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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2019

Atlantic Hotel & Tower Ost - Neubau von zwei Hochhäusern in Erfurt

2. Rundgang

Osterwold°Schmidt EXP!ANDER Architekten BDA PartGmbB

Architektur

Erläuterungstext

LEITBILD
Die beiden neuen Türme für Erfurt sollen die Haltung zu dieser Stadt widerspiegeln. Ihre dimensionale Erscheinung und informelle Ausstrahlung soll Korrespondenzen zu Erfurt suchen und gleichermaßen den Maßstab Mensch berücksichtigen.

HERLEITUNG
Erfurt hat keine Skyline, zu der sich ein weiteres Hochhaus gesellt, wohl aber eine wertvolle große Altstadt mit einer Krone aus imposantem Dom und Türmen als Hochpunkte, die schlank oder eben durch Dächer und Hauben mindestens aufstrebend und verjüngend wirken. Diese hohen Häuser sind allesamt kirchliche Symbole.
Erfurt ist über die Jahrhunderte gewachsen, längst über die Grenzen der Altstadt hinaus und in die umgebende Landschaft hinein … Neue hohe Häuser sind entstanden mit neuen Funktionen - auch zum Wohnen - temporär wie dauerhaft.
Beides prägt die Stadtsilhouette.
Auf der Suche nach dem richtigen nächsten hohen Haus, das an der Schmidtstedter Brücke perfekt platziert scheint, stellt sich nun die Frage nach dem besten proportionalen Maß:
Das Maß der Kirchtürme ist zu schlank für die gewünschte Nutzung.
Eine sinnfällige Flächeneffizienz pro Geschoß beim Aufstapeln von Geschossen bei gleichzeitig schlanker Wirkung würde bestimmt 1/3 mehr Turmhöhe verlangen, die allerdings Maßstab und Vorgabe sprengen würden - „going up is no limit“ kann das Motto nicht sein…
Die Suche galt den Möglichkeiten kein trutziges Erscheinungsbild (wie die Punkthäuser aus der DDR-Zeit) zu erzeugen und dem atmosphärischen Charakter der Stadt Ausdruck in der Architektur zu geben.
In diesem Verständnis wurden zum einen Baukörperskulpturen geformt, die den Maßstab der unmittelbaren Umgebung (Traufhöhe, Firsthöhe, Fassadenlängen etc.…) aufnehmen, durch Kerbung den aufsitzenden Turm möglichst überhöhen bzw. durch Stufungen eine Verschlankung des Turms bewirken. Zum anderen bestand die Absicht Attribute der Stadt zu materialisieren … in Form zu bringen.
Während für die Baukörperskulpturen die städtebaulichen Vorgaben, die angrenzenden Bedingungen, funktionalen Anforderungen etc. helfen, stellt sich die Frage:
Was macht Erfurt so anziehend?
Warum verlagern so viele Menschen ihren auch komplett neuen Lebensmittelpunkt in diese Stadt?
Kann das eingefangen werden für attraktive Arbeitsbedingungen und vor allem auch für die Gäste der Stadt … in einem zu Hause auf Zeit - in einem Atlantic-Hotel?
Folgende Aspekte geben darauf Antwort:
- die zentrale Lage deutschlandbezogen,
- die Größe der Stadt: überschaubar, aber nicht zu klein - ergo die Maßstabsbezogenheit zum Menschen,
- die Nähe zwischen Stadt & Landschaft, die Attraktivität der Umgebung und das grüne Potential, das sich auch in der Gartenbauhistorie Erfurts widerspiegelt,
- und die subtileren Faktoren, die Erfurt ausmachen bspw. der Menschenschlag, der mitteilsam und gleichermaßen bodenständig ist. Vielleicht eine kulturelle Erbmasse aus dem wichtigen alten Handelsweg, der Via Regia, und der Krämertradition? Munter und geerdet kann man die Thüringer in Erfurt beschreiben.
Das sind geeignete Faktoren, um sich an dem Ort aufzuhalten oder niederzulassen.
Der Blick auf die Stadt und in die Landschaft sind dabei natürlich zwei riesige Potentiale durch die Chance neuer hoher Häuser …

