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Offener Wettbewerb | 08/2014

Neubau Kindertagesstätte (KITA)

Aita Flury dipl. Arch. ETH SIA

Aita Flury dipl. Arch. ETH SIA

2. Rang / 2. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

Aita Flury Architektur GmbH

Architektur

PIRMIN JUNG

Bauingenieurwesen, Bauphysik

MĂĽller Illien Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Nightnurse Images AG

Visualisierung

Erläuterungstext

Ausgangslage
Prägend für die Situation der neuen KITA ist ihre Lage auf dem Schulhausareal Grevas - eine plateauartige Anlage mit eindrücklichem Blick auf See und St. Moritz Bad. Der eigentliche Perimeter ist ein mehrheitlich flaches Grundstück, das auf jeder Seite unterschiedliche räumliche Grenzen und Beziehungen zeigt: Im Nordwesten begleitet eine ansteigende Zubringerstrasse die Parzelle, während diese im Südwesten zum Nachbarsgrundstück hin steil abfällt. Auf der Südost- und Nordostseite liegt das zu bebauende Gelände offen und ungeschützt zur flachen Spiel- und Sportwiese der Schulanlage Grevas da.


Die neue KITA
Aussenraum
Das neue KITA-Gebäude wird in das bereits vorhandene Baumpoché eingeschrieben, welches die nordwestliche Ecke des Perimeters besetzt und sich der Hangkante entlang bis an den südostlichen Plateaurand ausläuft. Dieser Baumkörper wird verdichtet und wird zur eigentlichen Fassung oder Rahmung für das neue Haus, er gibt ihm Halt. Eine der Kurve des Baumkörpers folgende Mauer definiert in direkter Adhäsion mit dem Baukörper der KITA deren privaten Aussenraumbereich – hier finden Sandkasten, Feuerstelle und auch ein in der Mauer integrierter kleiner Rundbau für die Sportgeräte Platz. Eine Hecke privatisiert diesen Aussenraum entlang der Zubringerstrasse zusätzlich.

Baukörper
Für die neue KITA wird ein langgestrecktes, zweigeschossiges Gebäude vorgeschlagen, das geometrisch orthogonal zur bestehenden Schulhausanlage und dem abgetieften Sportfeld im Nordosten ausgerichtet ist. Der Baukörper zeigt eine fein geschwungene Abwicklung, die auf alle Seiten topografische, feinräumliche Reaktionen mit dem Kontext ermöglicht: Alle Gebäudeseiten – vom Eingangsbereich abgesehen – zeigen leichte Konkavitäten, was dem Gebäude allseitig einen „empfangenden“ Ausdruck verleiht. Die Geometrie der feinen Schwingungen und sanften Übergänge macht zudem möglich, dass das Volumen in seiner Form auf der einen Seite der stärker schwingenden, fast geknickten Geländekante folgt, auf allen anderen Seiten feinere Variationen in der Abwicklung zeigt. Durch die leicht gekurvten Fassaden wird das Gebäude insbesondere auch in Bezug auf die weite, fliessende Spiel- und Sportwiese verortet, spreizt sich sozusagen im Terrain fest.

Die geschwungene Abwicklung ist aber nicht nur Reaktion auf den Kontext: sie verleiht dem Gebäude Körper- und Objekthaftigkeit, lässt Assoziationen an ein fein gearbeitetes Möbelstück oder gar an den Klangkörper eines Seiteninstruments aufkommen. Mit anderen Worten: die Hülle ist in ihrer Grundanlage als auch in ihrer Ausarbeitung sinnlich, greif- und begreifbar und dabei spezifisch auch an die Kinderwelt adressiert, ohne dazu plakativ oder ikonografisch werden zu müssen.

Bewegung
Die Idee der feinen Bewegung, die den Baukörper aussen durchwirkt, zieht sich im Inneren weiter: Über den Eingangsplatz, der sich im Norden in die Negativecke des Baukörpers einschiebt, gelangt man in den Windfang. Hier ist das innere Bewegungssystem bereits erkennbar: Leicht aus der Mitte gerückt ist dem Haus ein kreisrunder Erschliessungsraum mit einer gewendelten Treppe eingeschrieben. Dieser über eine Kuppel mit eingelassenen Glasbausteinen zenital belichtete Zentralraum ist das Herz des Hauses, um welches herum alle anderen Räume gruppiert sind. Der gesamte äussere Raumkranz wird in beiden Geschossen über diese Halle erschlossen. Gleichzeitig sind die meisten Räume entlang der Fassade untereinander erschlossen, sodass ein Rundlaufsystem der Fassade entlang entsteht.

