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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2014

Bauliche Ergänzung Heilig-Geist-Kirche Pinneberg und Eingliederung einer christlichen Symbolik

1. Preis

Preisgeld: 3.500 EUR

Konermann Siegmund Architekten

Architektur

TGP Landschaftsarchitekten Trüper Gondesen und Partner mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Hommage an Otto Andersen - Erläuterungsbericht

Prämissen
Otto Andersen, der Architekt der Heilig-Geist-Kirche gilt zu Recht als einer der wich-tigsten Kirchenbauarchitekten der frühen Nachkriegszeit in Norddeutschland. Wi-kipedia schreibt über ihn:“ (Die Kirchenbauten von Otto Andersen) … zählen zu den bedeutendsten Werken der Region im Kirchenbau der Nachkriegszeit“.
Die Heilig-Geist-Kirche ist gegenüber dem Ursprungsentwurf soweit unverändert, dass sich jeder Eingriff wird daran messen müssen, ob er das in sich stimmige Werk bereichert, sich ihm gegenüber neutral verhält oder es leichtfertig und dem Zeitgeist geschuldet verschlechtert. Diese Erkenntnis soll unsere Haltung hinsichtlich der notwendigen Interventionen prägen. So wollen wir alle Eingriffe in das Kirchenensemble nur mit größtem Respekt und nur, wenn es gelingt, den Geist und die architektonische Handschrift Otto Andersens zu treffen, ausführen. Denn – wenn wir auch nicht wissen, wie zukünftige Generationen unsere Arbeit beurteilen werden - niemals darf es sein, dass eine heutige Zutat oder Veränderung zukünftig als Verschlechterung, Verunklarung oder gar Respektlosigkeit empfunden wird.

Die Westwand
Die Außenwände der Gebäude bestehen einheitlich aus gestrichenen Beton- und Sichtmauerwerksflächen. Würde man nun wie in der Auslobung vorgesehen eine wie auch immer geartete Vorsatzschale in 30 cm Abstand vor die Westwand stellen, so hätte dieses folgende Ergebnisse: Der zum Platz hin orientierte Giebel der Kirche verlöre seine Symmetrie, die neue Schale würde in die Türöffnung zur Sakristei hin-einragen (Tür und Öffnung müssten angepasst bzw. erneuert werden) und ein Fensterfeld an dessen Rückseite verdecken. Zugleich träte zur vorhandenen Materialität auf lediglich einer Seite ein neues Material hinzu, so dass nicht nur die Einheitlichkeit des Baukörpers verloren wäre, sondern die Westseite eine nicht nachvollziehbare Sonderstellung erhielte.
Wir haben uns daher entschlossen, die durchfeuchtete Vormauerschale abzureißen und durch eine neue, nun in 4 cm Abstand vor der Mittelschale aufgestellte Ziegelschale zu ersetzen. Es verbliebe so eine normgerechte Luftschicht, die über offene Stoßfugen (jeweils zwei Reihen im Sockel- und im Dachbereich) hinterlüftet wird und somit ein weiteres Durchfeuchten der mittleren Schale sicher verhindert. Wegen der Geringfügigkeit des Versatzes gegenüber der Ursprungslage sind keine Umbauten im Anschluss an die Sakristei erforderlich und die dennoch entstehende Asymmetrie am Giebel ist nicht mehr wahrnehmbar.
Der neue Ziegel sollte aus dem Material der kurz vor dem Abbruch stehenden Paul-Gerhardt-Kirche in Hamburg-Wilhelmsburg, 1955/56 von Andersen gebaut, gewon-nen werden. Der Stein entspricht dem in der Heilig-Geist-Kirche vorhandenen, seine Wiederverwendung hätte nicht nur ökologische und gestalterische Vorteile, sondern wäre darüber hinaus mit einem besonderen ideellen Wert aufgeladen.

Der Kirchturm
Als im Jahre 1814 Originalpläne für den bis dahin nicht fertig gestellten Turm des Kölner Doms gefunden wurden, hat man selbstverständlich entschieden, die Kirche nach eben diesen Plänen zu vollenden. Niemand kam auf die Idee, den Turm in zeitgenössischem Stil zu errichten und niemand hat dieses bis heute bedauert, denn es ging darum, ein bedeutendes Bauwerk in sich stimmig zu vollenden.
Die Situation der Heilig-Geist-Kirche empfinden wir als ähnlich: Ein regional für seine Zeit bedeutendes Gebäudeensemble ist bis heute unvollendet, Pläne dafür liegen aber vor.
Der von Andersen geplante Entwurf sah einen 28 Meter hohen Turm mit flach ge-neigtem Satteldach und einer ca. 13 m hohen aufgesetzten Turmspitze vor. Seine Grundform bildete wie beim Kircheraum ein in beiden Achsen symmetrisches Sechseck, seine Hülle war im Verhältnis 1:2 in einen Ziegelschaft und einen weißen Helm gegliedert. Für die Glockenstubenwände waren glatte, weiße Wände mit geometrischen Schallöffnungen vorgesehen. Auf dem Grundstück war der Turm so platziert, dass sein Abstand zum Kirchenschiff exakt der Länge des Kirchschiffes entsprach und der Vorplatz der Kirche aus Richtung Berliner Straße gesehen seitlich deutlich gefasst war.
Es zeigt sich also, dass Kirche, Gemeindehaus und Turm ein bedacht und gekonnt durchkomponiertes und aufeinander abgestimmtes Ensemble sein sollten.
Was, so fragen wir uns, hindert uns daran, bei der Vollendung der Heilig-Geist-Kirche ebenso zu verfahren, wie man es beim Kölner Dom tat? Wo wäre der Gewinn, wenn wir das Ensemble durch einen Turm nach heutiger Architektursprache ergänzten? Würden wir nicht Gefahr laufen, einen in sich stimmigen Entwurf zu entwerten?
So haben wir uns entschieden, keinen eigenen Entwurf einzureichen, sondern die Planung Andersens zur Bebauung vorzuschlagen. Für die Detailausführung, die Plastizität und Ornamentik der Außenwände sowie die Ausführung der (in der Per-spektive im offenen Zustand dargestellten) Schallläden zur akustischen Feinabstimmung können verschiedene ausgeführte Kirchtürme Otto Andersens als Vorbild dienen, da fast allen seinen Kirchenbauten ein gemeinsamer Formenkanon zu Grunde liegt. Somit ist trotz der nur skizzenhaften Entwurfszeichnungen eine Herstellung des Turmes im Geiste von Otto Andersen möglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Verfasser der Arbeit 987400 bekennt sich zum Schöpfer des Heilig-Geist-Gemeindezentrums und gliedert den Gemeindevorplatz und Standort des Glockenturms im Sinne des ursprünglichen Entwurfskonzepts.

Die vorgeschlagene Platzierung und Gestaltung des ursprünglich nicht zur Ausführung gelangten Glockenturmes sieht das Preisgericht als konsequente Haltung zur Vervollständigung des Gesamtkonzeptes Otto Andersens.

Gleiches gilt auch für die vorgeschlagene Reparatur der Westwand. Hier wäre jedoch die Verwendung eines am Bestand orientierten Ziegels wünschenswert.

Die wirtschaftliche Realisierung ist durch den konsequenten und sparsamen Umgang mit Material und Formensprache gegeben.

Bei ausreichender Abdämmung des Glockenturmes sind gute Klangergebnisse möglich. Die Arbeit leistet einen überzeugenden aber auch durchaus kontrovers zu diskutierenden Beitrag zum Umgang zwischen „historischen“ Erbe und Zeitgeist.