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Offener Wettbewerb | 11/2014

Peter-Joseph-Lenné-Preis 2014

LONDON MARSH

Gewinner / Aufgabe C

Christian Röper

Student*in Landschaftsarchitektur

Martin auf der Lake

Student*in Landschaftsarchitektur

Ole Christ

Student*in Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Marshlands of London bilden das Motiv des Freiraumkonzeptes. Londons Straßen werden aufgebrochen, um die ursprüngliche Landschaft zurück an die Erdoberfläche zu holen. Archaische Elemente in einem urbanen Umfeld. Vereint mit dem typisch britischen Landschaftselement der Copse, ein von einer Mauer umgebenes Waldstück, wie man es häufig in der englischen Kulturlandschaft sieht. So entstehen großzügige Wasserflächen, die an der St. Pauls Cathedral und dem Museum of London ihren Ursprung haben. Auf dem neu geschaffenen Boulevard zwischen den beiden Standorten setzen sie sich in Form von langen Wasserbecken fort und dienen so als Verbindungsglied. Stege unterbrechen die Wasserflächen und machen sie für Menschen begehbar. Die Mauern der Copse laden den Erschöpften zum ruhen ein.

Um als Leitsystem erkannt zu werden, wird das Motiv der verbindenden Wasserflächen in Gestalt von einer dunkeln Pflasterfläche bis zur Themse weitergeführt. Besucher werden so von der Tate Modern, über die St. Pauls Cathedral hin zum Museum of London gelenkt, um schließlich im Barbican Centre das Wasser wie an der Themse wieder zu finden. Das Wasser ist Klammer und Achse, die die zergliederte städtebauliche Situation zusammenhält.

Die Verkehrsführung der St. Martin’s Le-Grand wird zugunsten von Radfahrern und Fußgängern beruhigt. Hier wird zukünftig nur noch Anlieferungsverkehr zugelassen. Dies ermöglicht den Bau eines großzügigen Boulevards mit breitem Fahrradweg. Im Bereich der Cheapside wird ebenfalls eine Straßenumstrukturierung vorgenommen. Fußgänger werden nun nicht mehr mit einer unüberschaubaren Situation konfrontiert, sondern befinden sich auf einem klar strukturierten Platz. Ein einheitlicher Bodenbelag unterstreicht die Platzsituation. Passanten haben die Wahl auf direktem Wege zum Museum zu gelangen, oder auf den Stegen über den Wasserflächen ein Einblick in die Marshlands of London zu bekommen.
Es entsteht ein urbanisierter Dialog aus Kultur und Natur.

Konzept der transformierten Marsh
Marsh: Lebensraum, Orientierungssystem,Klimamaschine

Um Insekten Lebensräume und Nahrung zu bieten, werden nur heimische Pflanzenarten verwendet. Pflanzen die von Libellen für die Fortpflanzung und Metamorphose benötigt werden, finden dem Konzept dabei bevorzugt Verwendung.

Hauptkomponente des Pflanzkonzeptes und Bestandteil des Orientierungssystems ist Schilf. Durch ein sorgfältiges Arrangement der Schilfpflanzen werden Sichtbeziehungen geschaffen, bzw. verhindert. Für Fußgänger wird die Sichtachse zwischen der St. Paul‘s Cathedral und dem Museum of London verstärkt. Autofahrer auf unserer neu gestalteten Straßensituation zwischen Cheapside und New Change hingegen, haben keinen Einblick auf die für Passanten prädestinierten Bereiche und werden seitens der Copse durch hohe Schilfvegetation begleitet. Somit wird trotz des einheitlichen Wegebelages ein klar erkennbares Straßenbild gestaltet. Die Schilfpflanzungen dienen außerdem der Schaffung von Ruheorten innerhalb der Wasser- und Marschflächen. Sie fungieren den Touristen und den Berufstätigen der City of London als ein Ort des Rückzugs aus dem hektischen Straßentreiben der Metropole.

Die Bepflanzung im Maßstab des Menschen setzt sich aus schilfähnlichen Pflanzen wie Rohrkolben und Binsen sowie kleineren Pflanzen wie dem Wasser-Knöterich oder dem Wollgras zusammen. Größere Wasserflächen werden von Seerosen und Froschbiss bedeckt.

Um den Pflanzen ihren nötigen Lebensraum zu bieten, wird die Tiefe der Becken in den Bereichen der Pflanzung auf das für die Art ideale Level angepasst. Seerosen können so z.B. um einiges tiefer stehen als eigentlich ufernahe Pflanzen.

Für Urbanität der Bepflanzung sorgt der auffälligste Bestandteil des Orientierungssystems die Sumpfzypresse, die neben der klaren Verbindung zwischen dem Museum und der Cathedral für eine Vermittlung zwischen dem Maßstab der gebauten Stadt und ihren Bewohnern sorgt. Die Sumpfzypressen sind unsere einzige Ausnahme in der Wahl heimischer Pflanzen und unterstreichen den interkulturellen Standpunkt Londons. Ihre breite Standortamplitude, lange Lebensdauer und außerordentliche Widerstandsfähigkeit macht sie zum idealen Stadtbaum. Mit der Zeit bildet sie die markanten Atemknie aus. Der flirrende Schatten der Sumpfzypresse sorgt für ein atmosphärisches Spiel auf dem Pflaster und schafft so Räume im Raum.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt „London Marsh“ vertraut auf die vorhandenen Qualitäten der Marshlands als historisches Landschaftselement und greift diese als zentrales Motiv auf.
Londons Straßen werden aufgebrochen und durch Marschflächen ersetzt und ergänzt, um
so die „ursprüngliche Landschaft an die Erdoberfläche“ zurückzuholen. Ausgehend von den vorhandenen Wasserflächen der Themse und des Barbican Centre werden Marschflächen als verbindendes Element in den landschaftlichen Kontext gesetzt und zusätzlich mit Stegen für den Menschen begeh- und erlebbar gemacht. Der Verkehr wird neu strukturiert, Straßen werden zu Fußgänger- und Radfahrwegen mit einheitlichem Bodenbelag.

Das Konzept provoziert. In den modernen Stadtstrukturen Londons tauchen plötzlich Relikte der mittelalterlichen Vegetation auf, die an das einstige Marschland erinnern. Die vermeintliche Überlegenheit des von Menschen konstruierten Raums über die Natur wird in Frage gestellt, in dem ungewöhnlich markante Naturinseln und gewagte Wasserelemente, teils sogar mit prähistorischem Bezug, in die urbanen Strukturen eingebettet werden. Der Entwurf konfrontiert uns damit, wie trügerisch unsere Annahme ist, die Natur könne gesteuert werden. Angesichts des drohenden Anstiegs der Themse eine sinnvolle und zeitgemäße Warnung. Auch die monochrome Sprache des Entwurfs distanziert sich bewusst von der leicht zugänglichen Skizzierung üblicher städtischer Grünräume.

„London Marsh“ schafft eine enge Verzahnung von straßenbegleitenden RegenwasserRetentionsflächen und dem nahen Themse-Ufer. Mit der Interpretation der ursprünglich ortsprägenden Marschwiesen wurde ein tragfähiges und interessantes Pflanzkonzept gefunden. Schilf, Rohrkolben und Binsen, Wasserknöterich und Wollgras durchziehen die feucht auszubildenden Pflanzstreifen bis tief in das neu entwickelte Stadtgefüge. Neben dem heimischen Staudenrepertoire wird mit der Sumpfzypresse eine amerikanische Art eingefügt, um den interkulturellen Charakter Londons hervorzuheben. Mit seiner hellen und leichten Textur und leuchtend orangeroten Herbstfärbung bietet er deutliche Kontraste im Stadtgrün. In der Pflanzenverwendung ist damit ein charakteristischer, für urbane Räume ungewöhnlicher und spannender Pflanzausdruck gefunden worden.

Der Entwurf hebt sich durch die mutige Darstellung des Konzeptes ab, obgleich die graphische Umsetzung auf den ersten Blick ungewohnt erscheint und zu einer zweiten, differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Plan auffordert. Die Betrachter werden nicht mit einer Vielzahl von Informationen überhäuft, sondern eindruckshinterlassend fokussiert der Entwurf das zentrale Motiv. Die Marschlandschaft und das Thema Wasser dominieren den Entwurf, darunter ordnet sich alles andere. Es ist die starke, konsequente Idee des Entwurfs, die das Interesse der Jury besonders weckte und überzeugte.
Gleichzeitig sieht die Jury in dieser Idee vielmehr einen warnenden Gedankenanstoß kommender Generationen als eine gegenwärtige Realisierung.
Die Jury honoriert den Entwurf mit dem Peter-Joseph-Lenné-Preis 2014 aufgrund seines hervorstechenden Charakters.