Nichtoffener Wettbewerb | 07/2024
Ankunftszentrum für Flüchtlinge auf dem Areal Patrick Henry Village (PHV) in Heidelberg
©loomn Architekturvisualisierung
Innenhof
Anerkennung
Preisgeld: 48.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Felix Stephan Römer, Faezeh Nekouyan, ANASTASIJA MASALSKAJA, Aixin Xuan
Gänßle + Hehr Landschaftsarchitekten PartGmbB
Landschaftsarchitektur
loomn architekturkommunikation
Visualisierung
Erläuterungstext
Entwurfskonzept
Die Preisgerichtsempfehlungen wurden verstanden, aufgenommen und das Konzept entsprechend geschärft. Übergeordneter Leitgedanke des Entwurfskonzeptes bleibt es, ein Maximum an Klarheit, Robustheit, Identität und Qualität für das neue Ankunftszentrum auf dem Areal der Patrick Henry Village in Heidelberg zu schaffen. Fünf wesentliche Charakteristika kennzeichnen den Entwurf:
• Die wohlproportionierte Gliederung und Maßstäblichkeit der Baukörper, mit der jede riegelhafte Wirkung vermieden wird und die sich als aufgelockerte, durchlässige Struktur in das bestehende heterogene Umfeld aus kleinteiligen Wohnbauten und den geplanten, großmaßstäblichen Strukturen des dynamischen Masterplans selbstverständlich einfügt. Das neue Ensemble integriert sich so selbstverständlich in die umliegende Nachbarschaft und baut stadträumliche Bezüge auf.
• Der zentrale, Ost-West spannende Platz, der die klare Adressbildung und einfache Orientierung sowie die kurzen, direkten Wege zwischen den drei Nutzungsbausteinen Verfahrens-, Unterkunft- und Sportbereich für die Ankommenden unterschiedlicher Herkunft und kulturellem Hintergrund sichert. Dieser Platz fungiert als Gelenk für die Nutzungen des Ankunftszentrums und fügt sich quasi als weiterer „Trittstein“ in die Platzfolge der Quartiersmitte nach Masterplan ein.
• Die hohe Aufenthaltsqualität der Freiräume mit der grünen, parkartigen Mitte im Unterkunfts-bereich und den grünen Höfen, die dem Areal seinen durchgrünten Charakter verleihen und attraktive Aufenthaltsangebote eröffnen.
• Die Nutzung der Gebäudekanten als gegebene, nicht additiv empfundene Einfriedung der Bereiche und deren belebte, in der Höhe und der Tiefe verspringende Ausbildung, mit der der gebotene Schutz bei gleichzeitig harmloser Gestaltung erzielt wird.
• Die konsequent modulare, nachhaltige Bauweise, die es ermöglicht die Unterkunftsgebäude mit denen im Werk vorgefertigten Holzmodulen in kürzester Bauzeit wirtschaftlich zu errichten.
Städtebau und Freiraum
Die mit dem Masterplan vorgeschlagene Zonierung des Planungsgebiets in das dichter besetzte östliche Band mit den Verfahrensbereichen und die aufgelockerte Mitte der Unterkunftsbereiche wird konsequent und Flächen-effizient umgesetzt. Mit den klar gefassten Baukörpern des Ankunftsgebäudes und des BAMF auf der einen Seite und den aufgelockert, versetzt angeordneten U- und L-förmigen Unterkunftsgebäuden auf der anderen Seite entstehen klare stadträumliche Hierarchien und differenzierte Identitäten.
Zwischen diesen Bereichen, dem Ankunftsgebäude im östlichen Band, den Unterkünften und den Sportangeboten spannt der zentrale Platz wie ein Gelenk, das die Nutzungen miteinander verbindet und die kurzen, direkten Wege eröffnet. In seiner offenen, attraktiven Gestaltung mit einheitlichen, wasserdurchlässigen Belägen bietet er Übersichtlichkeit, schnelle Orientierung und Sicherheit für die Ankommenden.
Um diesen Platz herum ist das Erschließungskonzept für den motorisierten Verkehr unter der Zielsetzung eines hoch-effizienten und sparsamen Straßennetzes entwickelt, das die Freiflächen und Aufenthaltsbereiche möglichst frei von Verkehr hält. Direkt der Zufahrt von Süden kommend zugeordnet liegt die Zufahrt der Quartiersgarage und die Anlieferung der Kantine. Somit wird der Großteil des anfallenden Verkehrs direkt abgeführt.
Die Durchfahrt der nördlich weitergehenden Erschließung soll nur Anliegern offenbleiben, so dass die zentrale Mitte weitestgehend von Verkehr frei gehalten und den Bewegungen der Fußgänger vorbehalten ist.
Unter der Prämisse, qualitätvolle klimaangepasste Freianlagen zu erhalten, wird ein hoher Anteil an begrünten, ökologisch wertvollen Flächen geplant.
Innerhalb des Unterbringungsbereich werden den unterschiedlichen Bereichen, Höfe mit differenzierten Nutzungen zugeordnet. Diese verbinden sich über Rundwege in der grünen parkähnlichen Mitte. Hier befinden sich gleichermaßen Rückzugsmöglichkeiten wie auch Räume zur Begegnung und zum Austausch. Ebenso naturnah gestaltete Spielbereiche für Kinder sowie Bewegungs-fördernde Elemente, wie Tischtennisplatte und Tischkicker zum sportlichen Ausgleich. Raumbildende Baum- und Strauch-pflanzungen, Wiesenansaaten und Retentionsflächen definieren die Nutzungsbereiche. In den Abend-stunden beleuchten Insekten-freundliche Pollerleuchten und Stelen die Wege.