STÄDTEBAU UND FUNKTION
Die Baukörperskulpturen bewirken neben der eigenen Baumassengliederung zugunsten eines möglichst schlanken Erscheinungsbildes Stadtraumbildung. Der Tower Atlantic-Hotel vervollständigt mit dem Kopfbau gen Norden einen Wegestern als Auftakt zum Brückenschlag über den Flutgraben. Dabei rahmt die Westseite den neuen Stadtplatz und gleichzeitig weist die Kerbe auf den Haupteingang des neuen Hotels hin. Ein großzügiges Vordach verschafft zusätzliche Aufmerksamkeit und Aufenthaltsqualität in diesem Bereich.
Die Kerbung wiederum verleiht dem Turm mehr Höhe, dem Haus mehr Fassade und dem Bau eine Varianz in den Geschosshöhen für die unterschiedlichen Nutzungen. Auf diese Weise können die Hoteletagen im Turm in wirtschaftlicher Geschosshöhe von 3,25m fortgesetzt werden, während die Veranstaltungsräume im Kopfbau adäquate Raumhöhen zur Raumgröße erhalten. Zwischen Turm und Kopfbau wird ein zusätzlicher Aufenthaltsbereich generiert - die Stadtloge - als Bereicherung für den Veranstaltungsbereich mit erstem Blick über die Dächer der Stadt.
Im Erdgeschoss verknüpfen Lobby und Restaurant die funktionalen Beziehungen zwischen Innen und Außen. Andienung, Ver- und Entsorgung werden nicht störend und diskret auf der Ostseite organisiert.
Vertikale Erschließungselemente im Foyer gewährleisten die kreuzungsfreie Erreichbarkeit verschiedener Funktionsbereiche.
Das Motiv der Anlagerung besonderer Nutzungen an markanten Gebäudebereichen setzt sich insgesamt fort:
EG: Lobby und Restaurant & Stadtplatz
Kopfbau: Veranstaltung & Stadtloge
… Turm: 16 bzw. 14 Zimmer pro Etage
… Sockel: 27 bzw. 20 Zimmer pro Etage
… Gesamtzimmer: 212 (Standard 195, Junior 10, Suiten 5, Family 2)
Rooftop: Bar, Fitness & Spa mit Aussicht, Patio und optionaler Dachterrasse
Ganz ähnlich erfolgt die Modellierung und Funktionszuordnung im Tower Ost:
Während im Erdgeschoss an frequentierten Bereichen Räume für lebendigen Austausch angelagert werden z.B. Eingangshalle, Pop-Up-Räume für gastronomische und/oder expositionelle Zwecke, folgen maximal flexibel teilbare Arbeitsebenen für diverse Arbeitswelten z.B. in Zellen-, Gruppen- oder Open-Space-Bereichen, während sich an Stufungen des Gebäudes besondere Möglichkeiten anbieten z.B. Co-Working-Spaces, Optionsräume für variable Nutzungen (Kinderbetreuung, Workout, Fitness, Werkstatt) an Dachterrassen und Dachgärten. Hier wandelt sich das pragmatische Fensterbandmotiv zu großen Fensteröffnungen, zu Wintergärten und Panoramaangeboten für differenzierte Arbeits- und Aufenthaltsatmosphären im Wechselspiel von Konzentration und Entspannung.
Die Auskragungen beider Baukörper erweitern das jeweilige Flächenangebot und bewirken in Ergänzung mit den parallelen Bebauungen am Bahndamm die Torwirkung in Nord-Süd-Richtung.