Programm
In logischer Abfolge reihen sich im Erdgeschoss Garderobe, Personalraum, Essraum und Küche aneinander. Im 1. Obergeschoss erfährt das Erschliessungsrund eine räumliche Aufweitung an die Fassade, die als Aufenthalt genutzt werden kann. Die Raumgrössen sind an den vorgegebenen unteren Grössen gehalten, zusätzlich zum Aufgaben/Ruheraum und Spielzimmer gibt es aber Platz für einen 21m2 grossen multifunktionalen Schaltraum – dieser kann nach Bedarf der Spiel- oder der Aufgaben/Ruheraumnutzung zugeführt werden.

Materialisierung
Der Fassadenausdruck des Hauses ist vom tektonischen Spiel der leicht vorstehenden Fensterrisaliten und den dazwischen gespannten Schindelfeldern geprägt. Die Schindeln eignen sich hervorragend, um die feinen Rundungen der geschlossenen Fassadenabschnitte (die Fenster sind gerade!) auszuführen: diese Flächen leben von der Luminosizität des Schindelkleides. Dessen Kleinteiligkeit verweist auf das Handwerk und auf lokale Tradition.
Innen ist der Ausdruck roh und archaisch – das betonierte Treppenhaus mit grober Bretterschalung verbindet sich fliessend mit der Holzwelt der Räume. Dort ist die Stimmung geprägt von der feinteiligen Holzstruktur der Brettstapeldecken, den Holzböden, aber auch den strukturellen Fensteröffnungen, die mit den verputzten Wandflächen zusammen einen ruhigen Rhythmus/Takt vorgeben - die prächtige Aussicht wird in angenehmen Proportionen und Ausschnitten freigestellt und gleichzeitig sind genügend schützende, geschlossene Flächen vorhanden.

Erweiterung
Das Haus kann für den Erweiterungsfall so dimensioniert werden, dass ein zusätzliches Geschoss aufgesetzt werden kann. Abhängig von der Grösse der Erweiterung wäre allenfalls auch eine weitere Raumschicht nach Nordosten denkbar – der Perimeter ist dort nicht ausgereizt.

Konstruktion
Für den Neubau der KITA wird ein vorfabrizierter Holzbau in Kombination mit einem massiven Stahlbetonkern vorgeschlagen. Das Tragwerk des Dachs besteht aus axial gespannten Brettstapelelementen. Dies lagern auf dem Stahlbetonkern und auf den Aussenwänden aus Holz auf. In den vorfabrizierten Aussenwänden sind Fensterüberzüge in Form von Brettschichtholzträgern integriert. Diese Fangen die Deckenlasten ab und leiten die Vertikallasten in Brettschichtholzstützen welche neben den Fenstern angeordnet sind. Diese Stützen leiten die Kräfte in Stahlbetonfundation ab. Das statische System für die Geschossdecken funktioniert analog dem Dachtragwerk. Anders als im Dach, wird hier eine Holz-Beton-Verbundecke vorgeschlagen. Dieses Verbundsystem verschafft dem Bauwerk sehr gute Schallschutzwerte im Tieftonbereich, führt zu sehr schlanken Deckenstärken und ist äusserst Kosteneffizient.

Zur Verankerung von Wind und Erdbebenkräften wird über den Brettstapelelementen im Dach eine OSB-Platte als Scheibe verklammert. Diese Scheibe wir am Treppenkern und seinen Trennwänden angeschlossen. In den Geschossdecken wird der Überbeton der HBV-Decke als Scheibe ausgebildet und wird wie das Dach am Stahlbetonkern angeschlossen. Der Stahlbetonkern wiederum leitet die Horizontalkräfte in die Fundation.

Dank eines optimierten Materialmixes erhält die Bauherrschaft eine kostenoptimierte KITA, welche höchste Ansprüche betreffend Energieeffizienz, Komfort, Ökologie und Nachhaltigkeit vereint. Diese zukunftsweisende Bauweise besticht neben der kurzen Bauzeit auch durch raffinierte Schnittstellen zwischen den einzelnen Gewerken und ist bezüglich Unterhalt und Betrieb optimiert.

