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Kooperatives Gutachterverfahren | 12/2014

Neugestaltung der Kleiststraße

Seitenstreifen Kleiststraße

Seitenstreifen Kleiststraße

Gewinner

hutterreimann Landschaftsarchitektur GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Einleitung:
Der Betrachtungsraum zwischen Wittenbergplatz und Nollendorfplatz war als Teil des u.a. von Lenné erdachten „Generalzuges“ (einer großangelegten Straßen- und Platzfolge vom Südstern bis zum Wittenbergplatz, benannt nach den Generälen + Orten der Befreiungskriege gegen Napoleon 1813-15). Charakteristisch dafür war ein sehr gerichteter, klarer Stadtraum, ein typisches Beispiel des gründerzeitlichen „steinernen Berlins“ mit den damals entwickelten, großzügigen Straßenquerschnitten und bürgerlichen, Wohnhäusern an der Straße entsprechend dem Hobrechtplan von 1862. Typisch für diese Zeit sind die geradlinigen Baublöcke mit durchgehenden Baufluchten ohne nennenswerte Versprünge entlang den Straßenräumen bzw. zum Gehweg hin.
Die großzügigen Gehwege entlang der Kleiststraße mit den voluminösen Straßenbaumreihen und vereinzelte Gebäude sowie die beiden markanten Endpunkte der U-Bahngebäude am Wittenberg und am Nollendorfplatz sind die Relikte dieser Zeit.
Diese Klarheit des Stadtraumes wurde nach den Kriegszerstörungen durch den Neuaufbau als autogerechte Stadt der Nachkriegsmoderne radikal geändert. Die Lietzenburger Straße/An der Urania bild nun eine breite, stadträumliche Schneise, die die westliche von der östlichen Kleiststraße trennt und die Grenze zwischen der City West und dem lebendigen Nollendorfkiez bildet. An den Rändern entstanden nach 1945 großmaßstäbliche Geschäfts- und Hotelgebäude, vereinzelt als städtebauliche Solitäre, die - bei näherer Betrachtung - in Ihrer Vielfalt den Reiz der Nachkriegsmoderne ausmachen. So sind die zum Teil. denkmalgeschützten Gebäude nicht nur typisch für Ihre Zeit sondern als Objekte teilweise aufgrund ihrer architektonischer Details im Zusammenspiel mit den altehrwürdigen Platanenreihen sehr atmosphärisch. Die EG-Nutzungen sind mitunter jedoch eindimensional, großflächig und wenig kleinteilig. Der Stadtraum ist heute durch die große (ost-westorientierte) Dynamik der verschiedenen Verkehrsteilnehmer (KFZ, Bus, Radfahrer, partiell U-Bahn) und die aufgelockerten Stadtkanten mit fließenden Freiräumen und geringer Aufenthaltsqualität gekennzeichnet.
Die Gerichtetheit des Raumes ist durch die geradlinige Verkehrstrassenausbildung, unterstrichen durch die Baumreihen und die markanten Bahnhofsgebäude an den beiden Endpunkten weiterhin spürbar. Der Raum wird jedoch vor allem als Transitraum unbeachtet benutzt und wird seiner Bedeutung als Eingang zur City–West nicht gerecht. Die Gehwege weisen keinerlei Aufenthaltsqualität auf, die Mittelstreifen sind als neutraler Abstandhalter bedeutungslos für die Freiraumqualität. Die Vernachlässigung und Heterogenität des Mobiliars bestärken die negative Wahrnehmung den Stadtraumes.

Konzept:
Die dem Raum heute innewohnende Dynamik wird zum Ausgangspunkt des Entwurfes. Das Wechselspiel von Ruhe und Bewegung – als typisches Merkmal – moderner Städte wird hier exemplarisch gestärkt. Die historische Gerichtetheit des Raumes wird durch ein Streifenprinzip aufgegriffen, die den Freiraum in unterschiedliche Bewegungszonen gliedern.
Der 4 m breite Funktionsstreifen aus Mosaikpflaster greift die historische Strenge und Gerichtetheit des Raumes auf und wird durch die Anordnung der Baumscheiben und Sitzelemente spielerisch rhythmisiert. Ein durchlaufendes Plattenband und großzügige, gerahmte Baumscheiben (alles Betonwerkstein), die sich partiell zu Sitzelementen (mit Holzauflage) erheben, bieten die langersehnte Aufenthaltsqualität unter den altehrwürdigen Platanen. Die Sitzelemente werden - den EG-Nutzungen entsprechend - in Lage und Menge flexibel angeordnet. Gleichzeitig nimmt dieser Streifen die notwendigen Infrastrukturelemente des Gehweges (Fahrradständer, Bushaltestellen, Litfasssäulen, Telefonhäuschen etc.) auf. Materialitäten des Mobiliars werden in Form, Farbe und Materialität soweit möglich vereinheitlicht. Lücken in den Baumreihen werden – wo immer möglich – konsequent geschlossen und im Bereich An der Urania/ Lietzenburger Straße fortgeführt.
Die strenge Anordnung und Gerichtetheit knüpft hier an die historischen Qualitäten des Hobrechtplanes an.
Entlang der Fassaden verbleibt ein angemessener Bewegungsstreifen für Fußgänger aus Berliner Gehwegplatten mit einem schmalen Oberstreifen aus Mosaikpflaster im Bereich der Gebäudeanschlüsse, wie im Bestand.
Der Platz an der Kreuzung Kleiststraße/Lietzenburger Straße wird als eigenständiger Seitenraum entwickelt. Eine großzügige Sitzmauerelement grenzt den Platz vom Gehwegbereich, Pflanzungen bilden einen Puffer zum verkehrsreichen Straßenraum der Kreuzung. Der Platz vor dem Dorlandhaus vis a vis Ecke Kleiststraße/Keithstraße/An der Urania bleibt als PKW Stellplatz erhalten. Auch hier wird jedoch eine einladendes Sitzelement aus Betonwerkstein entlang des Gehweges - als Begrenzung zum Stellplatzbereich - angeboten.

Mittelstreifen:
Der Mittelstreifen wird zum Entschleunigungsstreifen transformiert. Querbezüge zwischen den Gebäuden schaffen ein entschleunigendes Muster. Die architektonische Vielfalt prägt den Raum in variierender Stärke. Der Dynamik der Ost-West orientierten Bewegungslinien der unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer wird ein ungerichteter, von den variierenden Gebäudeversprüngen beeinflusster Freiraum entgegengesetzt. Er ist durch verflochtene Bänder aus robusten, pflegleichten und trockenheitsresistenten Gräser- und Wildstaudenbeete (z.B.: Fertigmischung „Silbersommer“ oder ähnlich, die für solche innerstädtische Standorte mit geringem Pflegeaufwand entwickelt wurden) mit niedrigen Solitärsträuchern und befestigten Flächen (dezent-farbiger Asphalt) geprägt ist. Dieser Freiraum ist ein Angebot zur ziellosen, zweckfreien Begegnung mit dem Stadtraum und seiner Architektur; ein Möglichkeitsraum zur Wahrnehmung des Ortes durch einen anderen Blickwinkel, den der an dieser Stelle - verlorenen Mitte. Ziel ist dabei weniger das Flanieren, das „Sehen und Gesehen werden“ historischer Zeiten. Wie auf einer Insel kann der Betrachter hier, losgelöst vom „normalen“ Bewegungsraum, die Eigenarten dieses Transitraumes studieren und sich auf einer der skulpturalen Sitzelemente verweilen. Wer das nicht will, erfreut sich hier von Nahem oder aus der Ferne von der gegenüberliegenden Straßenseite an den ästhetischen Reizen der neuen Gestaltung durch Gräser- und Wildstaudenbeete mit ihren vielfältig-wechselnden, jahreszeitlichen Aspekten.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entscheidung, ein Gutachterverfahren durchzuführen, zeigt, dass das Bezirksamt für die
Straßenraumgestaltung mehr als die Fortsetzung eines tradierten Kanons wollte. Die Arbeit von hutterreimann verdeutlicht am besten die Idee des erwarteten wie auch gewünschten Bedeutungszuwachses des Straßenabschnitts. Hierzu gehört die Schaffung eines attraktiven Eingangsbereichs in die City West wie auch eine kreuzungsübergreifende gestalterische Verknüpfung mit dem Nollendorfplatz. Die Arbeit von hutterreimann entwickelt die Tradition des Generalszuges weiter und schafft für den Straßenabschnitt ein Stück mehr Aufmerksamkeit. Es entsteht ein gestalteter Cityeingang, der zwar nicht punktuell, aber als linearer Bereich wirkt. Gleichwohl besteht die Gefahr der Überinszenierung – für die weitere Bearbeitung ist daher eine gestalterische und funktionale 'Abrüstung', eine 'Beruhigung' (insbesondere des Mittel- und des Unterstreifens) zu empfehlen. Dabei sollte der gewählte gestalterische Ansatz fortgeführt werden. Die Grundidee einer vegetativen Aufwertung des Mittelstreifens wird gewürdigt, jedoch hinterfragt, ob das Verhältnis von Vegetation und Wegefläche richtig ist (ggf. ist das Verhältnis eher umzukehren). Für die Unterstreifen ist die Aufenthalts- und Funktionsqualität besser herauszuarbeiten. Auch über die Materialität ist noch einmal nachzudenken. Mit dem weißen Belag ist erhöhter Pflegeaufwand verbunden, auch sind die Pflasterlinien mit den Anforderungen der Befestigung für Blinde und Sehbehinderte in Einklang zu bringen. Auch andere Belange behinderter Menschen sind entsprechend relevanter Richtlinien in der weiteren Vertiefung zu beachten. Für den farbigen Asphalt sind ggf. Alternativen zu prüfen. Für die vorgeschlagene Verwendung der Vegetation ist der Pflegeaspekt deutlich herauszuarbeiten. Die Form der Lampen sollte im Sinne der Fortführung des Generalszuges noch einmal geprüft werden (ggf. eher klassische Formen). Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Überarbeitung eine Orientierung am vorgegebenen Kostenrahmen (1 Mio. Euro brutto) zwingend einzuhalten ist.
Mittelstreifen Kleiststraße

Mittelstreifen Kleiststraße

Lageplan M1:500

Lageplan M1:500

Lageplan M1:250

Lageplan M1:250

Piktos Konzept

Piktos Konzept

Piktos Konzept

Piktos Konzept