KONSTRUKTION, MATERIAL & ERSCHEINUNG
Tragwerk – Tower Ost
An den zentralen Aussteifungskern, der gleichzeitig der Erschließung dient, schließen Stahlbeton-Flachdecken mit einem trapez-ähnlichem Grundriss an. Die weitere Stützung der Flachdecken erfolgt durch wenige Innenstützen und durch Stützen in der Fassade. Dadurch sind eine Vielzahl von Grundrissanpassungen möglich ohne tragende Bauteile zu berühren. Die unterzugslosen Flachdecken ermöglichen zudem eine flexible Trassenführung für die Haustechnik, auch bei Nachinstallation. Die optimierte Wahl der Stützenstellungen (Orientierung TG-Raster), werden kostenintensive Abfangungen, einhergehend mit dem Verlust an Gebäudehöhe, vermieden. Durch Verwendung von vorgespannten Flachdecken im Veranstaltungsbereich, kann die Geschosshöhe begrenzt und die Lastweiterleitung auf wenige Stellen reduzieren werden, so dass auch in der Tiefgarage nur die nötigsten Stützen und Wände erforderlich sind. Die Gründung des Bauwerkes kann als kombinierte Bohrpfahl-Plattengründung erfolgen.
Tragwerk – Atlantic Hotel Tower West
Ein im Gebäudeinneren angeordneter Erschließungskern übernimmt die wesentlichen Funktionen der Aussteifung. Zugunsten einer Ressourcen schonenden massiven Bauweise werden Geschossdecken im Raster von 3,75m bzw. 7,50m von Stützen getragen. Statt tragender Wänden können so die erforderlichen Raumtrennungen mit verschiedenen Materialien bspw. auch elementiert in Holz ausgeführt werden. Die Zusammenlegung einzelner Zimmer oder anderweitige Funktions- und Raumänderungen gelingen dann ohne Umbau am Tragwerk auf nachhaltige Art und Weise. Durch die Verwendung unterzugsloser Decken wird eine kollisionsfreie haustechnische Trassenführung sichergestellt. Die teils sägezahnförmige Grundrissform begrenzt gleichförmig und klar die thermische Hülle des Gebäudes. Angrenzend können selbsttragende Pflanzkübel als Fertigteile eingesetzt werden, die ggf. nachträglich gegen Deckenfertigteile (bei Nutzungsänderung) ausgetauscht werden könnten. Die Veranstaltungsräume im vorgelagerten Gebäudeteil werden stützenfrei mit Spannbetonflachdecken überspannt. Die Gründung des Bauwerkes erfolgt als kombinierte Bohrpfahl-Plattengründung.

Das plastische Erscheinungsbild des Hauses birgt in sich ein hohes Maß an gleichen Elementen, die gut zur Vorfertigung und wirtschaftlichen Errichtung geeignet sind.
Das vorgeschlagene Material aus scharriertem bzw. gebürstetem Kalkstein kann als Leichtbausystem auch bei Hochhäusern sehr effizient Anwendung finden, wobei gleichzeitig ein hochwertiges wie beständiges Erscheinungsbild erzeugt wird. Die Kombination des regionalen Steins mit dem lichten Grün der einheimischen Felsenbirnen und Gräser schafft den Brückenschlag zum bekannten landschaftlichen Motiv. Gleichzeitig werden durch die Begrünung positive Effekte für ein frisches Mikroklima sowie für Aufenthaltsqualitäten geschaffen.
Nicht zuletzt bewirkt die Zusammenfassung je zweier Zimmer über zwei Geschosse einen vertrauten Maßstab - sinnbildlich ähnlich dem Haus mit Vorgarten oder der Bienenwabe … Entscheidend ist hierbei die Wirkung kontra Anonymität und pro Wohlfühlfaktor - mit dem Anspruch auf ein „Zuhause auf Zeit“.
Das Gesamtgebäude erlangt auf diese Weise einen ganz unverwechselbaren Charakter.

FREIANLAGEN
Die Freiflächen antworten mit gespiegelten Plätzen auf die Doppelstellung der Türme. Am Ende der zuführenden Baumreihen markieren Baumclumps Endpunkt und Umleitung. Der Belag wird von Fassade zu Fassade gezogen. Mittels Rinnen werden Fahrspuren und Vorfahrten im ansonsten barrierefreien Belag abgesetzt.
Das Pflanzkonzept mit Eichen, Wildbirnen, heimischen Felsenbirnen und Gräsern zitiert die trockengetönten Vegetationstypen des Thüringer Beckens und entwickelt so – auch in den extremen Lagen des aufgehenden Turms standortgerechte wie pflegeextensive Bilder.

