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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2014

Mackensen-Kaserne

1. Preis

Preisgeld: 20.000 EUR

Thomas Schüler Architekten und Stadtplaner

Architektur

faktorgruen

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept

Das Konzept entwickelt sich aus dem Stadtteil Oststadt heraus, übernimmt die bestehenden Qualitäten der gründerzeitlichen Blockrandstrukturen und führt sie auf dem Planungsgebiet fort. Die Goethestraße als Hauptachse wird bis zur Senator-Braun-Allee verlängert und bildet die Erschließungsspange in die Innenstadt.

An der Senator-Braun-Allee entsteht ein baulicher Hochpunkt der den Endpunkt der Wegeachse bildet. Er betont die Sichtachse stadtauswärts und schafft einen weiteren städtebaulichen Fixpunkt neben der St. Elisabeth-Kirche. Eine Platzsituation als Entreéplatz markiert hier den Hauptzugang zum neuen Quartier.


Landschaft

Die offene Grünschneise nach Süden bildet das zentrale freiräumliche Element, die grüne Mitte des Quartiers, das als großes Landschaftsfenster den Blick Süden rahmt. Über diese Grüne Mitte wird die freiräumliche Vernetzung zu den angrenzenden Grünräumen und zum Naherholungsgebiet Galgenberg geschaffen.

Nach Süden hin verzahnt sich die Grüne Mitte landschaftlich mit den angrenzenden Grünflächen und gestaltet ein natürliches Wohnumfeld. Zur Bahn hin bildet eine extensive naturnahe Begrünung eine schützende Pufferzone in die auch der Regenwasserteich eingebettet ist.

Das freiräumliche Konzept fügt sich wie selbstverständlich in die örtliche Situation und gliedert das neue Quartier in zwei Teilbereiche, die auch die späteren Bauabschnitte bilden.


Quartiersmitte

Im Kreuzungspunkt der Wegeachsen befindet sich der zentrale Quartiersplatz, der hier als Drehscheibe der Fuß- und Radwege und als Trittstein zwischen Oststadt und den Grünräumen funktioniert.

Der Quartiersplatz bildet das Zentrum des Quartiers und schafft einen Ort für öffentliches und gemeinschaftliches Leben. Kleinere Flächen für die Nahversorgung, Cafe und eine Platzgestaltung mit hoher Aufenthaltsqualität sorgen hier für Kommunikation zwischen Bewohnern des Stadtteils und des neuen Quartiers.

Bänke unter den Bäumen und eine Wasserfläche laden zum Verweilen ein und geben dem Platz den Charakter eines Wohnzimmers für die angrenzenden Bewohner des Quartiers. Als urbaner Platzraum lässt er vielfältige Nutzungsmöglichkeiten zu und integriert zentrale Spiel- und Aktionsflächen.

Seine Besonderheit ist der offene Blick in das Landschaftsfenster nach Süden. Der Ausblick zum Galgenberg wird inszeniert und für alle Bewohner erlebbar gemacht. Großzügige Sitzstufen am Grünraum bilden eine zusätzliche Verweilqualität.


Grüne Mitte

Das freiräumliche Herzstück der Siedlung wird durch die grüne Mitte als kommunikative und gemeinschaftliche Parkfläche gebildet. Die großen Bestandsbäume werden hier durch Neupflanzungen ergänzt und prägen den Charakter des neuen Stadtteils. Als zentrale Grünfläche bildet sie die freiräumliche Mitte und fördert die Identifikation mit dem Quartier.

Durch die Nutzung für Spiel und Freizeit trägt die grüne Mitte zur Qualitätssteigerung des gesamten Stadtteiles bei und bildet ein neues zentrales Freiraumelement für Hildesheim mit einer hohen Aufenthaltsqualität.

Die Grüne Mitte wird naturnah ausgebildet und nimmt die erforderlichen Ausgleichsflächen für das Gebiet auf. Gleichzeitig übernimmt sie die Funktion eines zusätzlichen Retentionsraumes für das anfallende Regenwasser. Die Grüne Mitte trägt durch ihre Aufenthaltsqualität und ökologische Funktion als Regenwasserretentionsfläche zur Qualitätssteigerung des Quartiers bei.


