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Einladungswettbewerb | 09/2014

Neubau einer Moschee und eines Kulturzentrums

Außenperspektive

Außenperspektive

3. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

o5 Architekten BDA - Raab Hafke Lang

Architektur

Erläuterungstext

Ausgangssituation und Zielsetzung

Bürger islamischen Glaubens nehmen einen wichtigen Platz in den Stadtgesellschaften hierzulande ein. So ist die Einordnung des Bautypus Moschee, dem Ort der Ausübung des islamischen Glaubens, als eigenständiger Stadtbaustein mit entsprechender räumlich-baulicher Präsenz im Stadtbild folgerichtig. Eine säkulare Gesellschaft zu sein bedeutet Orte für alle Religionen zu ermöglichen.
Der Neubau soll Bereiche aufnehmen, die das soziale, kulturelle, religiöse und politische Leben einer islamischen Gemeinde bestimmen. Dies sollte sich auch in der städtebaulichen Einfügung des Bauwerks in das heterogene Umfeld und die architektonische Behandlung zeigen. Dabei sollte der Baukörper, welcher der Glaubensausübung dient - die Moschee mit einem integrierten Hochpunkt als symbolischem Minarett, das sich aus der Architekturform entwickelt - klar ablesbar sein und eine Signifikanz ausstrahlen.
In der Auslobung werden die Anforderungen an das neue Gebäude deutlich. Dabei ist die Situation in der unmittelbaren Umgebung geprägt von der Lage an der Hauptstraße. Das Grundtsück liegt inmitten einer heterogenen Bebauung von unterschiedlicher Größe ohne klare Höhenbezüge. Es geht also einerseits darum, zwischen den Maßstäben der Nachbarbebauung zu vermitteln und andererseits darum, eine urbanen, baulichen Akzent zu setzen, der das Gebäude als relevanten und besonderen, sakralen und gemeinschaftlichen Ort definiert.
Ein neuer Ort entsteht. Ein Ort der Gemeinde als Teil der Stadt, ein Ort des islamischen Glaubens als Teil der Gesellschaft.

Gebäudedisposition und Typologie

Der Neubau beinhaltet alle relevanten Funktionen der türkischen Gemeinde und funktioniert als multifunktionales Gebäude. Ziel der Gebäudekonfiguration ist, allen Nutzungen Raum zu geben, deren räumliche Spezifika den Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig Schnittstellen zu schaffen, Begegnungen zu ermöglichen.
Die Gliederung der Funktionen erfolgt zunächst über die Vertikale: Moschee und Madrasa (Bet- und Lehrhaus) mit den Schulungs- und Wohnbereichen werden gestapelt im 2. und 3. Obergeschoss über dem Gemeindebereich im Erd- und Obergeschoss angeordnet. Im Untergeschoss befindet sich die Parkierung mit Nebenräumen. Das Gebäude verfügt über zwei Kerne mit Treppen und Aufzugsanlagen zu Vertikalerschließung und Entfluchtung.
Die Erschließung des Gebäudes erfolgt von der Weinsberger Straße aus über den Eingang auf der Straßenseite in das Foyer. Dieser prägende Raum durchzieht das Gebäude horizontal und vertikal als Begegnungs- und Foyerraum, verbindet die Funktionen untereinander und die Bereiche über die inne liegende Vertikalerschließung miteinander. Es wäre denkbar, im Erdgeschoss eine Verknüpfung zum Quartiersgarten herzustellen. Die PKWZufahrt und die Anlieferung, Ver- und Entsorgung erfolgt über die Zufahrt im westlichen Teil des Gebäudes.
Die Organisation der Moschee mit dem Kulturzentrum als zusammenhängendem Gebäudetypus bewirkt eine differenzierte Höhenstaffelung und Proportionierung des Baukörpers als Abbild der Vielfältigkeit des Raumprogramms.

