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Kooperatives Werkstattverfahren als Mehrfachbeauftragung | 07/2025

Bildungscampus Seidensticker in Bielefeld

Einladender Campuszugang

Einladender Campuszugang

Gewinner

HASCHER JEHLE Architektur

Stadtplanung / Städtebau

studio grĂĽngrau GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

VOM GEWERBEGEBIET ZUM GRĂśNEN CAMPUS EIN NEUES KAPITEL IN DER STADTPLANUNG

Städtebauliches Leitbild
Inmitten eines durch Gewerbeflächen geprägten Umfelds entsteht ein zukunftsfähiger, grüner Schulcampus – ein Ort, der Lernen, Freizeit und Begegnung vereint. Das Gelände, bislang von lärmintensiven Nutzungen umgeben, verwandelt sich durch ein integratives städtebauliches Konzept in einen lebendigen Bildungsstandort mit hoher Aufenthaltsqualität. Das städtebauliche Leitbild setzt auf eine klare Haltung: Aus einer Insel im Gewerbegebiet wird ein offener, grüner Seidensticker-Campus mit starker Identität.

Der Park als Nukleus – Die grüne Mitte als Herzstück
Zentrales Element des neuen Campus bildet ein bestehender Park, der nicht nur erhalten, sondern zur „grünen Mitte“ weiterentwickelt wird. Als Herzstück des Geländes fungiert dieser Freiraum als verbindendes Element aller Nutzungsbausteine – ein Ort der Erholung, des Austauschs und der Bewegung. Die Campusmeile, eine großzügige Promenade, durchzieht das Areal und verknüpft die einzelnen Einrichtungen auf selbstverständliche Weise.

Ein Campus mit vielfältigen Nutzungen
Der Campus vereint die unterschiedliche Bildungs- und Freizeitangebote in einem Gesamtkonzept: Sekundarschule, Gymnasium im Bestandsbau, zwei moderne Sporthallen – eine davon mit Tribüne –, das Beratungszentrum (BieBUZ), Interimsgebäude sowie die Infrastruktur für Mobilität. Die durchdachte Verteilung der Baukörper unterstützt kurze Wege, klare Orientierung und vielfältige Begegnungsmöglichkeiten.

Campus-Entrée und Atmosphäre
Bereits das Campus-Entrée an der Feldstraße vermittelt Offenheit und Willkommenskultur. Ein gezielt inszenierter Blick in den Schulcampus lädt zum Entdecken ein. Der Ort lebt von seiner Atmosphäre: urban, grün, zukunftsorientiert. Durch das Wechselspiel von Architektur und Freiraum entsteht ein Campus, der Identität stiftet – für Schüler:innen, Lehrende und das Quartier.

Verzahnung mit der Umgebung
Das Konzept des zusammenhängenden Grüns setzt auf Durchlässigkeit und Integration: Der Campus öffnet sich zur Nachbarschaft, ist kein abgeschotteter Bildungsstandort, sondern Teil des urbanen Gefüges. Klare Adressbildungen zum Park mit großzügigen Vorplätzen schaffen einladende Übergänge zwischen Stadt und Schule. Laufbahnen, offene Sportflächen und eine künstlerisch gestaltete Kletterwand, die gleichzeitig als Lärmschutzwand dient, machen den Campus zu einem Ort des Miteinanders – auch über die Schulnutzung hinaus.