Wohnhöfe an der Grünen Mitte

Die Grüne Mitte wird durch die angrenzenden Wohnhöfe gerahmt, die hierüber ihre Adresse erhalten. Eine differenzierte Bebauung mit unterschiedlichen Gebäudetypen bildet eine spannungsvolle Raumkante mit abwechslungsreicher Architektur. Die einzelnen Wohnhöfe wirken wie kleine dorfähnliche Einheiten, mit einem zentralen Nachbarschaftsplatz mit Spiel- und Kommunikationsflächen.

Die Baufelder der Wohnhöfe ermöglichen auf verschiedenen Parzellengrößen eine flexible Bebauung für Geschoßwohnungsbau, Baugruppen und Stadthäuser mit unterschiedlichen Wohn- und Arbeitsmodellen.
Die Bautypen sind flexibel und austauschbar, wobei die Dichte an den nördlichen Rändern am höchsten ist.

Das Konzept bildet so die bautypologische Voraussetzung für ein dichtes innerstädtisches gemischtgenutztes Stadtquartier, für ein nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Freizeit.


Regenwasserrückhaltung

Für die Entwässerung des gesamten Gebietes wird ein dezentrales Regenwassermanagement in drei Stufen vorgeschlagen, mit dem Ziel, das anfallende Regenwasser möglichst lange im Gebiet zurückzuhalten bzw. einer Mehrfachnutzung zuzuführen.

In einer ersten Stufe wird das anfallende Regenwasser aus den privaten Flächen in dezentralen Retentionszisternen gesammelt, auf dem Grundstück zurückgehalten und in Form von Grauwassernutzung zur Gartenbewässerung oder für die Toilettenspülung genutzt. Dadurch kann auch der Verbrauch an kostbarem Trinkwasser reduziert werden. Lediglich ein Notüberlauf wird über offene Mulden in die zentrale Retentionsfläche abgeleitet. Durch Dachbegrünung kann das anfallende Regenwasser auf den privaten Flächen zusätzlich reduziert werden.

Das Regenwasser aus den öffentlichen Straßen- und Platzflächen wird in einem Netz aus offenen Mulden gesammelt und ebenfalls den Retentionsflächen in der entlang der Bahnanlage zugeführt. Diese sind vertieft und leicht kaskadenartig terrassiert angelegt, so dass das überschüssige Wasser jeweils an die tiefer liegende Mulde weitergeleitet wird.

Falls es notwendig ist, kann als dritter Baustein unter dem Quartiersplatz zusätzlich ein Staukanal oder eine Rigole als weiteres Retentionsvolumen angelegt werden, der das anfallende Wasser zurückhält und verzögert an den vorhandenen Kanal abgibt.

Durch die hohe Verweildauer des Wassers in den begrünten Mulden kann ein Teil des Wassers verdunsten oder in den Vegetationsflächen versickern. Die offenen Regenwassermulden tragen so gleichzeitig zur Verbesserung des Mikroklimas bei.

Die Investitionskosten können durch den Entfall aufwendiger unterirdischer Kanäle zugunsten eines offenen Systems minimiert werden, das Thema der Regenwasserbewirtschaftung wird als ökologische Qualität sichtbar und erlebbar gemacht und trägt zum positiven Image der Siedlung bei.


Energiekonzept

Alle Gebäude haben durch gute Südorientierung, hohe Kompaktheit und geringe Verschattung ausgezeichnete Voraussetzungen für einen niedrigen Heizenergiebedarf. Die städtebauliche Struktur aller Gebäudetypen ermöglicht eine verschattungsfreie Integration solarer Energiesysteme auf den Flachdachflächen. Mit einer Solarfläche von 1/3 der Dachfläche ist eine Dachbegrünung eine ökologisch optimale Kombination.

An zentraler Stelle wird die Energiezentrale vorgesehen, welche hier die Besonderheit des Quartiers sichtbar macht und die Energiegemeinschaft symbolisiert. Identitätsstiftend wird die Siedlung von hier aus mit Wärme versorgt. Die zeichenhafte Energiezentrale wird vorrangig aus regenerativen Energiequellen Wärme und Elektrizität erzeugen. Ein Nahwärmenetz transportiert die Wärme zu den Wärmeübergabestationen in allen Gebäuden.

