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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2014

Stadträumliches Entwicklungskonzept „Untere Stadt“

1. Preis

Preisgeld: 23.100 EUR

~ GRÜNE WELLE, lebendige Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

LIMA architekten | Lisa Bogner und Tobias Manzke

Architektur

Erläuterungstext

Konzept
Die Stadt Altensteig wurde gegründet in einer topographisch herausragenden Spornlage, auf der die heutige Altstadt über dem Nagoldtal thront. Die historische Entwicklung der Stadt und die verschiedenen Stadterweiterungen haben jeweils ganz unterschiedliche Stadtquartiere hervor gebracht. Spezifische Topografie, naturräumliche Faktoren, Stadtgeschichte, Baustruktur und Nutzungsmuster charakterisieren die unterschiedlichen Bereiche der Stadt und verleihen ihnen eine jeweils einzigartige Identität. Die denkmalgeschützte Altstadt bildet die historische, kulturelle Krone Altensteigs. In den Hangbereichen finden sich die privilegierten Wohnlagen mit Terrassen, Gärten und Talblick. Die „Untere Stadt“ hingegen ist geprägt von städtebaulicher Dichte und dem Fluss von Nagold, Verkehr, Besuchern und Waren. Von dort ausgehend weitet sich das Nagoldtal in beide Richtungen: nördlich in Form von offenen, parkartigen Wiesen; östlich nutzt das Gewerbegebiet den flachen Grund in der Talaue.
Das übergeordnete städtebauliche Konzept für Altensteig zielt darauf ab, die verschiedenen Teile der Stadt gemäß ihrer besonderen Identitäten zu entwickeln. Freiräumliche Qualitäten werden herausgearbeitet und spezifische städtebauliche Potenziale gezielt entwickelt. Eine so verstandene Stadtentwicklung beugt einer Konkurrenz verschiedener Stadtbereiche vor und erzeugt eine Stadtlandschaft mit differenzierten Nutzungsqualitäten sowie Stadträume mit großem Erlebnis- und Aufenthaltswert. Urbane Vielfalt und Diversität in allen Maßstabsebenen sind wesentliche Resilienzfaktoren für Altensteig und verleihen der Stadt Flexibilität für die Zukunft. Mit Hilfe städtebaulicher Regeln und landschaftsarchitektonischer Mittel werden räumliche Leitbilder für die zukünftige Entwicklung der Stadtquartiere aufgestellt. Es werden Aussagen getroffen zur städtebaulichen Figur, zu freiraumplanerischen Elementen und stadträumlichen Nutzungsschwer-punkten.

Landschaft
Die Achse Altstadt-Rathausplatz kann als zentrale Spiegelachse der Stadt gelesen werden. Entlang der Nagoldschleife hat sich die Untere Stadt entwickelt, mit einer lebhaften Abfolge von Platzräumen entlang der Post- und Rosenstraße. In beide Richtungen folgen der engen Unteren Stadt Aufweitungen im Talraum, wobei der freizeitorientierte Bürger- und Sportpark als Gegenstück zum arbeitssamen Industriegebiet gesehen werden kann. Für das Entwicklungskonzept der Unteren Stadt wird die Beziehung der Stadt zu ihrer Mitte gestärkt und ausgebaut. Die Ausrichtung auf die historische Altstadt soll helfen die Orientierung und den Erlebniswert der Stadt zu stärken und die Verbindungen zwischen den Stadtquartieren zu verbessern. So wird beispielswiese die zentrale Verbindungsachse Neues Rathaus - Schloss durch eine Vergrößerung des Rosenplatzes sowie einen direkten Treppenaufstieg gestärkt.
Aus beiden Richtungen kommend wird der Besucher Altensteigs empfangen von neugestalteten, attraktiven Ortseingängen, die für den motorisierten Verkehr mit Kreisverkehren organisiert sind. Die Kreisverkehre dienen als Verteiler in den Stadtraum, reduzieren die Geschwindigkeit und ermöglichen Wendemanöver. An den Stadteingängen wird die Nagold aus ihrem engen Korsett der Ufermauern befreit, aufgeweitet, renaturiert und erlebbar gemacht. Uferbegleitende Freiräume verknüpfen Altensteig mit ihrem Landschaftsraum. Rad- und Fußwege führen in den Bürgerpark bzw. in das östliche Nagoldtal.

Städtebau
Als langfristige Vision für Altensteig sollen die Ortseingänge Ost und West gestärkt und aufgewertet werden, indem die nagoldseitige Bebauung an den Randzonen zurückgebaut wird und der jeweilige Grünzug entlang der Nagold bis an den neuen Stadteingang Ost und Stadteingang West herangeführt wird. Die verbleibende giebelständige Bebauung kann größtenteils erhalten und durch eine Fassadensanierung aufgewertet werden. Lücken werden durch neue Wohngebäude geschlossen so, dass eine an der Straße einseitig geschlossene Bebauung entsteht. Mit dem Schwerpunkt auf bezahlbaren Wohnraum, dem direkten Bezug ins Grüne sowie dem Blick zur Altstadt, wird die Attraktivität der Standorte an der Durchgangsstraße deutlich gesteigert.
Der zentrale Bereich der Unteren Stadt ist charakterisiert durch den lebhaften Wechsel zwischen Weite und Enge von Straßenzügen und Platzsituationen. Die Geschäftsbereiche in Rosen- und Poststraße mit ihren dichten Häuserzeilen werden als urbane Qualität verstanden und sollen in ihrem mäandrierenden Verlauf gestärkt und geschlossen werden. Eine Überarbeitung der Bestandsfassaden und lichte Gehölze werten den Straßenraum spürbar auf. Das Aufspannen der Geschäftsbereiche zwischen den attraktiven Stadteingängen ermöglicht einen Rundweg und begünstigt eine gute Zirkulation der fußläufigen Besucher. Die Untere Stadt und angrenzende Hanglagen bergen innerörtliches Entwicklungspotenzial. Durch punktuelle und sensible Nachverdichtung werden Baulücken geschlossen und Brachflächen aktiviert. An Schlüsselpostionen des Stadtgefüges werden mit besonderen baukulturellen Impulsen das Stadtbild und das innerstädtische Leben vitalisiert.