Grünraum und Freiraum – Vernetzte Räume für Bewegung, Begegnung und Natur
Die Gestaltung des Freiraums folgt einem integrativen Gesamtkonzept, das Lernen, Bewegung, Aufenthalt und ökologische Qualität gleichberechtigt berücksichtigt. Die Freiräume werden dabei nicht als ergänzende Flächen verstanden, sondern als elementarer Bestandteil des Campuslebens. Zentrales Rückgrat bildet die 4 m breite Campusmeile – eine großzügige, kombinierte Rad- und Fußwegverbindung, die zugleich für die Feuerwehr befahrbar ist. Sie durchzieht das gesamte Areal und verknüpft die wesentlichen Außenbereiche wie den Campuspark, den Pausenhof des Gymnasiums und den Pausenhof der Sekundarschule zu einem zusammenhängenden Freiraumsystem. Zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität sind an allen Gebäudeeingängen Fahrradstellplätze vorgesehen, etwa die Hälfte davon überdacht. Ergänzend dazu bietet die im Südosten verortete Quartiersgarage sowohl die erforderlichen PKW-Stellplätze als auch zusätzliche, gesicherte Fahrradabstellmöglichkeiten.
Die Freiflächen gliedern sich in Spiel-, Sport- und Aufenthaltsbereiche, die gleichmäßig über das Gelände verteilt sind und unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzer:innen ansprechen. Im Campuspark entsteht ein sportlicher Schwerpunkt mit Kleinspielfeld, 75 m Laufbahn und Weitsprunggrube. Ergänzend hierzu schafft ein Basketballfeld unmittelbar an der Sporthalle zusätzliche Bewegungsanreize im Außenraum. Zur Reduzierung der Schallemissionen ist an der Südseite eine Lärmschutzwand mit integrierter Boulderwand vorgesehen, die funktionale und spielerische Qualitäten kombiniert. Im Westen entsteht ein begrünter Geländewall mit Sitzstufen, der zugleich als Zuschauertribüne für das Kleinspielfeld fungiert. Ein Klimagarten ergänzt das Angebot als ruhiger Rückzugsort, der Beobachtung, Entspannung und Umweltbildung ermöglicht. Über das gesamte Areal verteilte Retentionsflächen unterstützen eine zukunftsorientierte Regenwasserbewirtschaftung und sind gestalterisch in die Freiraumstruktur eingebunden.
Das Gesamtkonzept der Freiräume schafft klare räumliche Orientierung, verbindet die einzelnen Schulbereiche funktional miteinander und bietet vielfältige Qualitäten für Bewegung, Spiel, Rückzug und Begegnung – eingebettet in eine nachhaltige, klimaangepasste Freiraumstruktur und offen für die Nachbarschaft.

Lärmschutz durch intelligente Gebäudestellung

Die sensible Lage des Grundstücks in einem lärmbelasteten Umfeld erfordert besondere planerische Maßnahmen. Die Anordnung der Gebäude, insbesondere die Quartiersgarage und die doppelgeschossige Sporthalle, folgt einer klaren Strategie: Sie bilden nach Süden eine schützende Barriere, die den Lärmeintrag in das Campusinnere wirksam reduziert. Der Bestand und die Schule, die im Nordosten liegen, schirmen gegen die laute Straße ab. Dort, wo keine Gebäude zur Abschirmung Platz finden, entsteht eine begrünte Lärmschutzwand, die zusätzlich als Kletterwand aktiviert wird. Dabei entstehen ruhige, geschützte Höfe und Aufenthaltsbereiche, die trotz urbaner Lage eine hohe Lebensqualität ermöglichen.

Verkehr und Erschließung – Mobilität neu gedacht

Die Erschließung des Campus folgt dem Konzept der abwechslungsreichen Abfolge von Wegen und Plätzen. Großzügige Vorplätze sorgen für Übersichtlichkeit und Sicherheit im Ankommen. Eine Quartiersgarage sowie ein zentraler Fahrrad-Hub fördern nachhaltige Mobilität und entlasten das Gelände vom motorisierten Individualverkehr. Die Integration der Erschließungswege in das Grünraumkonzept sorgt für eine fließende Verbindung aller Elemente.

Schrittweise Entwicklung – Ein Campus wächst

Die Realisierung erfolgt in drei aufeinander abgestimmten Bauphasen. Phase 1 beginnt mit der Sanierung des Seidensticker-Bestands und dem Umzug des Gymnasiums, gefolgt vom Abriss der alten Gebäude. In Phase 2 entstehen die Sporthallen, die Quartiersgarage und die Sekundarschule – ergänzt durch neue Pausenflächen und den Campuspark. Phase 3 komplettiert den Campus mit dem Erwerb der restlichen Grundstücke und der finalen Zusammenführung aller Elemente zu einem durchgängigen Schulcampus. Der neue Schulcampus zeigt beispielhaft, wie durch eine städtebauliche Strategie aus einem isolierten Gewerbestandort ein offener, grüner Bildungsraum entstehen kann. Die gezielte Verzahnung von Architektur, Freiraum und Infrastruktur schafft einen zukunftsfähigen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität – für Schule und Quartier.

