Nichtoffener Wettbewerb | 11/2024
Campuserweiterung Hochschule Kempten (6. BA)
©Grauwald Studio
Blick vom Campusband auf alle drei Baukörper
3. Preis
Preisgeld: 45.000 EUR
Architektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Dominic Geppert, Amelie Langkutsch, Anne Eschrich, Dominik Kratz
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Erläuterungstext
Städtebau und Intention
Der Campus der Hochschule liegt im Süden von Kempten, in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs, welcher den Campus überregional hervorragend anbindet. Der Standort zeichnet sich durch seine heterogene Bebauungsstruktur aus. Hier treffen Einfamilienhäuser, großflächige Industriebauten sowie die bestehenden Universitätsgebäude aufeinander und formen eine facettenreiche Umgebung, die unterschiedlichste architektonische Epochen widerspiegelt. Der Campus wird an verschiedenen Punkten durch die Bahnhofstraße erschlossen, ebenso wie über kleinere Wegeverbindungen aus dem westlich gelegenen Wohngebiet und den südlich liegenden Studentenwohnheimen. Eine besondere Herausforderung stellt das Wettbewerbsareal durch seine topografische Situation dar, mit einem Höhenunterschied von insgesamt 16 Metern zwischen der Bahnhofstraße und der Immenstädter Straße.
Das Universitätsgelände umfasst an diesem Standort etwa zehn Gebäude, die strukturell gewachsen sind und deren Zugänge schwerlich zu überblicken sind. Zudem fehlt dem Campus eine klare südliche Adressbildung. Das Profil der Hochschule Kempten erfordert einen zukunftsweisenden Entwurf, der insbesondere die Themen Vernetzung, Diversität und Integration berücksichtigt, gleichzeitig aber auch eine strukturierte und klare Gebäudekonzeption vorsieht. Dabei sollen die Grundprinzipien des ressourcenschonenden und nachhaltigen Bauens im Vordergrund stehen, um eine zukunftsorientierte Architektur von hoher gestalterischer Qualität zu schaffen.
Die zentralen Entwurfsprinzipien für die Neubauten umfassen daher eine prägnante städtebauliche Setzung, die Schaffung eines lebendigen Treffpunkts – einer neuen Campusmitte – sowie die Etablierung von Stadtbausteinen, die den vorhandenen Orten einen funktionalen und architektonischen Mehrwert bieten.
Der vorgeschlagene städtebauliche Entwurf sieht drei kompakte Baukörper vor, welche das Raumprogramm in funktional sinnvolle Einheiten gliedern, Adressen schaffen und den unterschiedlichen Identitäten angemessene räumliche Qualitäten zuweisen, um deren jeweilige Arbeitsweise optimal zu unterstützen. Die zentrale Intention eines barrierefreien, hochvernetzten Campus hat dabei stets oberste Priorität.
Das Grundkonzept der strukturellen Ordnung basiert auf dem Campusband, das sich vom nördlichen Eingang der Universität bis zum südlichen Eingang, nahe dem Kemptener Bahnhof, erstreckt und das neue Rückgrat der Hochschule bildet. Hier laufen alle Funktionen zusammen und von diesem Punkt aus werden alle Gebäude erschlossen. Aktuell führen kleine Wegeverbindungen aus östlicher und westlicher Richtung zum Campusband. Diese feine Gliederung der räumlichen Vernetzung wird aufgegriffen und durch zusätzliche Verbindungen gestärkt. Der neue zentrale Anlaufpunkt wird das neue Hörsaal- und Seminargebäude, welches durch zugehörige Büros (Hochschulverwaltung und Kempten Business School) in den Obergeschossen ergänzt wird. Die Platzierung dieses solitären Baukörpers direkt an der Bahnhofstraße markiert den neuen Auftakt zum Campus und zum Campusband. Der Baukörper positioniert sich mittig zwischen den Bestandsgebäuden und wertet das umliegende Areal auf. Somit empfängt er Studierende, Mitarbeitende und BesucherInnen mit einer angemessenen Ankunftssituation, die zum Verweilen einlädt. Das Hörsaal- und Seminargebäude wird durch zwei prägnante erdgeschossige Auskragungen akzentuiert. Auf der Ostseite (Bahnhofstraße) und der Westseite (Campus) werden so adäquate Adressen geschaffen, die Eingänge werden deutlich hervorgehoben und die Hochschule erhält einen prägnanten Auftakt. Das Gebäude vernetzt den Campus mit der umliegenden städtebaulichen Situation und verleiht der Hochschule Identität.
Der zweite Baukörper beherbergt die Fakultät Elektrotechnik, die Fakultät für Forschung und Entwicklung, sowie das Bayerische Zentrum für Pflege Digital. Der Baustein verbindet die drei verschiedenen Niveaus des Campus miteinander. Er gewährleistet somit eine barrierefreie Erschließung von der Immenstädter Straße bis hin zur Bahnhofstraße und bindet dadurch die Erweiterungsfläche im Westen (etwa 6.000 Quadratmeter) barrierefrei an den Campusplatz an, wodurch die Hochschule Kempten auf alle künftigen Entwicklungen vorbereitet wird. Der Baukörper ist mit seinem Haupteingang am zentralen Campusplatz (705,0 m ü. NN) angesiedelt. Der Zugang zum mittleren (711,0 m ü. NN) und zum oberen Plateau (717,0 m ü. NN) wird barrierefrei über die Erschließung innerhalb des zweiten Bausteins sichergestellt. Außenliegende Treppen ergänzen die Anbindung.
Der dritte Baukörper, der sich auf dem mittleren Plateau (711,0 m ü. NN) befindet, komplettiert den Dreiklang. Der eingeschossige, quadratische Pavillon beherbergt den Kindergarten und verortet sich sinnvollerweise in unmittelbarer Nähe zur Fakultät für Gleichstellung und Familie. Leicht erhaben, mit einem eigenen zugeordneten Freibereich findet dieser sensible Baustein einen angemessenen und zentralen Platz auf dem Campus.
Landschaftsarchitektonische Konzeption
Landschaftsarchitektonische Konzeption
Im Zuge der Neustrukturierung der städtebaulichen Ausrichtung wurden die Konzepte für Fußgänger, Radfahrer, die Anlieferung und den motorisierten Individualverkehr von Grund auf neu gedacht. Die gegenwärtige Situation vermischt die verschiedenen Verkehrswege der einzelnen Mobilitätsgruppen, was durch deren permanente Kreuzung ein erhebliches Konfliktpotenzial erzeugt. Die Neuordnung verfolgt eine konsequente Trennung der unterschiedlichen Verkehrsströme. Das neu gestaltete Campusband wird daher vollständig vom motorisierten Individualverkehr freigehalten und ist ausschließlich FußgängerInnen und dem Radverkehr vorbehalten. Lediglich die Anlieferung einzelner Institutsgebäude wird in diesem Bereich ermöglicht.
Der Freiraum der neuen Campuserweiterung verteilt sich auf drei miteinander verbundenen Ebenen. Auf der oberen Ebene entsteht ein Wäldchen angrenzend an das Studierendenwohnheim, sowie ein temporärer Raum aus geschwungenen Pfaden, biodiversen Blühinseln und Pioniergehölzen. Diese flexible Fläche von circa 5.500 Quadratmetern kann im Bedarfsfall für zukünftige Erweiterungen bereitgestellt werden. Über die begrünte Dachfläche des Laborgebäudes, die gleichzeitig als erweiterter Aufenthaltsort dient, erreichen Besucher und Studierende den Gebäudehaupteingang von Westen. Über Treppen gelangt man zu Fuß auf die mittlere und untere Ebene der neuen Campusfläche.
Zentral im Bearbeitungsgebiet erstreckt sich das neue „Campus-Band“ und gibt der Erweiterung eine eigene Identität und schließt gleichzeitig an das bestehende Campusgefüge an. Der durchlässige Freiraum zwischen Bestand und Neubauten führt von der Fakultät Maschinenbau im Norden am Hörsaalgebäude entlang und über eine Stufenanlage hin zur zweiten Ebene, wo sich der Zugang des Kindergartens befindet.
Mit kleinteiligen Lern- und Aktivitätszonen unter dem Schatten der Baumkronen lädt das Campus-Band zum Verweilen, Begegnen, Tischtennis spielen und gemeinsamen Arbeiten im Freien ein. Mit einer hellen wassergebundenen Wegedecke ist die Fläche versickerungsfähig und wird durch Pflanzinseln strukturiert und attraktiv begrünt.
Die topografischen Bedingungen vor Ort werden genutzt, um das Hörsaalgebäude mit einer umlaufenden Sitzstufenanlage einzufassen und hervorzuheben. Diese Stufen, die sowohl nach Osten als auch nach Westen in den Hang eingebettet sind, schaffen zusätzliche Sitzgelegenheiten und Aufenthaltsräume für Studierende und werden mit mehrstämmigen Gehölzen und Pflanzinseln begrünt. Nach Norden sind die Sitzstufen kompakt ausgebildet, um einen großzügigen Freibereich für die Cafeteria des neuen Hörsaalgebäudes zu schaffen.
Über die Alfred-Kunz-Straße wird zukünftig die Anlieferung organisiert. Hier befindet sich die Durchfahrt zum bestehenden Parkplatz im Süden und die neue Einfahrt in die Tiefgarage. Der gesamte Campus wird zu einer verkehrsberuhigten Zone. Zudem wird für Fußgänger und Radfahrer durch diese Straße eine direkte Anbindung an den Grüngürtel im Westen geschaffen. Die Haupteingänge des Hörsaalgebäudes und des Laborgebäudes sind hier ausgehend von der Bahnhofstraße barrierefrei und mit dem Fahrrad zu erreichen.