Freiraum
Der stadtbaugeschichtliche Entwicklungsdruck auf die Untere Stadt hat die Nagold in das enge Korsett hoher Ufermauern gezwängt und damit aus dem Blickfeld der Stadtbevölkerung verdrängt. Heute erfährt das ökologische und sinnliche Potenzial des Fließgewässers eine höhere gesellschaftliche Bedeutung und soll für eine Steigerung der innerstädtischen Erlebnis- und Erholungsqualität genutzt werden. Die Ufermauer der Nagold schwingt sich im Uferpark als Sinnbild der Flussdynamik zur Nagold hinunter und wird dort zur Sitzmauer am Ufer. Das aufgeweitete Flussprofil wird als ein Stück urbaner Natur entwickelt, was eine ökologische Aufwertung und eine Verbesserung des Stadtklimas bewirkt. Gestaltet als Naturerfahrungsraum ist der Park spannend für Kindern und Jugendliche und attraktiv für ein kontemplatives Erleben der Aue. Das Ufercafé nutzt den attraktiven Standort zur Bewirtung im Freien. Als überflutbarer Freiraum schafft der Uferpark zusätzliches Retentionsvolumen. Der lokale Hochwasserschutz wird durch die südlich anschließende Geländemodellierung und die zurückversetzte Mauer auf der Böschungskrone gewährleistet.
Am nordwestlichen Stadteingang wird die Verbindung zum Stadtpark deutlich gestärkt. Durch eine Wegeverbindung entlang des Wassers ist er zu Fuß und mit dem Rad bequem erreichbar, flankiert durch blühende Gewässersaumvegetation. Am Gleitufer der Nagoldschleife entsteht ein Nagoldstrand mit flachen, gut zugänglichen Ufern. Die Parkierungsanlagen im Stadtpark werden neu organisiert so, dass Raum gewonnen wird für Biergarten, Spielplatz und Liegewiesen, nutzungsoffen für Freizeit- und Sport-Aktivitäten.
Im Kernstadtbereich wird der Flussraum durch punktuelle Eingriffe erlebbar gemacht. Querungen über die Nagold werden zu schwebenden „Aussichtsbalkonen“. Am Saumarkt ergibt sich die Chance einen intensiven Kontakt zwischen innerstädtischem Freiraum und dem Fluss herzustellen. In direkter Anbindung zum Rathausplatz sollen die Nagoldtreppen sonnenorientierte Sitzstufen bis an das Wasser herab bieten. Der Abbruch einiger Nebengebäude aktiviert vorhandenes Restgrün zum Stadtgarten und verknüpft auf die urban formulierte Platzfläche des Saumarktes.
Um die Beziehungen zwischen Oberer und Unterer Stadt zu stärken und zu vermehren, werden Stiegen vorgeschlagen als direkte Fußwegeverbindungen. Der mühsame Weg den Hang hinauf oder hinab, wird versüßt durch Aussichtsbalkone, Gärten und Terrassen links und rechts der Stiegen, in Referenz an die traditionellen Nutzungen und die historischen Terrassierungen im Hang.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Hereinziehen des naturnahen Landschaftsraumes bis an die beiden Stadteingänge ist besonders hervorzuheben. Es entsteht ein gelungener Übergang vom Naturraum in die mittelalterliche Stadt. Die Hinweise auf Veränderungen beim Stadtpark bzw. die Optionen auf Neues (Wohnen im Alter) an der Bahnhofstraße werden positiv gewürdigt.
Die beiden Stadteingänge werden durch verkehrsgerechte Kreisverkehre markiert, sie sind in der jeweiligen doppelten Ausführung übertrieben.
Die Poststraße in ihrem gesamten Verlauf wird als besonders gestalteter Straßenraum mit einer wohl durchdachten Materialität geprägt, wobei die vorgeschlagene Fahrbahn in Form von Ortbetonflächen überdacht werden soll. Die zurückhaltenden Baumstellungen im Straßenraum und die offene Weite des Marktplatzes einschließlich seiner zurückhaltenden Möblierung werden als angemessen angesehen. Dies gilt
auch für das Nebeneinander von Fahrbahn, Längsparkierung und den Gehwegen. Die vorgeschlagenen Geschwindigkeitsreduzierungen werden zu einem guten nebeneinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer beitragen. Hinzu kommt ein schlüssiges und komplettes Beleuchtungskonzept, das sowohl funktional als auch atmosphärisch überzeugt.
Die Gestaltung der Rosenstraße mit einer Betonung von Fahrbahn und Seitenbereichen sollte zu Gunsten eines offenen Straßenraumes überdacht werden. Dies gilt auch für die beiden als entbehrlich angesehenen Kreisverkehre beim Kaufhausplatz bzw. Sternenpatz. Die Neugestaltung des Schwanenplatzes ist in seiner Funktion gut gedacht, allerdings ist die bauliche Ausformung des Platzes mit seinem Übergang zur Oberen Stadt, sowohl in der Materialität als auch in der Stellung der Neubauten zu verbessern. Das drüberziehen des „roten“ Materials in den Marktplatz widerspricht sich mit dem eher in nordwestlicher Richtung ausgeprägten Stadtboden. Als eine Besonderheit werden die vorgeschlagenen –
Altensteiger Stiegen – angesehen, welche das Fußwegsystem der Tallage idealerweise mit der Oberen Stadt verknüpfen.
Eine hohe stadträumliche Qualität liegt in der Erweiterung des Saumarkts an die Nagold. Diese innerörtliche Grünfläche mit der vorgeschlagenen Stufenanlage zur Nagold ist ein schlüssiger Beitrag für die Erlebbarkeit des Wassers in der Stadtmitte. Sie lässt eine hohe Aufenthaltsqualität erwarten.
Die Ausformung des Postplatzes sollte im Hinblick auf die räumliche Gestaltung und die Fußgängerführungen überdacht werden.
Die im Konzept vorgeschlagenen Neubauten können als Ergänzungen oder Ersatzbauten zeitnah umgesetzt werden und können zur Stärkung der vorhandenen baulichen Strukturen beitragen.

Die Aufwertung des Stadtparks durch die vorgeschlagenen Verknüpfungen über die Nagold hinweg und die angedachte Anbindung des Schlossbergs sind ein weiteres besonders Merkmal der Arbeit. Die vorgeschlagene Gestaltung der Nagold im Bereich Stadteingang Ost wird wegen des Abbruchs des derzeitigen Parkdecks in Frage gestellt. Die Vegetationsinseln und Einbauten in der Nagold werden sehr kritisch bewertet, da sie die Gewässerhydraulik beeinträchtigen.

Die Arbeit zeichnet sich durch ein gutes Gespür sowohl in den Gestaltungsabsichten als auch im Umgang mit den Bestandsstrukturen aus und wird als tragfähiges Konzept für die zukünftige Entwicklung der Unteren Stadt angesehen.
© ~GrüneWelle Landschaftsarchitektur & LIMA* architekten

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