ENERGIEKONZEPT, HAUSTECHNIK_HOTEL
Basis der Energieversorgung wird die vor Ort vorhandene Fernwärme in Kombination mit VRV-Wärmepumpen/Kälte-Technologie sein. Ziel ist es, nicht nur die Effizienz bei der Umwandlung und Erzeugung zu steigern, sondern zunächst durch Wärmeverschiebung und Abwärmenutzung den entstehenden Energiebedarf zu senken.
Maßgeblicher Vorteil der VRV-Technologie ist, dass mit einem Außengerät sowie den Innengeräten (Fan-Coils) gleichzeitig sowohl geheizt, als auch gekühlt werden kann. Weiterhin ist Wärmeverschiebung möglich, sodass mit geringem Hilfsenergieaufwand Wärmeüberschüsse in Räume mit Wärmebedarf verschoben werden können. Geräte der neuesten Generation haben durch variable Systemtemperaturen gesteigerte Leistungszahlen vorzuweisen und ermöglichen den konstanten Heizbetrieb auch im Winter.
Die Gästezimmer werden mit Fan-Coil-Einheiten ausgestattet (z.B. Daikin VRV-IV oder gleichwertig). Diese erlauben es, dass unabhängig vom Gesamtsystem für jeden Raum einzeln entschieden werden kann, ob geheizt oder gekühlt wird. Das System ist für den vorwiegend auftretenden Teillastfall optimiert, wenn im Gebäude gleichzeitig Wärme- und Kältebedarf besteht. Dann kann überschüssige Wärme aus gekühlten Räumen zum Heizen in andere Räume mit Wärmebedarf verschoben werden. Für 10 Teile Nutzenergie wird in diesem Fall nur ein Teil Elektroenergie benötigt (Leistungszahl 10). Die Buchungssoftware kann hier direkt mit der VRV-Anlage verbunden werden, so das unbelegte Zimmer nur grundtemperiert werden können.
In den Bädern erfolgt die Absaugung der feuchten, stickigen Abluft. Für die Gästezimmer kann von Raum zu Raum entschieden werden, ob das Gerät einen Außenluftanschluss (evtl. Straßenseitig sinnvoll) erhält um den hygienischen Luftwechsel sicherzustellen oder ob über die Fenster gelüftet werden soll. Im Falle der Fensterlüftung können zusätzliche Lüftungselemente in der Fensterleibung vorgesehen werden, welche durch die Abluft im Bad, eine Zwangsdurchspülung des Gästezimmers mit frischer Luft ermöglichen. Damit ist in jedem Fall der hygienische Feuchteschutz gewährleistet.

Weitere teilklimatisierte Nutzungsbereiche wie bspw. Tagung werden durch zentrale Lüftungsgeräte mit Außenluft versorgt. Wärme und Kälte wird dort ebenfalls durch das VRV-System bereitgestellt.

Für den Fall überschüssiger Wärme oder Kälte innerhalb des Gebäudes werden Außengeräte benötigt, welche die Umwelt als Wärmequelle oder –senke nutzen.
Empfohlen wird die Prüfung, ob der Einsatz einer wassergekühlten Anlage, d.h. dass dafür nicht Außenluft, sondern evtl. Grundwasser genutzt werden kann. Dieses würde über ein Brunnensystem erschlossen. Dem Grundwasser kann im Heizfall Wärme entnommen, im Kühlfall überschüssige Wärme zugeführt werden.

Sollte dies nicht möglich sein, würde Luft als Umweltenergiequelle genutzt werden können.
Für die Effizienz des Gesamtsystems ist weiterhin das enthaltene BUS-Steuerungssystem entscheidend. Darüber können die einzelnen Geräte angesteuert werden, aber auch über zentrale Einheiten Energieverbräuche (wenn gewünscht Raumweise) ausgelesen werden. Ein Kombination mit der Buchungssoftware ist ebenfalls möglich. Rein von den Investitionskosten ist hier interessant, dass dieses BUS-System ohnehin Bestandteil der VRV-Anlage ist. Dieses BUS-System kann zudem Störmeldungen von Brandmeldeanlage usw. aufnehmen. Auf ein aufwändiges zusätzliches Gebäudeautomationssystems kann so verzichtet werden.

Wo technisch sinnvoll kommen ergänzend oder ausschließlich andere Heizsysteme zum Einsatz. Untergeordnete Räume erhalten Heizkörper der Tagungsbereich eine Fußbodenheizung. Diese Systeme werden mit Fernwärme betrieben, überschüssige Abwärme aus dem VRV-System wird eingebunden.