Die neue Moschee Heilbronn – ein Gotteshaus in der Stadt

Die Moschee, der Gebetsraum ist das Elementare. Er ist ein Raum der Meditation und Einkehr, aber auch der Sinnlichkeit, spürbar in der Ausgestaltung des Inneren. Mimar Sinan entwickelte eine Moscheentypologie, die Grundrisselemente der Hagia Sophia und traditionelle osmanische Elemente in sich vereint. Das Ergebnis ist ein offener und großzügiger, möglichst stützenfreier Sakralraum unter einer großen Zentralkuppel, die von mehreren Halbkuppeln unterstützt wird.
Die Raumstruktur der Moschee Heilbronn ist von Sinans Moscheetypus abgeleitet. Prägende Elemente wie die zentrale Kuppel mit den Vierungen und Halbkuppeln sind übernommen. Die Qibla-Wand mit der Mihrab als prägendem Element ist mit einer Abweichung von 5° gen Mekka gerichtet. Das Grundstück orientiert sich am Stadtgrundriss. Seine beschreibenden Kanten stehen in einem schrägen Winkel zur Ausrichtung der Moschee nach Mekka. Das Verschneiden der den Ort prägenden Geometrien mit der Mekka-Ausrichtung des Sakralraums führt zu einer Gestalt prägenden Raumstruktur und bewirkt die figürliche Gliederung der umgebenden Außenwände der Moschee.
Die Empore für Frauen und Kinder ist am Kuppel-Kreisdurchmesser ausgerichtet. Moscheeraum und Empore sind über zwei separate Vorbereiche mit Waschgelegenheiten, Schuhaufbewahrung und Vorraum autark zu erreichen. Der Vorbereich und die Moschee sind um einen Hof gelagert. Der Hof als weiteres abgeleitetes Element traditioneller Moscheeanlagen (Sahn) ist von großer Bedeutung, Er dient als gliederndes Element und wird im Sommer zum zentralen Übergangsbereich zur Moschee.

Das Islamische Kulturzentrum - Gemeindeleben und Madrasa

Die beiden Ebenen des Gemeindezentrums sind als Zweibund organisiert. Die Raumgruppen, der Eingang und die Erschließungskerne sowie die Freitreppe sind dem mehrgeschossigen Foyer angelagert. Das Obergeschoss ist als Zwischengeschoss konzipiert. Die Räume im 1. OG sind über eine Galerie mit dem Erdgeschoss verbunden. So entsteht der Raumeindruck, der angelehnt ist an die Gassen des Großen Basars. Das Foyer stellt eine räumliche Verbindung zum Quartiersgarten her und fungiert im Erdgeschoss als Erweiterungsbereich des Saals. Neben diesem Großraum sind die Aufenthaltsbereiche der Männer und Jungen sowie die Lauflagen abhängigen kommerziellen Angebote (Läden und Restaurant) in Eingangsnähe situiert.
Im Obergeschoss befinden sich die Aufenthalte der Frauen und Mädchen, die übrigen gewerblichen Angebote (Praxis, Familienberatung, 2. Ebene Restaurant) sowie die Verwaltungsbereiche der DITIP mit Bezug zum Quartiersgarten.
Die Parkierung erfolgt im Untergeschoss des Komplexes und bietet 52 Stellplätze, teils organisiert als Doppelparkpalette. Die Anfahrt erfolgt über die Stichstraße und eine Rampe im hinteren Bereich des Grundstückes.
Das teils viergeschossige Foyer und die vierläufige, gerade Treppe eröffnet vom Eingangsbereich aus den Blick in die Moscheeebene und stellt die Verbindung zu den Obergeschossen dar, die dem Sakralraum und der Schule gewidmet sind. Das Schulhaus (Madrasa) liegt traditionell in räumlicher Nähe zum Sakralbereich.

Schleier und Figur – Hülle und Struktur

Eines der spezifischen Charakteristika herausragender Beispiele islamischer Sakralbaukunst ist der Umgang mit den Oberflächen: Kunstvolle geometrisch-ornamentalen Strukturen, für deren Entwicklung das Bilderverbot, das Vermeiden von figürlichen Darstellungen Ausschlag gebend war. Diese Kunst der Oberflächengestaltung ist Referenz und konzeptioneller Anker bei der Entwicklung der Hülle und der Innenbekleidung der Moschee und des islamischen Kulturzentrums Heilbronn.
Die Gestalt des gestaffelten Baukörpers wird über die kleinteilig ornamentierte Hülle als Schleier zusammengebunden. Teils geschlossen und flächig als Prägung, teils vertieft als Relief, teils geöffnet als Perforation bietet die Hülle unterschiedliche Grade von Offen- und Geschlossenheit, Lichteinfall und Ausblick, ohne dabei die einzelnen Elemente des Baukörpers gänzlich preiszugeben. So scheint die Figur der Kuppelgeometrien als Bogensequenz durch den Schleier hindurch, ohne eindeutig als traditionell-osmanisches Bauwerk aus dem städtischen Kontext zu brechen. Die Ornamentstruktur besteht aus zwei Rauten und ist beeinflusst von zwei autarken Geometrischen Systemen. Bereits im Mittelalter wussten die Baumeister im islamischen Raum mithilfe der Girih-Kacheln geometrische Muster zu erzeugen und dabei deren regelmäßige Wiederholung zu vermeiden. Viel später und unabhängig davon hat der Mathematiker Roger Penrose mithilfe der Rautengeometrien aperiodische Muster entwickelt. Ergebnis sind modular herstellbare und variiert einsetzbare Fassadenelemente aus faserbewehrtem Leichtbeton bzw. messinglegierten Metallfilterelementen.

