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Mehrfachbeauftragung | 09/2014

Erinnerungsort Olympia-Attentat München 72

Teilnahme

SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH

Landschaftsarchitektur

ON architektur

Architektur

Erläuterungstext

Zerbrechende Ringe
München '72. Das Völkerfest im Zeichen der Ringe würde als die "heiteren Spiele" in die Erinnerung eingehen- als Zeichen des Umbruchs, des neuen Denkens, des friedlichen Miteinanders. Für die Deutschen eine Hoffnung auf Erlösung von Kriegsschuld und Kriegserinnerung? Selten wurde eine positive, ideelle Botschaft derart wirkmächtig wie vor den Kulissen der visionären olympischen Bauten und der universellen Ideallandschaft des Olympiaparks installiert.
Mit dem Terrorakt der Entführung der israelischen Sportler endet der Traum. In einem Geschichtsmoment der Hoffnung wirken die Geschehnisse und der Tod der 11 israelischen Sportler umso mehr wie ein unfassbarer Schock, wie ein nicht hinnehmbarer Gegensatz. Dieses tragische Perpetuum zwischen Zukunftshoffnung und Entsetzen ist so einzigartig für das Geschehen in München und weist gleichzeitig darüber hinaus. Es wird zum erzählerischen Motiv einer Gestaltung die die ganz
unterschiedlichen Ebenen des individuellen Gedenkens und der historischen Information in einer einfachen Figur verschränkt. Die ideelle Landschaft des Olympiaparks, ihre Bauten, werden dabei als erzählende Kulisse, als Exponat einbezogen.

Idee
Ein ringförmiger Steg wird ebenerdig an eine platzartige Aufweitung am Kolehmainenweg angelehnt und schiebt sich als Auskragung über den Hangrücken in den Park hinein. In der reflektierenden Verblendung spiegelt sich die
umgebende Parklandschaft wieder. In fragmentierter Form wird der Ring von pultartigen Brüstungen zur Landschaft hin gefasst. Sie begleiten den
Besucher auf seinem Rundweg. Dabei wird die Tragweite der Geschehnisse deutlich, denn auf dem 360°-Panorama erstrecken sich in alle Himmelsrichtungen Bezüge, die auf die Olympiade, das Attentat, die Berichterstattung aber auch auf die Nachwirkungen und weitere Gedenkorte verweisen. Im Zentrum des Kreises steht das Opfergedenken. Elf einzelne Stelen unter der Krone eines vielstämmigen Baums
ermöglichen einen emotionalen Zugang zur individuellen, persönlichen Erinnerung. In ihrer Zusammenschau betrachtet rücken die Stelen zusammen und es werden Schnittmengen der Sportler untereinander deutlich.

Gesamtkonzept
Der Umgang mit Landschaft
Der Münchener Olympiapark steht symbolisch für einen modernen Volks- und Landschaftspark. Er ist ein schützenswertes Erbe des 20. Jahrhunderts. Die Strukturen werden im Entwurf nicht nur mit Respekt gewürdigt und weitestgehend erhalten, er wird als Exponat verstanden und interpretiert. Die Nähe zu landschaftlichen Höhepunkten und Geschehensorten (wie dem "Sendehügel") wird vermieden. Um den Erinnerungsort als Teil des Alltags herauszustellen, wird der Gedenk- und Informationsort am Knotenpunkt von Kolehmainenweg und der Wegegabelungen zum Olympiadorf verortet. Gleichzeitig offenbart sich von dieser räumlichen Situation Richtung
Norden eine Seitenansicht auf die Gebäude der Connollystraße und Richtung Süden auf die schwebenden Dächer der Gebäude Behnischs und Frei Ottos. Eingebettet ist dieser Ort in einer raumprägenden Landschaftsmodellierung unter dem Kronenschirm der inzwischen eingewachsenen Großgehölze. Von hier aus lässt sich in besonderer Weise über die Geschehnisse und die Berichterstattung am 5. und 6.
September 1972 erzählen, ohne den Ort selbst zu verändern - das Narrativ Connollystraße, Olympiaarchitektur und der Ort der Berichterstattung lagern um den Gedenkort herum. Unter und im Innern des Rings verbleibt eine durchgängige landschaftliche Ebene die die individuellen Erinnerungszeichen trägt.

Immaterieller Kristallisationspunkt im Olympiapark
Der Erinnerungsort soll in der weiten, weichen Parklandschaft möglichst pointiert und auf kleinem Raum entwickelt werden. Es entsteht damit ein klarer Gestus als geschichtlicher Kristallisationspunkt in der Parklandschaft. Die kreisrunde Stahlkonstruktion setzt bündig (barrieregerecht) am Hauptweg an. In einer Ebene schiebt sie sich über die Böschungskante in den Park hinein. Die Lage, die Proportion und die Höheneinordnung des Steges stellen auf die Eigenarten des Raumes ab; Landschaftsbild, Topografie und Bezugskoordinaten.
Gleichwohl die herauskragende Stahlkonstruktion eine bauliche Intervention im Park darstellt, nimmt sie sich durch ihre Außenhaut stark zurück. Die reflektierende Oberfläche spiegelt den Park, die Farben der Jahreszeiten wieder und es entsteht eine veränderte Landschaftswahrnehmung.