Neben der Energiezentrale befinden sich Stellplätze für Elektromobilität mit den Ladestationen und car-sharing.


Entwicklungsstufen

Die Baufelder bilden ein robustes Konzept und definieren die einzelnen Bauabschnitte. Entsprechend der Entwicklung kann eine modulare Erschließung erfolgen, die sich abschnittsweise von Nord nach Süd entwickelt.

Im ersten Abschnitt entsteht der nördliche Bereich mit der Verlängerung der Wegeachse aus der Oststadt. Der Quartiersplatz mit den zentralen Einrichtungen bildet die kommunikative Mitte des Quartiers und fördert frühzeitig die Identität.
Im zweiten Abschnitt sollte der Grünraum der grünen Mitte realisiert werden, da er den Rahmen für die Entwicklung der angrenzenden Baufelder bilden wird. Die weiteren Entwicklungsabschnitte können schrittweise auf den einzelnen Baufeldern erfolgen und der Grüne Mitte Stück für Stück seine Raumkante geben, wobei zuerst der Teilbereich zur Senator-Braun-Allee entstehen sollte.
Die Dienstleistungsspange entsteht entsprechend der Bauabschnitte und bildet den baulichen Lärmschutz für das dahinter liegende Wohnquartier, was gleichfalls für die Lärmschutzbebauung entlang der Bahn gilt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee des Entwurfs, über ein von Norden nach Süden gespanntes Freiraumband als grüne Mitte des Quartiers ein „Landschaftsfenster“ zum Galgenberg zu schaffen, überzeugt. Dieser Freiraum ist das prägende identitätsstiftende Element in dem neuen Wohnquartier, das nicht von Verkehrsstraßen durchschnitten wird. Der Quartiersplatz liegt richtig am Nordende der grünen Mitte und an der neuen Wegebeziehung zum Ost-Viertel. Das historische Wasserwerk im Süden wird – perspektivisch – als wichtiger Ort am Ende der Freiraumachse angemessen inszeniert. Der 7-geschossige Kubus am Entréeplatz Senator- Braun-Allee dagegen wirkt zu hoch und zu massiv, auch wenn der Entwurfsgedanke, den Zugang zum Quartier hier baulich zu akzentuieren, nachvollziehbar ist.

Die Vielfältigkeit der Baufelder und der unterschiedlichen Wohnhöfe zeigen ein Bild davon, wie am Stadtrand urban gewohnt werden kann. Teilweise erscheinen die Höfe jedoch zu eng und die Grundstücke zu klein. Ob die zahlreichen Stadthaustypologien dem Standort und der Nachfrage in Hildesheim entsprechen wird hinterfragt. Die kleinen Nachbarschaftsplätze im Inneren der Höfe eignen sich gut für kommunikatives Wohnen – mit und ohne Kinder. Die gut durchgearbeiteten beispielhaften Grundrisse zeigen ein gestaltetes und nutzbares Wohnumfeld mit differenzierten Außenräumen und sinnvollen Verortungen der notwendigen Zufahrten zu den Tiefgaragen – trotz der Flächensparsamkeit.

Der „Gewerbeboulevard“ im Osten bildet eine zweite anspruchsvolle Adresse. Die historischen Gebäude werden baulich geschickt integriert. Das Erschließungssystem ist funktionstüchtig, allerdings sind notwendige Wendemöglichkeiten an den Stichen nicht dargestellt. Ob das beschriebene Entwässerungsprinzip über Retentionsflächen in den Grünbereichen und Mulden entlang der Bahn, und auch in der grünen Mitte, die eigentlich „bespielbar“ sein sollte, funktioniert, bleibt technisch zu überprüfen.

Die bauliche Dichte des Konzeptes liegt leicht über dem Durchschnitt.Trotz einzelner Kritikpunkte liefert der Beitrag einen ausgesprochenen qualitätsvollen Entwurf, mit einer robusten Grundstruktur und einem starken unverwechselbaren und Image prägenden Freiraumelement.