Außerhalb des Unterbringungsbereichs und entlang der östlichen Grenze entstehen Flächen für den Natur- und Artenschutz. Die Auswahl einer vielfältigen und standortgerechten Pflanzenauswahl fördert die Biodiversität und schafft wertvolle Lebensräume für zahlreiche Tierarten. Blühende Wiesen und Hecken bieten Nahrung und Schutz für Insekten, Vögel und andere Tiere.
Mit der Planung wird das Ziel verfolgt das gesamte Oberflächenwasser zu bewirtschaften und über die Transpiration der Grünflächen in den Kreislauf zurückzuführen.
Den Unterkunftsbereich im Süden flankierend und parallel zum geplanten Parkway verläuft die naturnah gestaltete Parkspange. Das Zentrum der Parkspange wird offen gestaltet, als Raum für Begegnungen. Die multifunktionalen und öffentlich nutzbaren Sport- und Freizeitflächen werden in die Gestaltung der Parkspange ebenso integriert, wie Flächen zur Retention und Versickerung von Regenwasser, sowie biotopähnliche Strukturen wie Streuobst- und Wildstaudenflächen. Dies fördert die Artenvielfalt und verleiht dem Park einen natürlichen Charme. Die weiteren Sportangebote liegen im Norden und werden auf kurzem und direkten Weg über den zentralen Platz angebunden.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit verfolgt das Konzept einer geschlossenen Anlage für den Unterbringungsbereich, mit einer grünen Mitte und der Haupterschließung mit dem Übergang zum Ankunftsbereich im Nordosten. Die Gebäudetypologie der Wohnhäuser bildet U- und L- förmige fünfgeschossige Baukörper aus, die im Erdgeschoss mit Verbindungsbauten zu einer Großform zusammengeschlossen werden. So werden die Gebäude zur Einfriedung, was grundsätzlich Vorteile für das Sicherheitskonzept hat, jedoch gerade für die angrenzende Nachbarschaft, im Bezug zu Dimensionen und Ausdruck negativ bewertet wird. Die auch vom Material einheitlich durchgehende Wand im Erdgeschoss, mit den hoch aufragenden Wänden der Häuser führt zu einem extrem abweisenden Charakter der Anlage, der für die Einbindung und Einfügung des neuen Ankunftszentrum in den städtebaulichen Raum ungünstig ist. Auch die Ausbildung des Vorplatzes im Norden mit der Schnittstelle zum Ankunftsbereich ist räumlich nicht nachvollziehbar und wird von der Jury kritisiert. Mit der offenen Flanke zu den Einfamilienhäusern im Norden entsteht eher ein wenig überzeugende Ort, ohne räumliche Fassung, als ein geeigneter Übergangsbereich. Die Ausbildung der grünen Mitte als Anger wird funktional positiv gesehen, jedoch wird angezweifelt, ob so viel Bestandsbäume, wie angegeben durch die bauliche Konfiguration erhalten werden können. Kritisch wird auch das außerhalb der Anlage verbleibende ungestaltete „Restgrün“ im Nordwesten gesehen. Durch die starke Abgrenzung der baulichen Struktur, wird dieser wertvolle Grünbereich weder von den Bewohnenden des Ankunftszentrum, noch von denen der Einfamilienhäuser genutzt werden können. Die Anordnung von Ankunftsgebäude, BAMF und Quartiersgarage ist nachvollziehbar. Die abgetrennte Lage und zweigeschossige Ausbildung des Logistikzentrums wird in Frage gestellt. Die Kantine im Mittelpunkt der Gesamtanlage liegt günstig. Hingegen dazu wird das große Lager im Zentrum des Unterbringungsbereichs zu prominent verortet. Im Süden fehlt eine Nutzungsidee und Gebäudestruktur für den Ideenteil. Hier wird eine weitere Grünfläche mit verschiedenen Sportangeboten gezeigt. Die Gebäudestruktur der Wohnbauten wirken monoton und ideenlos durch umlaufend lange Flure und einer Aneinanderreihung der Räume. Im Kantinengebäude entstehen für die Belichtung ungünstig tiefe Räume mit großen Flachdächern. Die funktionale Anordnung im Ankunftsgebäude ist nicht sinnvoll. So entstehen große Wartebereiche im Rückraum der Sicherheitskontrolle und ein reibungsloser Ablauf wird in Frage gestellt. Die Erschließung nach der Kontrolle zum Obergeschoss ist unattraktiv und eng ausgebildet. Auch die Aneinanderreihung der Registerschalter im Obergeschoss wird als extrem ungünstig in der Nutzung beurteilt. Die Baukonstruktion in Holzmodulbauweise wird als sinnvoll und wirtschaftlich bewertet. Der Nachweis für verschieden Modulgrößen wird gelobt. Die Fassadenausbildung und die freundliche äußere Erscheinung ist zielführend und geeignet für die Nutzung. Insgesamt stellt die Arbeit einen typologisch eigenständigen Beitrag dar, der jedoch nicht in seiner Konzeption durchgehend überzeugen kann.
©loomn Architekturvisualisierung
Außenperspektive
©Hascher Jehle Architektur
Lageplan
©Hascher Jehle Architektur
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Grundriss_Erdgeschoß
©Hascher Jehle Architektur
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