Ausstellung
Informationsort - Gedenkort
Während das ringförmige Ausstellungspult auf dem Steg als Informationsbereich die Geschichte des Attentats erzählt und auf örtliche Bezüge außerhalb der Kreisfigur verweist, befindet sich im Zentrum dieser Figur der bodenbezogene Gedenkort, an dem auf elf Stelen den Opfern des Attentats gedacht werden soll. Die Opfer des
Attentats stehen somit im Mittelpunkt des zukünftigen Gedenk-und Informationsortes und sind für die Besucher dieses Ortes jederzeit präsent.

Opfergedenken
Jedes Opfer erhält eine 2,3m hohe Stele aus eingefärbtem Sichtbeton, die im Zentrum der Ringfigur versetzt zueinander angeordnet werden, so dass für jedes Opfer ein individueller und intimer Gedenkbereich geschaffen wird. Bei der direkten Ansicht vom Eingang des Gedenkortes schieben sie sich die Stelen optisch zusammen und
bilden eine Einheit. Jede Stele zeigt eine Portraitfotografie und eine dreisprachige Biographie des Opfers. Eine kleine Konsole unterhalb der Biografie ermöglicht das Ablegen von Steinen und dient als Symbol für das Gedenken an die Opfer. Die Höhen der Portraits und der Konsolen variieren von Stele zu Stele, um auf die Individualität der Opfer zu verweisen.

Gliederung des Ausstellungspultes
Das Ausstellungspult auf dem Steg ist in verschiedene Themenabschnitte gegliedert, denen die Besucher im Uhrzeigersinn folgen. Diese werden durch Unterbrechungen des Pultes gegliedert, die auch als Austritte direkt zur Brüstung dienen.
Auf dem ersten Pultabschnitt erzählt der Prolog von der politischen Dimension der Olympischen Spiele mit Blick auf das Olympiazentrum. Darauf folgen zwei längere Abschnitte mit der Beschreibung des Attentates, der Geiselnahme und des gescheiterten Befreiungsversuches. Dabei wird der Blick auf den Hangrücken frei, von dem die Berichterstattung erfolgte. Die beiden nachfolgenden Abschnitte sind den Themenbereichen „deutsch-israelische Beziehungen" und „Transnationaler Terrorismus" gewidmet. Auf dem Pultabschnitt am Ende des Ringes soll mit dem
Epilog das Thema Nachwirkungen untergebracht werden. Ein Sonderpult im Eingangsbereich organisiert den Ein- und Ausgang. Hier werden Grundinformationen zum Gedenkort gegeben, die dem Besucher vor Betreten des Steges als Orientierung dienen. Eine Karte verortet den Gedenk-und Informationsort innerhalb des Olympiaparks.

Ortshinweise
Grafisch hervorgehobene Felder auf den Ausstellungspulten, weisen auf lokale und globale Ortsbezüge hin, die mit dem Attentat in Verbindung stehen. Dazu gehören z.B. unmittelbare Orte wie die Connollystraße 31 oder der Fliegerhorst Fürstenfeldbruck aber auch weltweite Gedenkorte wie z.B. das Denkmal für die Opfer des Attentats von
München in Tel Aviv. Diese Ortshinweise ermöglichen zum einen eine räumlich-visuelle Ebene der Informationsvermittlung auf dem Ausstellungspult und verweisen zum anderen darauf wie stark dieses Attentat weltweit im kulturellen Gedächtnis verankert ist. Ausstellungselemente und Materialien Das Ausstellungspult besteht aus fein gebürstetem Edelstahl mit Text- und Bildinformationen, die über einen
mehrfarbigen, UV-resistenten Siebdruck aufgedruckt werden. Dieser wird über einen transparenten Graffiti- Schutzanstrich geschützt. Auf einzelnen Pulten befinden sich die integrierten Hör- und Filmstationen, die über Drucktaster bedient werden. Die elektronischen Einbaukomponenten dieser Medienstationen befinden sich in robusten, abgekapselten Gehäusen auf der Unterseite des Pultes. Ausführung dieser Geräte entspricht den Bedingungen des Außenbereiches inkl. Thermostat und Heizmodul.
Die Stelen für die Opfer bestehen aus eingefärbtem Sichtbeton. Die Portraitfotografien sowie der Biografietext werden über einen mehrfarbigen, UV-resistenten Siebdruck aufgedruckt, der im Anschluss über einen transparenten Graffiti-Schutzanstrich geschützt wird.

sinai mit ON architektur