Dauerhaft nachhaltig – Materialisierung und Konstruktion

Ziel des Tragwerkentwurfs ist es, ein wirtschaftliches Tragsystem zu entwickeln, das auf die architektonische Idee abgestimmt ist. Das Tragwerk ist das Ergebnis eines integralen Planungsprozesses zwischen Architektur, Tragwerk und Haustechnik. Das Primärtragsystem wird als Stahlbetonkonstruktion mit Massivkernen hergestellt. Die massiv ausgebildeten Bereiche (Kerne und Schotten) übernehmen die Aussteifung der Gesamtkonstruktion. Die vorgeschlganenen Materialien (Beton, Messing, Glas außen; Holzwerkstoff, Zementfliesen, Messing innen) zeichnen sich durch ihre gute Alterungsfähigkeit aus und versprechen eine dauerhaft angemessene Außengstalt auf der einen Seite und geringe Instandhaltungskosten auf der anderen Seite. Die Vorhangfassade aus Betonfertigteile lässt sich modular vorfertigen und bietet durch ihre Bauteilkombinatorik die Möglichkeit, ein jeweils an den Raumbereich angepasstes Fassadenkonzept umzusetzen.
Das Energiekonzept sieht eine Kombination von Bedarfsminimierung und Versorgung mittels erneuerbarer Energieträger unter Berücksichtigung der Investitions- und Unterhaltskosten vor. Zur Minimierung des Heizwärmebedarfs im Betrieb werden alle Außenbauteile in einem hohen Standard unter Minimierung der Transmissionswärmeverluste ausgeführt. Um Verluste im Winter zu reduzieren und Überhitzung im Sommer zu vermeiden ist der Fensterflächenanteil der Fassade optimiert (siehe Erläuterungstext). Das Energie- und Lüftungskonzept wird je nach Raumart und Belegungsdichte differenziert betrachtet und teils dezentral ausgelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das insgesamt viergeschossige Gebäude steht logisch in der Flucht der Bebauung an der Weinsberger Straße. Aus dem monolithisch rechteckigen Kubus ragt an der südwestlichen Ecke ein zweigeschossiges quadratisch überhöhtes Bauteil hervor, das die Signifikanz der Moschee im Straßenraum an der richtigen Stelle betont. Allerdings ist die dahinter liegende Kuppel aus der Fußgängerperspektive kaum wahrnehmbar. Das erwünschte Minarett fehlt vollständig.
Die lichtdurchfluteten Fassaden schaffen interessante Lichtstimmungen im Inneren des Gebäudes. Die feingliedrige Fassadentextur überzieht das ganze Gebäude ohne jedoch differenziert auf die Himmelsrichtungen (Sonnenschutz) einzugehen. Das Erscheinungsbild einer Moschee wird durch das fehlende Minarett und die nicht sich bare Kuppel fragwürdig. Die zweigeschossige Verglasung in Erd- und Obergeschoss wirkt einladend und in der Ausformung überzeugend.
Das Raumprogramm ist weitgehend gut erfüllt. Besonders hervorzuheben sind der gut situierte Multifunktionsraum und die Ladenzone im EG. Auch die Schaffung eines Vorhofes im Zusammenspiel mit der Zugänglichkeit des Gebetsraums ist gut gelungen.
Weitere Funktionen sind stimmig angeordnet mit Korrekturerfordernis im Detail. Die Moschee ist überzeugend gestaltet mit hoher Innenraumqualität und korrekter Ausrichtung der Gebetswand nach Mekka. Eine erforderliche, direkte, interne Verbindung aus dem Hauptgebetsraum auf die Empore fehlt. Die religiösen Anforderungen sind gut erfüllt. Die filigrane Fassadengestaltung lässt einen erhöhten Aufwand im Unterhalt erwarten, insbesondere durch den hohen Verglasungsgrad und den nicht schlüssig nachgewiesenen Sonnenschutz. Eine wirtschafliche Erstellung scheint erwartbar.
Es stellt sich die Frage, weshalb der Verfasser die Kuppel hinter einer aufwändigen, viereckigen Perforation versteckt, obwohl der Auslober genau das Gegenteil erwartet. Trotz allem stellt die Arbeit einen insgesamt guten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar.