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Offener Wettbewerb | 11/2014

Peter-Joseph-Lenné-Preis 2014

Zellstrukturen

Gewinner / Aufgabe A / Karl-Foerster-Anerkennung

Miriam Dittrich

Student*in Landschaftsarchitektur

Kevin Lawitzky

Student*in Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Konzept
Basis des Konzeptes ist die Verknüpfung der urbanen Stadt mit der Wildnis der Natur. Bricht man die Natur auf ihre kleinste Einheit herunter, bleibt schlussendlich die Zelle. Die Zelle beinhaltet alles, was sie für Ihre Aufgabe benötigt, jedoch bildet sich erst aus einem Verband vieler Zellen ein Organismus.
Die Leitidee des Konzeptes ergibt sich aus diesem Zusammenhang: Viele, für sich autarke Arbeitseinheiten bilden im Verband eine leistungsstarke Einheit: den IGA-Campus. Aufgabe der Zellen ist die Vermittlung nachhaltiger Lösungen im Umgang mit dem Anbau von Nahrung und den ökologischen Folgen im städtischen Kontext.
Auf dem IGA-Campus befinden sich temporäre Bauwerke bestehend aus einem gefärbten Holzgerüst und transparenten Zeltstoff. Nach belieben lassen sich die Räume so schattieren.
Neben den strukturellen Besonderheiten wurde auch Wert auf Pflanzungen gelegt, welche das Leitsystem in ihrer Funktion unterstützten. Wildblumenwiesen bilden trennen die einzelnen Funktionsbereiche und verbinden sie gleichzeitig. Wichtige Vertreter der Wildblumenwiese sind Cardamine pratensis, Trifolium pratense oder Ajuga reptans. Die extensiven Wiesen mittels Kleintierhaltung, wie Schafen, gepflegt und erlauben den Besuchern den Kontakt mit den Tieren.

Erschließung
Die Erschließung des Campus erfolgt über zwei Hauptzugängen im Norden und Süden des Gebietes. Da der Campus räumlich vom Rest des IGA-Geländes durch den Grenzkanal getrennt ist, erfolgt eine Querung über eine neue Brücke im Zentrum des Campus sowie über zwei Furten im ersten und letzten Drittel des Campus.
Neben diesen Zuwegungen sind zwei weitere Zugänge geplant, die nach der IGA den Campus direkt mit der angrenzenden Kleingartenanlage verbinden.
Die Wegeführung besteht aus einer hellen Wassergebundenen Wegedecke. Zum einen wirkt dies der Versiegelung des Gebietes entgegen, zum anderen kann nach der IGA die Pflege für die Nebenwege eingestellt werden.
Durch das Ansiedeln von Wildpflanzen in den Nebenwegen können mehrere kleine Zellen miteinander verschmelzen, sodass wenige, größere Flächen entstehen, die in der Nachnutzung leichter zu unterhalten sind.

Funktionsbereiche
Die Übertragung der Gestaltungsidee auf das Gebiet, ergab die Bildung von einzelnen unterschiedlichen „Zellinseln“ die über Wegeverbindungen miteinander verbunden sind. Der resultierenden Zellstruktur wurden Funktionsbereiche zugeteilt, die rhythmisch aufeinander aufbauen.

IGA-Camp
Das IGA-Camp ist die zentrale Anlaufstelle und daher der Organisationsknotenpunkt. Hier wird Material gelagert und Wissen und Informationen ausgetauscht. Die Basis, das IGA Camp, verfügt über ein temporäres Gebäude.

Grüne Klassenzimmer
Die grünen Klassenzimmer werden in Cluster über das Gebiet verteilt und erhalten dabei temporäre Gebäude und notwendige Sanitärbereiche sowie ausreichend Platz für Außenaktivitäten. Die angrenzenden Wildblumenwiesen verbinden die Lehrbereiche mit der umliegenden Natur.
Die Wegeführung lenkt den Besucherstrom abseits der grünen Klassenzimmer und ermöglicht ein ruhiges Lernen und Arbeiten. Die Schul- und Themengärten befinden sich in unmittelbarer Nähe zu den Klassenzimmern, um den Unterricht vom Klassenzimmer auf die Außenbereiche auszuweiten.

Tierhaltung
Zwei großflächig angelegte Zellen im Bereich des Nordeinganges des IGA-Camps nutzten die vorhandene Topografie für die Unterbringung eines Stadtbauernhofes. Den Besuchern wird dadurch der Kontakt zu verschiedenen Tieren ermöglicht. Gleichzeitig wird ein Kontrast zu konventionellen Hierhaltung aufgezeigt, da vor allem alte Robustrassen gefördert werden.

Bühne/Markt
Die zentrale Platzsituation des Campus erhält eine doppelte Funktion, sowohl als Veranstaltungsort für Konzerte und Kochshows, sowie als Austragungsort des Marktes, wo lokaler Produkte angeboten werden. Zusätzlich fährt ein mobiler Marktstand über die IGA.

Mensa
Im Nordwesten des IGA-Campus befindet sich die Mensa. Durch die Lage im Randbereich ist eine schnelle Belieferung über einen Hintereingang möglich.

Werkstatt
Die Werkstatt dient ganz Funktional der Lagerung von Geräten und Hilfsmitteln, bietet aber auch Platz zum Bauen. Außerdem werden hier Jungpflanzen und Samen an die Campteilnehmer ausgegeben.

Gärten
Der unterschiedlichen Gärten, die sich als Schulgärten, Themengärten, Partnerschaftsgärten oder Aktionsgärten präsentieren, weisen Infotafeln und eine Artenlisten auf und informieren über die Anbaumethoden.
Im Vergleich zu den anderen Gärten, erhalten in den Aktionsgärten alle Besucher die Mögliche aktiv zu gärtnern. Eine Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden und lokal ansässigen Vereinen, wie den Betreibern der Kleingartenanlage, und interessierten Anwohnern bietet sich an.

Nachnutzung
Da die Zuwegung aus Wassergebundener Wegedecke besteht, können nicht benötigte Nebenwege wie zuvor angesprochen einfach sich selbst überlassen werden. Außerdem werden zwei Zugänge für die Kleingartenanlage geöffnet, um von dort aus den Campus schneller erreichen zu können.
Die Gärten könne zu Partnerschaftsgärten umfunktioniert werden, um auch über die IGA hinaus Schulen, Kindergärten und Jugendgruppen den Zugang zu einem eigenen Garten zu ermöglichen. Der IGA Campus stellt auch nach Abzug der IGA ein Treffpunkt für Hobby-Bauern und lokale Vereine dar, die in regelmäßigen Abständen Workshops veranstalten.
Gärten die nicht mehr benötigt werden, werden zu Wildblumenwiesen umfunktioniert. Die Pflege erfolgt dann über die Kleintierhaltung der ansässigen Kleingartenanlage. Die Pflege der Wiesen erfolgt über extensive Kleintierhaltung, wie Schafe und Ziegen. Eine Kooperation mit der Abteilung für Kleintierhaltung der Kleingartenanlage ist anzustreben.
Die grünen Klassenzimmer eigenen sich vor allem im Sommer als Ort zur Erholung. Die Klassenzimmer können als Grillhütten genutzt oder für Feste gemietet werden. Nicht benötigte Klassenzimmer werden demontiert, die Fläche für Wildblumenwiesen freigegeben.
Das Labor als feste Einrichtung soll erhalten bleiben. Es kann als Veranstaltungsort für Seminare oder Workshops genutzt werden. Auch Ausstellungen wären denkbar. Auch die Bühne ist in das Nachnutzungskonzept integriert. Sie kann für Konzerte genutzt werden
oder für Freiluft-Veranstaltungen und Festivals.
Außerdem werden zwei der Toiletten erhalten, der Rest wird demontiert. So bleibt eine weitere Bespielung des Campus gewährleistet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Abgeleitet von der Organisation eines lebenden Organismus entwickeln die Verfasser einen vielfältigen und lebendigen Aktionsraum. Die Kreisläufe der Natur und der Dialog der
Kulturen werden thematisch aufgegriffen und in gärtnerische Bewirtschaftungsformen übertragen.

Formal äußert sich dieser Ansatz in einer Addition zellförmiger Strukturen, die die Länge des Raumes sehr abwechslungsreich gliedern. Die Zellen zeigen sich in vielfältigster Ausprägung, als Beete, Plätze oder auch Pavillons.

Mit der hohen Variabilität in Größe, Form und Position kann auf die Anforderungen einer
Ausstellung sehr flexibel reagiert werden. Ähnlich einer pflanzlichen Struktur ist diese räumliche Form in der Lage, eine hohe Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen zu entwickeln.

Die Erschließung der Anlage ist sehr sinnvoll gelöst. Erreichbar über einige schmale Stege, bietet sich im Inneren ein langgestreckter Raum, der hauptsächlich Transportfunktionen übernimmt. Durch geschickt angeordnete Aufweitungen entstehen kleine Platzflächen, die insbesondere auch sehr gut als Grüne Klassenzimmer genutzt werden können.
Beeindruckend ist das vielfältige Angebot gärtnerischer Aktivitäten, die sich sowohl innerhalb der Zellen wie auch in einer Interaktion realisieren lassen. Dies wird unterstützt durch formal unterschiedliche Gartenformen wie z.B. den Bauerngarten, die in ihrer demonstrativen Wirkung gut in ein pädagogisches Ausstellungskonzept integrierbar sind.
Vor allem auch die auffällige und frische Gestaltung der Pavillons löst sich von klassischen Gartenbildern und verspricht eine hohe Anziehungskraft besonders bei jüngeren Besuchern.

In einem außergewöhnlich inspirierenden und bis ins Detail durchdachten Pflanzkonzept werden die konzeptionellen Ideen weiter ausformuliert. Die Arbeit „Natur erleben – erforschen – gärtnern“ verbindet eine experimentelle und mutige Gestaltung mit einem sehr hohen Fachwissen in den pflanzplanerischen Details. Eingebettet in die Phantasielandschaft werden verschiedene charakteristische Gartenthemen, wie der mediterrane Garten mit überzeugenden Kräuterkombinationen und seltenen, südeuropäischen Obstarten in Pflanzkübeln. Der Gemüsegarten nach einem Mischpflanzungsprinzip ist pädagogisch wertvoll aufgebaut mit Kombinationen von Wurzel- und Blattgemüse (Salat-Rote BeeteBeet, Karotten-Mangold-Beet, Zwiebel-Sellerie-Beet), einer Sortierung der Gemüsearten nach Mittelzehrern und Starkzehrern, einem Gemüsegarten nach Pflanzenfamilien (Kohlgewächse-Beet), guten Sortendetails im Kräuterbeet und einem einer Gartenschau sehr angemessenen Aktionsbeet für eine gemeinsame Kartoffelernte, mit Johannisbeeren und Erdbeeren. Auch das Staudenrondell zeugt von einer großen Fachkenntnis bei der Pflanzplanung durch eine Kombination von sich schnell entwickelnden, relativ kurzlebigen Arten (Achillea millefolium, Delphinium grandiflora, Echinacea purpurea) mit sich langsam entwickelnden, langlebigen Pflanzen.

Insgesamt präsentiert diese Arbeit einen sehr überzeugenden Ansatz, der auch in der Durcharbeitung ungewöhnliche Qualitäten besitzt und mit sehr sicheren Gestaltungsmitteln die konzeptionelle Idee öffentlichkeitswirksam vermittelt.