftliche Strukturen wie Gehöfte, Felder oder Streuobstwiesen werden erhalten, in das Gesamtkonzept integriert und lassen die ländliche Prägung des Standortes weiterhin spüren.

Realisierungsteil
Diese ländliche Prägung ist auch für die im Realisierungsteil entwickelten Baustrukturen motivgebend. Die Typologie des kommunikativen landwirtschaftlichen Hofes als kompakte Nutzungseinheit wird hier verbunden mit den energetischen Vorteilen der Zeile.
Aus der Mischung dieser beiden Erschließungstypen entstehen kompakte Wohnnachbar-schaften, innerhalb derer unterschiedlichste Haus- und Wohnungstypen umsetzbar sind.
Innerhalb des Realisierungsbereiches entstehen, unter Berücksichtigung der Vorgaben des Flächennutzungsplanes, 3 größere Wohninseln im Wechselspiel mit einem jeweils zugeord-neten Frei/- bzw. Landschaftsraum.
Dabei nimmt der geplante erste Bauabschnitt auf der Fläche der ehemaligen Molkerei mit seiner zum Klötzlmühlbach gerichteten Struktur eine besondere Position ein.
Nach Norden richtet sich diese Struktur zum zentralen Gemeinschaftsbereich, in dem die notwendige Kitaerweiterung als Solitär untergebracht ist, mit eher städtischen Kopfgebäuden aus.
Als Pendant zu der Kitaerweiterung wird entsprechend des Wechselspiels der Flächen das zentrale Gemeinschaftshaus im freien Landschaftsfeld zur Uferzone positioniert.
Phasenkonzept
Entlang der abschnittsweise realisierbaren, zentralen Erschließungsachse entsteht ein Wechselspiel aus verdichteten und offener bebauten Feldern.
Die kompakten, sparsam erschlossenen Baufelder ergeben in sich sinnvoll abgeschlossene Bauabschnitte, um so auf eine veränderte Nachfrage reagieren zu können. Das prägnante Grundgerüst der öffentlichen Freiräume erlaubt zudem eine Anpassung der Bebauung der einzelnen Felder an die Nachfragesituation, ohne das Gesamtkonzept zu beeinträchtigen.

Vernetzung
Das Baugebiet wird über mehrere Anschlusspunkte dezentral an das bestehende Straßensystem angebunden. Entlang der Erschließungsachse könnte die Anbindung an das städtische Busliniennetz erfolgen. Zu den anschließenden Landschaftsräumen des Klöztlmühlbachs und der Flutmulde entsteht ein Netz von Fuß- und Radwegen, die das Gebiet über mehrere Brücken darüber hinaus auch nach Süden an die Isar anbinden.

Erschließung
Das Rückgrat des neuen Wohngebietes bildet die zentrale Erschließungsachse. Durch die begleitende Bepflanzung mit Großbäumen, unter denen in Abschnitten die Besucherstellpätze liegen, und den gliedernden Quartiersplätzen entsteht ein charakteristischer, abwechslungsreicher Straßenraum. Die Quartiersplätze als baumbestandene, multifunktionale Flächen bieten Raum für Austausch, Spielen und Verweilen. Hier können sich in den Erdgeschossen auch Dienstleistungs- und lokale Einzelhandelsangebote finden.
Die einzelnen Baufelder werden von hier aus über verkehrsberuhigte Ring – oder Stichstraßen jeweils für sich erschlossen.

Landschaftsräume
Im Hinblick auf die Wohnentwicklung ist in Zukunft damit zu rechnen, dass insbesondere Wohnstandorte, die sowohl eine gute Erreichbarkeit als auch landschaftliche Qualitäten bieten, nachgefragt werden. Ziel des Entwurfes ist daher die Verflechtung der Nachbarschaften mit unterschiedlichen Landschaftsräumen. Innerhalb des bebauten Gebiets wechseln sich verdichtete Felder mit größtenteils privaten Gärten mit offenen, gemeinschaftlich nutzbaren Streuobstwiesen, in die die alten Gehöfte, wie auch neue Wohngruppen eingelagert sind. Die offene Feldflur nach Südwesten wird erhalten, durch baumreihen und Windschutzhecken gegliedert, und kann auch weiterhin landwirtschaftlich genutzt, evtl. auch kleinteiliger zur lokalen Selbstversorgung. Die Uferbereiche des Klötzlmühlbachs werden erweitert und mit ortstypischen Gehölzen bepflanzt.
Als neuer Freiraumtypus kommen die geometrisch modellierten Felder der „Energieland-schaft“ unter der Hochspannungstrasse hinzu. Ihren Endpunkt finden sie in einer Uferterrasse am Wasserlauf.

Haustypen
Das neue Wohngebiet bietet eine Mischung unterschiedlicher Haustypen und Wohnformen, die insbesondere Themen der energetischen Optimierung sowie der demographischen Entwicklung aufgreifen. Die Haustypen bieten dazu unterschiedliche Strategien: die Kopfgebäude ermöglichen aufgrund ihrer Tiefe flexible Grundrisslösungen, in den Reihenhäusern findet sich eine der Lebenssituation angepasst unterschiedlich nutzbare Mittelzone, und die wachsenden Häuser bieten definierte Erweiterungsflächen.

Generationenwohnen in Kopfgebäuden
Zum Thema des Generationenwohnens, bzw. der Mischung unterschiedlicher Altersgruppen schlägt der Entwurf einen Haustypus vor, bei dem eine klassische Reihenhausbebauung mit Kopfgebäuden kombiniert wird, in denen sich barrierefreie, seniorengerechte Appartements befinden. So kann sich von Beginn an eine Mischung unterschiedlicher Altersgruppen einstellen, es besteht aber auch die Möglichkeit, im Laufe der Zeit innerhalb eines Quartiers oder Gebäudes vom Einfamilienhaus zum Appartement zu wechseln. Die Gebäudestruktur der Kopfgebäude ist so angelegt, dass ein flexibles Angebot an Wohnungsgrößen nachfrageorientiert möglich ist. Im Ausbau sind 2- bis 6-spännertypen vorgesehen.

Reihenhäuser
Die geplanten Reihenhäuser zeigen in einem standardisierten robusten Reihenhaustypus von 6x12m die mögliche Anpassung der Struktur an unterschiedliche Lebensphasen oder Einkommensschichten.
Dabei kommt der unterschiedlichen Nutzung der Kernzone eine besondere Rolle zu. Im Falle des Familienwohnens sind hier dienende Räume wie Nassräume und Küche untergebracht.
Im Szenario „Loftwohnen“ kann diese Zone als kommunikativer Luftraum mit zusätzlicher Belichtungsfunktion genutzt werden. Als Option für barrierefreies Wohnen im Alter ist in diesem Bereich ein Fahrstuhl nachrüstbar.

Wachsende Häuser
Ein anderes Angebot sind die „Wachsenden Häuser“. Zwischen den in Zeilen angeordneten Einfamilienhäusern findet sich eine „Zuwachszone“, in der die Häuser optional mehrgeschossig erweitert – und auch wieder rückgebaut - werden können, oder die Raum für Carport bzw. Garage bietet.

Gehöfte
In Anlehnung an die bestehenden, in die Gesamtstruktur integrierten landwirtschaftlichen Gebäude bieten die neuen, um einen gemeinsamen Hof angelegten "Gehöfte" Raum für Eigentümergemeinschaften, genossenschaftliches Wohnen oder Wohnexperimente.

Nutzungsmix
An den Quartiersplätzen, insbes. im Realisierungsteil, können größere Einheiten mit sozial gefördertem Wohnungsbau entstehen. Die Gebäude erlauben auch einen Nutzungsmix, vor allem in den Erdgeschossen, mit nichtstörendem, kleinteiligen Gewerbe, quartiersbezogenen Dienstleistungsangeboten, oder kleinteiligem Einzelhandel. Neben dem zentralen Generationenhaus entstehen hier Angebote für Nachbarschaftshilfe und Austausch.

Energiekonzept
Als Anforderung an die Gebäudehüllen und Haustechnik (z. B. Wärmerückgewinnung) der Gebäude wird der Passivhausstandard zugrunde gelegt. Damit wird eine wirtschaftlich gut tragbare Reduzierung des energetischen Grundbedarfs erwirkt. Darüber hinaus erfolgt die noch notwendige Wärmeversorgung in einem Nahwärmenetz durch Nutzung solarthermischer Energie mit saisonaler Wärmespeicherung im Langzeitwärmespeicher.
Die von den Sonnenkollektoren auf den Gebäudedächern gewonnene Wärme wird über das Solarnetz in Form heißen Wassers zur Heizzentrale transportiert und bei Bedarf direkt an die Gebäude verteilt. Die im Sommer anfallende Überschusswärme wird in den saisonalen Wärmespeicher eingespeist, der in den Untergrund des Siedlungsgeländes eingebaut ist.
Das über das Wärmeverteilnetz gelieferte Heizwasser versorgt die Heizung und Trinkwassererwärmung der Gebäude. Jedes Gebäude verfügt über eine eigene Wärmeübergabestation als Verbindung zwischen dem Wärmeverteilnetz und den hausinternen Installationen. Die Heizzentrale verwendet die im Langzeitwärmespeicher gespeicherte Solarwärme.
Die Wärmespeicherung erfolgt in unterirdischen Kies-Wasser-Speichern, die im Bereich unter der Hochspannungsleitung angeordnet sind, und sich durch eine geometrische Geländemodellierung nach oben abzeichnen: die „Energielandschaft“.
Eine Mischung von horizontalen und geneigten Dächern reagiert auf die unterschiedlichen Anforderungen individueller Kollektorsysteme.

Nachhaltigkeitskonzept
Dem Anspruch auf ökologische Nachhaltigkeit kommt das Projekt durch eine Reihe von Maßnahmen nach.
Neben der Schaffung ökologisch vielfältiger Lebensräume (Streuobstwiese, Uferzonen) steht die Verbesserung des Mikroklimas und der Bodendurchlässigkeit durch einen geringen Versiegelungsgrad. So können z.B. Stellplätze und Teile von Mischverkehrsflächen aus versickerungsfähigem Pflaster oder Schotterrasen bestehen.
Das Niederschlagswasser der befestigten Flächen und Dachflächen wird oberflächlich in Rinnen und Gräben gesammelt. In den Bereichen nördlichen der Erschließungsachse wird es in Rigolen dezentral versickert. Die übrigen Flächen sind über Gräben an den Klötzlmühlbach angeschlossen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der innovative Ansatz der Verfasser sieht die Beschränkung auf ein sehr kompaktes Quartier im Anschluss an die bestehende Nachbarschaft vor, das im Gegensatz zum großzügigen Landschaftsraum im Süden steht. Innerhalb des vorgeschlagenen Siedlungskörpers wechseln sich kompakte Baufelder mit eher offenen ab, was ein abwechslungsreiches und durchmischtes Gefüge ergibt. Der nicht axial durchlaufende Erschließungsraum unterstützt zusammen mit dem räumlichen Wechsel der Baukörper einen spannungsvolle Straßenraum bei dem der Charakter je Baufeld variiert wird.
Die vorgeschlagenen Wohnformen sind vielfältig und ergeben in der Kombination zu jedem Zeitpunkt eine gewisse Durchmischung, auch lassen sie ein hohes Maß an Flexibilität zu.
Die Beschränkung der Siedlungsentwicklung auf den östlichen Bereich schafft eine klare Kante zum Landschaftsraum. Dieser wird respektiert und in Wert gesetzt, intensive Einbauten werden richtigerweise erst in Siedlungsnähe gesetzt. Lediglich im mittleren Bereich des Realisierungsteils rückt die Bebauung zu nahe ans Ufer. Der Abstand zur Nachbarbebauung wird im Realisierungsteil zum Teil nicht eingehalten und sollte ggf. überprüft werden. Die Verwendung der Freihaltezone der Hochspannungsleitung als Langzeitwärmespeicher stellt einen interessanten Vorschlag dar. Auch innerhalb des Quartiers entstehen abwechslungsreiche und attraktive Freiräume.
Im Realisierungsteil werden öffentliche Nutzungen wie Generationenhaus und Kindergarten am Gelenkpunkt zum Klötzlmühlbach platziert, was eine gewisse Durchlässigkeit gewährleistet, aber auch die Zugänglichkeit zum öffentlichen Raum sicherstellt. Der Kindergarten im Bereich der Hochspannungsfreihaltezone wird sehr kritisch gesehen.
Die Flächenbilanz des vorgeschlagenen Konzeptes liegt im unteren Bereich, jedoch auf einer wesentlich geringeren Grundfläche die versiegelt wird, was insgesamt die Nachhaltigkeit des Konzeptes unterstützt.
In der Summe stellt der Entwurf einen konzeptionell äußerst interessanten und weit vorausblickenden Beitrag dar, der innovativ und vielversprechend für Landshut ist.