Beurteilung durch das Preisgericht
Das städtebauliche Konzept entwickelt den vorhandenen Campusgedanken in konsequenter Weise fort und schafft mit drei kompakten Baukörpern eine überzeugende Verlängerung dieses Campusbandes als „Rückgrat“ der HAW in Nord-Süd-Richtung. Mit vielfältigen Verbindungen in Ost-West-Richtung wird das Hochschulgelände optimal vernetzt. Diese städtebauliche Ausformulierung findet ihre konsequente Ergänzung in einer landschaftlich ausformulierten Campusachse mit Aufenthaltswert. Durch eine Treppenanlage und räumliche Einengung gelingt auch eine subtile und doch klare Anbindung in Richtung Bahnhof. Der Hangwald westlich des Kerncampus wird in einer großzügigen Fuge zwischen späterer Erweiterungsfläche und Neubau fortgeführt und in einem sinnfälligen Ringschluss mit der grünen Magistrale verbunden.
Mit dem neuen Hörsaal- und Seminargebäude wird der Stadtraum an der Bahnhofstraße geschlossen und gleich zeitig eine bisher fehlende, auffindbare und repräsentative Eingangsadresse für die Hochschule unmittelbar an der Bahnhofstraße geschaffen. Das südwestlich angeordnete Laborgebäude verbindet als vertikales Gelenk alle drei Niveaus miteinander und schafft so in unkomplizierter Weise eine barrierefreie Anbindung aller Ebenen mit sehr guter Orientierung. Dem Inhalt angemessen wird der Kindergarten als dritter Baukörper in einem eingeschossigen Pavillon abgebildet und komplettiert den Raum auf der mittleren Ebene.
Die innere Erschließung der Baukörper zeichnet sich durch klare Strukturen, gute Orientierbarkeit und ausreichend dimensionierte und attraktive Verkehrsflächen aus. Allerdings erscheint die Zufahrt zu den Laboren zu einem nicht ausreichend dimensionierten Innenhof und insbesondere zu den Laboren auf der Ostseite über das Gelände der Denkfabrik ausgesprochen problematisch.
Die klare Grundstruktur der Gebäude findet sich in sympathischer Weise auch in den Fassaden wieder und lässt in der weiteren Durcharbeitung ein ansprechendes Erscheinungsbild erwarten.
Das Raumprogramm ist erfüllt. Die Büros von Maschinenbau und BZPD sind nicht zusammenhängend untergebracht. Die Lage der Business School im 4. OG wird kritisch gesehen, ist aber einem Treppenhaus mit separatem Eingang zugeordnet. Die vorgesehene ebene Erweiterungsfläche an der Immenstädter Straße ist ausreichend bemessen, vom unterhalb gelegenen Campus aus bereits barrierefrei erschlossen und bietet gute Voraussetzungen für einen weiteren Bauabschnitt.
Die auf dem bestehenden Parkplatz an der Bahnhofstraße durch den Neubau entfallenden Stellplätze sind nicht mehr nachgewiesen. So fehlen zunächst 134 Stellplätze, die aber sowohl ober- als unterirdisch noch geschaffen werden könnten. Insgesamt berücksichtigt die Arbeit die Prinzipien des nachhaltigen Bauens beispielhaft. Die Planungskennwerte des Beitrages – Kompaktheit, Energiebedarf, Eigen-Strombedarfsdeckung und Energiekosten – liegen im Vergleich zum Wettbewerbsmittel im günstigen Bereich. Hierzu trägt auch die in den Brüstungsbereichen gestalterisch ein gebundene Fassaden-Photovoltaik bei. Die Tageslichtversorgung ermöglicht grundsätzlich förderliche Arbeitsplatz und Lernumfeldbedingungen. Die Baukörper- bzw. Raumtiefen sind moderat ausgebildet und die Lichthöfe funktional. Auch die Erschließungszonen sind überwiegend an die Fassaden angebunden und lassen sich gut natürlich belichten und belüften. Der außenliegende textile Sonnenschutz ist ausreichend wirksam. Zusätzlich verbessern passive Maßnahmen in Form von offenen Speichermassen sowie der Nachtluftkühlung das Raumklimas im Sommer. In Kombination der günstigen energetischen Merkmale und der Holz-Hybridbauweise resultiert in Summe eine vorteilhafte Ökobilanz.
Insgesamt kann die Arbeit mit ihrer klaren städtebaulichen Setzung und der Schaffung eines baulich gefassten Gesamtcampus überzeugen, die jedoch auch strukturelle Defizite in der Laborerschließung mit sich bringt. Der Gebäudeauftritt, die
Funktionszuordnung, Orientierung und Erschließungshierarchie überzeugen und stellen einen wertvollen Lösungsbeitrag dar.
©CODE UNIQUE Architekten GmbH und RSP Freiraum GmbH
Lageplan
©Grauwald Studio
Blick aus dem Laborbereich in den Werkhof