Beurteilung durch das Preisgericht

Durch die Positionierung der Sekundarschule auf der Ecke Feldstraße / Herforder Straße wird dem Seidensticker-Gebäude ein Baukörper mit adäquatem Volumen beigestellt. Damit wird das Gebäude nicht nur zum angemessenen baulichen Auftakt, sondern deutet auf die inhaltliche Veränderung des gesamten Areals hin. Ob die – grundsätzlich begrüßenswerte – Zuwegung des Campus westlich der Schule in dieser Dimensionierung sinnvoll ist, wird jedoch ebenso kritisch hinterfragt wie die starke Versiegelung im direkten Umfeld der Schule. Hier wären Maßnahmen zur Verbesserung der kleinklimatischen Bedingungen an diesem exponierten Standort ebenso sinnvoll wie die Einbeziehung der abgebundenen Feldstraße in das Freiraumkonzept des Entwurfs. Allerdings zeigen die Verfasser in gut nachvollziehbaren Grundrissen exemplarisch auf, wie eine Clusterschule an diesem lärmbelasteten Standort sinnvoll funktionieren kann.

Das Seidensticker-Ensemble wird unter Erhalt nahezu aller historischen Bauteile als Gymnasium genutzt. Die vorgeschlagene Nutzungsverteilung innerhalb des Gebäudes erscheint hierbei sinnvoll. Besonders positiv ist die integrierte Lage des Beratungszentrums, das grundsätzlich über den Campus erschlossen wird, für externe Besucher aber auch von der Herforder Straße erreicht werden könnte, so wie auch die Anlieferung der Mensa über einen der vorgelagerten Innenhöfe erfolgt.

Im Südosten wird der Schallschutz zum Gewerbegebiet durch Quartiersgarage und Sporthallen hergestellt. Das Parkhaus ist als Split-Level ökonomisch organisiert und bietet durch den Höhensprung des Geländes die Möglichkeit, höhere Dienstfahrzeuge der Feuerwehr unterzubringen und über eine eigene Zufahrt zu erreichen. Die gestapelten Dreifachsporthallen westlich vom Parkhaus überzeugen durch große Wirtschaftlichkeit und sehr kompakte Bauweise. Allerdings sollten alle beiden Hallen sinnvollerweise in einem Zug errichtet werden. Das Basketballfeld mit südlicher Schallschutzwand zwischen den Baukörpern ist zur Auflockerung der großen Baumasse sinnvoll angeordnet, die räumliche Qualität des Spielfeldes zwischen den hohen Baukörpern wird jedoch kontrovers diskutiert und bedarf einer nachvollziehbaren Konkretisierung.

Herzstück des Konzeptes ist der großzügige Campus, der alle Gebäude und Eingänge verknüpft und sich von der Feldstraße bis zur westlichen Grundstücksgrenze erstreckt, wobei die Fremdgrundstücke unauffällig integriert und durch eine Saumbegrünung umschlossen werden. Die räumliche Wirkung des Campus wird hierdurch nicht beeinträchtigt, allerdings sind langfristig auch die heute noch privaten Flächen für eine Weiterentwicklung des Campus sinnvoll und notwendig.

Der Campus wird über ein großzügiges Entrée an die Feldstraße angebunden und über eine angemessen dimensionierte Campus-Meile durchquert. Von hier aus werden alle Nutzungsbausteine und Gebäude erschlossen. Bemerkenswert ist der Verzicht auf jegliche Bebauung im Westen. Dies ermöglicht die freie Entscheidung über spätere Bauabschnitte, da die Fläche des Interims nicht baulich genutzt wird. Die erforderliche Schallschutzwand in diesem Bereich wird mit einer modellierten Sitzlandschaft geschickt ergänzt, die Ausblicke auf das Kleinspielfeld ermöglicht und einen interessanten landschaftlichen Endpunkt des Campus ausbildet. Auch die Idee der frei geformten Langlaufstrecke kann überzeugen. In Hinblick auf die wünschenswerte weitere Minimierung der Versiegelung könnte auch die 100m-Bahn darin integriert werden. Baumerhalt und Entsiegelung der Flächen sollten im Fokus der weiteren Entwicklung des Geländes stehen.

Insgesamt bieten die Verfasser ein schlüssiges Gesamtkonzept für das Seidensticker-Areal an, in dem die unterschiedlichen Nutzungen sinnvoll verortet werden. Mit kompakten und äußerst wirtschaftlich erscheinenden Baukörpern werden wichtige und richtige Akzente gesetzt, die maximale Flexibilität bei der Bildung von Bauabschnitten erlauben. Die Großzügigkeit des Campus als Herz des Areals kann hierbei besonders überzeugen.
Präsentationsplan 01, Phase 2

Präsentationsplan 01, Phase 2

Präsentationsplan 02, Phase 2

Präsentationsplan 02, Phase 2

Präsentationsplan 03, Phase 2

Präsentationsplan 03, Phase 2