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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2014

Neubau Rathaus in Oy-Mittelberg

Perspektive St. Anna-Platz

Perspektive St. Anna-Platz

1. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

Muffler Architekten

Architektur

Jörg Stötzer Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitidee und Städtebauliche Konzeption

Die Entwurfsaufgabe stellt die grundlegende Frage nach dem Umgang mit der dörflichen Struktur. Uns interessiert und beschäftigt daran der Begriff der Kontinuität. Dies bedeutet für uns auf den grundlegenden Strukturen des bestehenden baulichen Gefüges aufbauen. Wir sehen hier den Bezug des Einzelnen zum Ganzen und somit den Verbund aller Kräfte die den Ort bestimmen. Das zu entwickelnde Konzept für das Neue Rathaus soll eine Synergie mit dem Bestehenden bilden und den städtebaulichen Raum zur bestehenden Platzstruktur abschliessen. Es soll etwas Bauliches entstehen, welches seine Kontinuität aus dem Formbild des Dorfes entwickelt und die funktionalen Notwendigkeiten umsetzt. Wir denken, dass sich das Gebaute der Diskussion entziehen muss, ob das Gebäude durch Modernität einen Kontrast bildet, oder so tut, als wäre es über ein Jahrhundert alt. Neu und doch so, dass die Frage, in welcher Zeit das Haus entstanden, uninteressant ist. Also ein Haus für den zweiten Blick, in bestechender handwerklicher Qualität, mit vertrauten Materialien, schönen Fügungen und gut funktionierenden Grundrissen. Ein einfaches räumliches Konzept zum einen mit Raum für die Bürger und zum anderen mit hellen und menschlichen Arbeitsräumen für die Verwaltung.

Ein klarer, linearer Grundkörper, giebelständig zum St. Anna Platz mit angemessenem Vorbereich fügt sich in die bestehende bauliche Struktur ein. Ein einfaches Satteldach bildet den horizontalen Abschluss. Das Konzept weist drei Geschosse auf, von denen aber nur zwei aussenräumlich in Erscheinung treten. Der Strassenraum der Haager Strasse weitet sich nach Westen hin auf und erschliesst den öffentlichen Parkplatz. Die Tiefgarage nutzt, mit ihrer Einfahrt von der Hauptstrasse, die Topographie und bleibt dadurch zurückhaltend.


Architektonische Konzeption und Funktionalität

Die Einfachheit der Form entwickelt sich aus der Verknüpfung des Vorgegebenen: die spezifische Interpretation des Programms mit seinen funktionalen Bezügen und dem aus dem Umfeld abgeleiteten Identitätsbild. Das gesamtheitlich, von der Dachfläche bis zum Gebäudefuss, einheitlich bekleidete Haus, bildet in seiner Grundstruktur einen homogenen, in sich ruhenden Baukörper. Der Haupteingang orientiert sich zum St. Anna Platz, ist zurückgesetzt, offen und einladend. Er bietet Wetterschutz und artikuliert eine selbstverständliche und offene Beziehung zum Aussenraum und somit zum Bürger. In den Flächen des Erdgeschosses sind alle bürgernahen Bereiche der Verwaltung angeordnet. Das Tourismusbüro erhält, neben seinem Zugang vom Foyer, einen direkten Eingang von Aussen, der die Erschliessung ausserhalb der Geschäftszeiten des Rathauses gewährleistet. Die eingestellte lineare Treppenverbindung in das Obergeschoss stellt einen hohen Bezug zu den weiteren Verwaltungsräumen her. Für den Bürger entsteht ein Gefüge mit hoher Übersichtlichkeit durch einfache räumliche Bezüge. Der Sitzungsbereich mit allen notwendigen Nebenräume ist im Dachgeschoss angeordnet. Dieses wird von der Haager Strasse über ein Treppenhaus mit Aufzugsanlage, auch ausserhalb der Geschäftszeiten erschlossen. Dem Sitzungsbereich ist der notwendige Sozialraum zugeordnet, welcher bei Bedarf als Besprechungsraum über seine normale Funktion hinaus genutzt werden kann. Im Untergeschoss sind Neben- und Technikräume, sowie die Tiefgarage angeordnet.