Mit der hier vorgeschlagenen Konstruktion werden alle Anforderungen, die an eine zukunftsweisende nachhaltige Bauweise gestellt werden, erfüllt. Die Konstruktion ist absolut kostenoptimiert, kann von mittelständigen Holzbauunternehmungen ausgeführt werden und ist brandschutztechnisch auf die gültige Brandschutznorm abgestellt. Der Holzsystembau wird vor Produktionsstart detailliert geplant. Die grossformatigen Holzelemente werden von der Witterung unabhängig in der Werkstatt gefertigt und auf Transportpritschen verladen. Nachdem die Betonarbeiten vor Ort erstellt sind wird das komplette KITA-Gebäude innerhalb einer Wochen regendicht montiert. Nach dieser Rohbaumontage wird der Ausbau getätigt, sodass das Bauwerk rund 3 Monate nachher bezugsbereit übergeben werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt LINDORNA fügt sich als zweigeschossiger kompakter Baukörper an den nördlichen und westlichen Rand des Baufeldes. Seine konkav geschwungenen Fassaden haken die polygonale, gespreizte Figur mit überraschender Wirkung an ihrem Ort fest und fassen zur westlichen Baumgruppe einen Aussenraum. Bestechend ist die Kompaktheit des Volumens, die ortsbaulich im Gegensatz zu einem eingeschossigen Flachbau und trotz der Kleinheit einerseits eine Präsenz zu verkörpern vermag und andererseits die Umgebung grosszügig freispielt. Dass dieser Vorteil des gewonnenen Aussenraums nach Südosten nicht für die Einrichtung des Spielbereichs genutzt wird, ist allerdings schwer nachvollziehbar. Denn der zwar sorgfältig gestaltete und optisch geschützte Aussenraum im Nordwesten ist schattig und steht in keiner Korrespondenz mit den Innenräumen. Wenig überzeugend ist auch die Vorzone beim Eingang, die mit einer einspringende Ecke wohl formuliert wird, aber zu beengend wirkt und recht nah an der Strasse ist.

Im Innern überrascht das Projekt erneut mit einer starken formalen Massnahme, nämlich mit einer kreisrunden Treppenanlage, die als identitäts- und orientierungsstiftender Raum der betrieblich schwierigen Teilung des Raumprogramms auf zwei Ebenen offensiv begegnet. So ordnen sich im Prinzip alle Räume um diesen Zentralraum, der mit einer Lichtkuppel überwölbt ist. Im Erdgeschoss wird neben dem Windfang die Garderobe als eigenes Raumsegment ausgebildet, das eine Trennung von Schmutz- und Sauberbereich optimal gewährleistet. Das Personalbüro liegt gegenüber dem Eingang und erfüllt die nötige Übersicht. Dass der Essraum und die Küche (Anlieferung) im Erdgeschoss platziert sind und das Spielen und der Hausaufgabenraum im Obergeschoss, ist betrieblich schlüssig. Die Zusatzflächen im Obergeschoss deuten allerdings darauf hin, dass der Vorschlag wirtschaftlich nicht optimiert ist. Insgesamt vereint das Projekt eine räumliche Organisation auf zwei Geschossen mit viel Geschick und einem sorgfältig artikulierten Vertikalraum, fordert aber von einer Betreuungsperson ein hohes Mass an Flexibilität, um die Überwachung zu gewährleisten.

Die Räume werden geprägt von umlaufenden, grossen Fensterformaten, die dem Äusseren des Körpers eine ruhige Gleichförmigkeit verleihen. Das Projekt baut durch seine Form und den Ausdruck im Kontext eine starke Eigenständigkeit auf, die zwar durch die orthogonale Ausrichtung mit der Schule Grevas in Verbindung tritt, sich aber als Solitär behauptet. Die Holzständerkonstruktion der Fassade wird bei den Wandelementen
mit Holzschindeln verkleidet, die mit dem Massstab des Fensterrhythmus kontrastieren, was in Bezug auf die Fernwirkung und die Nahwahrnehmung eine interessante Spannung aufbaut. Die Wandelemente im Innern sowie die Kuppeldecke sind in Beton konzipiert. Der hohe Anteil des Betons wird in Bezug auf die Terminziele der Umsetzung kritisch betrachtet. Trotz der Kompaktheit, also gutem Verhältnis von Hüllfläche zu Geschossfläche, liegt das Projekt infolge des hohen Betonanteils im oberen preislichen Rahmen. Ökologisch schneidet es im Vergleich dank der Kompaktheit überdurchschnittlich gut ab.

Das Projekt vermag als eine der wenigen zweigeschossigen Lösungen die betrieblich schwierige Aufgabe überzeugend zu meistern und mit einer überraschenden Identität zu einer hohen Raumqualität zu verhelfen. Die ortsbaulichen Vorteile des kompakten Volumens werden leider aussenräumlich nicht ausgespielt, und die verhältnismässig hohen Kosten hemmen das Gesamturteil des kräftigen Projektvorschlags.
Aita Flury dipl. Arch. ETH SIA

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