Offener Wettbewerb (auch für Studenten) | 02/2025
AIV-Schinkel-Wettbewerb 2025: Clever Aufgegleist
©Loris Theus / Noah Rimann
heckenorchester am gleisdreieck
Gewinner / Fachsparte Landschaftsarchitektur: Schinkelpreis Landschaftsarchitektur + Sonderpreis Lenné-Akademie
Ostschweizer Fachhochschule | OST
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Landschaftsarchitektur
Landschaftsarchitektur
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit verbindet klassischen Themen und Mittel der Landschaftsarchitektur und aktuelle Herausforderungen zu einer eigenständigen Lösung die gleichzeitig formal prägnant und selbstverständlich wirkt. Zwischen einem großzügigen Platz als neuen Parkzugang entlang der U-Bahn-Brücke im Norden des Entwurfsgebiets und der neuen Bahntrasse mit langgezogenem Tunneltrog im Süden erstreckt sich ein Feld mit in diversen Pflanzenarten ausgeführten, organisch gerundeten Heckenringen unterschiedlicher Ausdehnung und Höhe. Was auf den ersten Blick an die Kleingärten von C. Th. Sørensen in Nærum aus den frühen 1950ern erinnert, stellt sich als eine zeitgemäße, ortsbezogene Neuinterpretation des Themas „Heckenzimmer“ heraus. Mit einer Zonierung in private, von Vereinen genutzte und öffentliche Bereiche bieten diese Zimmer einem vielfältigen Nutzungsangebot Raum, das von Gemeinschaftsgärten über „Ruhe-Zimmer“, Hundeauslauf, „Sport-Zimmer“, Versickerungsflächen bis hin zu nicht programmierten Zimmern reicht.
Der Bestand wird auf intelligente Weise integriert: Ein Streifen der Stadtwildnis wird als nicht-zugänglicher Naturbereich erhalten, und die Heckenzimmer nehmen auch Beachvolley-Felder und Kleingärten auf. Damit wird der in der Wettbewerbsaufgabe enthaltenen Aufforderung Rechnung getragen, die existierende Kleingartenanlage behutsam zu öffnen und ökologisch aufzuwerten. Auf übergeordneter Ebene realisiert der gesamte Bereich eine Weiterführung des Themas des offenen Wiesenzentrums mit stärker programmiertem, räumlich verdichtetem Rahmen, wie es den Park am Gleisdreieck charakterisiert, mit dem der neue Entwurf trotz seiner Eigenständigkeit zu einer organischen Einheit verschmilzt. An unterschiedlichen Stellen entstehen Verknüpfungen mit umliegenden Quartieren, und in einer deutlichen Geste verbindet eine Fußgängerbrücke auf der Linie des LennéHobrecht’schen Generalzugs den neuen Parkteil mit dem Westpark jenseits der Fernbahnstrecke. Der an der Yorckstraße gelegene Baumarkt wird umgenutzt um weiteren sportlichen und kulturellen Nutzungen zu ermöglichen. Nördlich davon wird der zwischen den Bahntrassen befindliche Bereich von einem weitläufigen, von ökologischen Maßnahmen durchzogenen Ruderalwald ausgefüllt.
Der Charme der formalen Idee der Heckenzimmer liegt nicht zuletzt darin, dass sie durch ein Weglassen einzelner Heckenräume oder eine Erweiterung – die auch vorgeschlagen wird –flexibel an Veränderungen des Kontextes angepasst werden könnten. Leider weist die Arbeit einen fundamentalen Schwachpunkt auf: Die Lage der Stammbahn entspricht nicht dem in der Aufgabenstellung definierten Szenario. Gerade weil sich die Arbeit, wie oben beschrieben, an verschiedene Trassenführungen und deren räumliche Struktur in herausragender Weise anpassen lässt, wurde sie trotzdem prämiert.
Überzeugen können auch die Ideen für die Pflanzenverwendung, denn diese sind raumbildend gedacht und durch die Programmierung wie „Ökohecke“, „Naschhecke“ oder „Dufthecke“ essentieller Teil der Entwurfsidee. Die Pflanzliste ist differenziert und originell und – mit der Ausnahme von Fraxinus – zukunftsfähig. Aufgrund dieser Qualitäten wurde der Arbeit zusätzlich zum Schinkelpreis auch der von der Lenné-Akademie gestiftete Sonderpreis für Pflanzenverwendung zuerkannt. Das grundlegende Gestaltungselement bei dieser Aufgabe sind die Heckenzimmer, die vielseitige Nutzungsmöglichkeiten bieten. Inspiriert sind sie von den vorhandenen Kleingärten, die in das Konzept einbezogen wurden. Genauso vielseitig wie die Nutzungsmöglichkeiten sind die Pflanzenvorschläge für die Hecken: Immergrün – Weiß blühend – Gelb blühend – „Ökohecke“ – „Naschhecke“ – „Dufthecke“ und „Staudenhecke“. Dadurch ergibt sich ein vielfältiges, multifunktionales Erscheinungsbild. Anzumerken ist jedoch, dass diese Heckenelemente durch den regelmäßig Schnitt einen hohen Pflegeaufwand erfordern.
Begründung der Lenné-Akademie für Gartenbau- und Gartenkunst e.V.: Aufgrund der unterschiedlichen Pflanzenarten und Pflanzenkombinationen ist entsprechendes Fachwissen Voraussetzung. Auch die für die anderen Parkteile vorgeschlagenen Gehölze sind gut gewählt, Standort und Klima angepasst. Lediglich die Verwendung von Fraxinus ist aufgrund des Eschensterbens problematisch. Sehr positiv im Hinblick auf Biodiversität und Klimaanpassung ist die vorgeschlagene Begrünung von Fassaden durch Kletterpflanzen. Hervorzuheben ist, dass die vorgeschlagenen Heckenzimmer auch für Experimente gut nutzbar sind indem innovative Konzepte einfach und schnell umgesetzt werden können. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung ist damit gewährleistet.
©Loris Theus / Noah Rimann
©Loris Theus / Noah Rimann