Konstruktion und Materialität

Die tragende Konstruktion des Gebäudes ist als Holzkonstruktion mit entsprechenden Stahlbetonelementen vorgesehen. Für die grösseren Spannweiten im Dachgeschoss werden Leimholzelemente vorgeschlagen. Das Fassadenbild des schlichten und kompakten Hauses wird durch eine hölzerne Struktur aus einer horizontalen Weisstannenverschalung bestimmt. Die Fensteröffnungen sind, entsprechend der gewachsenen Bebauung, auf ein notwendiges Mass begrenzt. Durch die Anordnung von horizontalen Lamellen über die Fensterbereiche hinweg sind die Öffnungen im Dachgeschoss nur schemenhaft erkennbar. Auch die transparenten Flächen der Arbeitsräume werden durch Lamellen in ihrem Erscheinen reduziert. Die Schraffur der Lamellen ist keine Dekoration sondern filtert das Licht für die Computerarbeitsplätze und funktioniert als Blend- und Sonnenschutz. Die Satteldachfläche ist mit einer Stehfalzdeckung aus Titanzink angedacht. Sämtliche Wand- und Deckenflächen der Innenräume werden mit Elementen aus Weisstannenholz, im Deckenbereich als Akustikelemente, verkleidet. Der helle Holzton lässt ruhige und zurückhaltende Innenräume entstehen. Die Bodenbeläge sind im öffentlichen Bereich des Erdgeschoss als Natursteinbeläge vorgesehen. Im Bereich der Büroräume ist ein Parkettbelag, ebenfalls aus Weisstanne, angedacht. Grundsätzlich sollen sämtliche Baukonstruktionen aus dauerhaften, biologisch unbedenklichen und ökologisch sinnvollen Materialien, wie Holz, konstruiert und gestaltet werden. Dies vor allem im Hinblick auf die nachhaltige Gebäudebewirtschaftung und deren Unterhaltung.


Aussenraumkonzept

Durch den klar gesetzten Baukörper definieren sich die Freiräume in ihrem Bezug zur urbanen Zone der Ortsmitte. Die vorhandenen Oberflächenstrukturen werden aufgenommen und weiterentwickelt. Dadurch entsteht eine klare räumliche Bezeiehung über die Bodenfläche hinweg zum St. Anna Platz. Die oberirdischen Parkplätze, von der Haager Strasse erschlossen, ordnen sich dem angrenzenden Grünraum unter. Grosse Einzelbaume verknüpfen die entstehenden Platz-artigen Flächen mit der umgebenden Landschaft. Es entsteht somit eine Verknüpfung der umgebenden Landschaftsräume mit der baulichen Struktur. Das Erscheinungsbild des Gebäuds und der Freiflächen ergeben ein selbstverständliches Entwurfsbild.


Energiekonzept / Wirtschaftlichkeit

Der Baukörper definiert sich als kompaktes Volumen und weist eine optimierte und baulich reduzierte Hüllfläche auf. Dadurch werden geringe Wärmeverluste und Investitionen bezüglich der Gebäudehülle erreicht. Die thermische Behaglichkeit wird unter den geforderten Nutzungsbedingungen im Sommer und Winter sichergestellt. Hierzu wird eine bewusste Auswahl und Baukonstruktion vorgeschlagen. Der bauliche Wärmeschutz der beheizten Zonen orientiert sich am Standard der Niederenergiebauweise mit folgenden Bauteilqualitäten:

- hohe Wärmedämmung der opaken Flächen < 0,18-0,20 W/qmK
- hohe Wärmedämmung transparenter Bauteile 0,60-0,70 W/qmK
- hohe Wärmedämmung der Dachfläche U-Wert 0,15 W/qmK
- luftdichte Ausführung der Gebäudehülle von ML50 < 0,4 1/h

Die zu öffnenden Bauteile der Fassadenkonstruktion werden auf ein notwendiges Mass begrenzt. Je nach Himmelsrichtung werden bewegliche Sonnenschutzelemente (Jalousetten) angeordnet.

Gebäudetechnik Beheizung - Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme. Die Wärmeverteilung erfolgt über baukörperaktivierte Bauteile (Fussbodenheizung) oder entsprechende statische Heizflächen.

Gebäudetechnik Lüftung - Da ein Niederenergiegebäude angedacht ist wird aus raunhygienischen Gründen eine Lüftungsanlage vorgeschlagen. Die Aussenluft wird im Erdreich unter dem Gebäude über verlegte Betonrohre oder entsprechenden Kunststoffrohre im Sommer vorgekühlt und im Winter vorerwärmt. Die raumlufttechnische Anlage ist mit einer hocheffizienten Wärmerückgewinnung vorgeschlagen.

Für die Warmwassererzeugung werden Solarkollektoren vorgeschlagen, die den notwendigen Warmwasserbedarf abdecken. Eine in die Dachfläche integrierte Photovoltaikanlage soll die erforderliche Energie für die gebäudetechnischen Anlagen erwirtschaften. Das anfallende Regenwasser wird in einer Zisterne gesammelt und dem Gebäude als Grauwasser zur Verfügung gestellt. Das Grauwasser ist für die WC-Spülung und die Bewässerung der Aussenanlage vorgesehenen.


Wesen des Entwurfsziels

Das bauliche Konzept des Entwurfsvorschlags soll aufzeigen, dass funktionale Anforderungen einer Bauaufgabe und das Eingehen auf urban gewachsene bauliche Strukturen ein Ergebnis bewirken können, welches erst im zweiten Blick, nämlich bei genauerem Hinsehen die Ergänzung ablesbar macht, vor allem unter Anbetracht, dass die angedachte Holzverkleidung aus Weisstanne nicht vergilbt, sondern in matten, grau-violetten Farbtönen schillert und eine schieferarige Patina entwickelt. Hierdurch entsteht Kontinuität in der Veränderung des Dorfes, welche auf städtebaulich gestalterische Elemente aufbaut, die bekannt und allgegenwärtig sind.

Beurteilung durch das Preisgericht

Besonderheit des Entwurfs ist die Ausbildung eines dominanten giebelständigen Baukörpers, der eine dem ehemaligen Gasthof Löwen ähnliche Raumwirkung zum St.-Anna-Platz erzielt. Die Gestaltungsprinzipien des St. Anna Platzes werden schlüssig weitergeführt. Östlich und südlich ist der Baukörper etwas zurückgesetzt, so dass sich angemessene Gebäudevorbereiche ergeben. Der Haupteingang erfolgt von Osten in den Rathausbereich oder in die Touristeninformation.

Der Entwurf verfügt über eine funktionale Grundrissstruktur, die sich in der Fassadenausbildung schlicht, großzügig, klar und gradlinig fortsetzt. Die geforderte separate Erschließung von Touristeninformation, Saalbereich und Rathaus ist gut gelöst. Die Situierung von Haupteingang, bürgerrelevanten Einrichtungen und Sitzungssaal überzeugen. Durch die Klarheit der Raumanordnung und die zentrale Erschließung entsteht eine überzeugende Großzügigkeit. Die Treppenerschließung bedarf jedoch einer brandschutztechnischen Überarbeitung.

Der große, unaufgeregte Baukörper hat eine ansprechende Holzlattenfassade, in der die Fensteröffnungen richtig gesetzt und proportioniert sind. Dadurch erscheint das Gebäude dem Anspruch eines modernen ländlichen Rathauses angemessen und würdig gestaltet.
Der verkehrsberuhigte Bereich endet ausreichend bemessen an der Westseite des Rathauses und bezieht an der Hauptstraße großzügig den Straßenraum und die privaten gegenüberliegenden Grundstücke ein. Richtungswechsel in den Belägen und Entwässerungsrinnen geben Orientierung, wildes Parken und Überfahren dürften allerdings so nicht verhindert werden können.

Der natürliche Verlauf der Böschung an der Hauptstraße und dem Geländeverlauf sanft angepaßte Stufen führen an der Nord- wie auch an der Ostseite auf die Hauptstraße hinunter und schaffen so einen sehr selbstverständlichen Übergang auf die andere Straßenseite zum Café.

Die Einmündung der Zufahrt in die Tiefgarage tangiert unnötigerweise einen Bestandsbaum. Die Arbeit besticht durch ihre großzügige und zugleich angemessene Gestaltung des öffentlichen Raumes. Aufgrund der einfachen Großform, der geschossmäßigen Durchgängigkeit bis in die Tiefgarage und der wenigen und einfachen Bauelemente erscheint eine wirtschaftliche Umsetzung trotz überdurchschnittlichem Bauvolumen möglich.
Fassadenansicht Ost

Fassadenansicht Ost

Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Dachgeschoss

Grundriss Dachgeschoss

Schnitt Längs

Schnitt Längs

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Fassadenansicht Nord

Fassadenansicht Nord

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto