Die wilden Wiesen im Prinz-Eugen-Park
Erhalten und Weiterentwickeln
Nach der Beräumung entstand auf dem Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne ein Stadtquartier für fast 4000 Menschen mit einer Gesamtfläche von ca. 30 ha. Der Prinz-Eugen-Park umfasst hiervon nahezu ein Drittel. Bis heute bestimmt der wunderschöne Altbaumbestand der nahezu 3000 erhaltenen Bäume im Zusammenspiel mit der naturnahen, weitläufigen Wiesenlandschaft und den Spuren der militärischen Vornutzung das Quartier. Diese vorgefundenen, ortsspezifischen Charakteristiken wurden bewusst als außerordentliche Freiraumpotentiale herausgearbeitet und prägen das Leitbild der übergeordneten Gestaltidee: „MAKE DO WITH NOW!“
Zukunft mit Vergangenheit
Konzeptionell werden die spezifischen Vegetationstypologien in ihrer Eigenart geschärft. Der Park gliedert sich demnach in klar definierte, thematische Teilbereiche, die jeder für sich eine starke Eigenatmosphäre entwickeln. Mit dem Nord-, dem Süd-, dem Ostflügel, den verbindenden Grünfugen und dem zentralen Angerhain werden Orte geschaffen, die von der Vergangenheit zeugen und zugleich in die Zukunft weisen.
Der Nordflügel
Bestimmendes Element sind hier die langgestreckten Baumhallen, ein Relikt des ungezähmten Wachstums der Hainbuchenhecken aus der Kasernenhistorie. Diese prägenden Vegetationsstrukturen werden in gleichem Duktus ergänzt und räumlich erweitert, so dass ihr dichtes, tunnelartiges Blätterdach langfristig ausreichend Schatten für Parkwege und die daran angegliederten, extensiven Spielinseln bieten kann.
Der Ostflügel
Die weitschweifende, offene Bläulings Wiese bewahrt die Großzügigkeit dieses besonderen Ortes. Das dort im nördlichen Bereich vorgefundene Trockenbiotop wird geschützt und auf den gesamten Ostflügel als Biotopentwicklungsfläche entsprechend den Zielsetzungen des Artenschutzes ausgedehnt. Zusammenhängende, extensive Kiesbrachen gewährleisten das notwendige Nahrungsangebot für die kartierte Grünspecht-Population. Besonnte Kiesböschungen bieten wichtigen Lebensraum für Wildbienen. Pfade und wenige Holzdecks respektieren den natürlichen Charakter und ermöglichen dennoch die Beobachtung der einzigartigen Fauna und Flora in diesem Parkabschnitt.
Der Südflügel
Eine bestehende, gegenüber dem restlichen Quartier plateauartige Erhöhung von ca. 1,0-1,5m markiert den Bereich der Sportterrassen. Die Aktivfelder für sämtliche Altersgruppen werden in diese Topographie intarsienartig eingetieft und von präzisen Rasenböschungen oder Wiesenwällen zur Lärmabschirmung gefasst. Auf dem oberen Niveau wird das Leitbild der vorgefundenen Wiesenwildnis mit wenigen großen Solitäreichen langfristig etabliert. Ausschließlich gemähte Rasenwege weisen zu den Sporteinrichtungen. Den räumlichen Abschluss zur Straße bildet eine erhöhte Liegelandschaft mit schönem Ausblick auf das Sportgeschehen. Mit Parkour, Calisthenics, einem Multifeld, einer Yoga-Wiese, einer kleinen Boulder-Welt und einem Boulodrome mit langem Picknicktisch werden mit den Sportterrassen vielfältige Aktivitätsangebote eröffnet.
Die Grünfugen
Die Obstbaumfugen sind die markanten Verbindungsräume zwischen den rahmengebenden Grünflügeln und der zentralen Mitte. Je Zwischenraum beschreibt eine spezielle Obstbaumart gepaart mit einem besonderen Farb- und Modellierungskonzept einen eigenen Gestaltduktus. Entlang der mäandrierenden Fugenwege werden gemähte Picknickinseln mit ausdrucksstarken Schattenbäumen in die weiche Topografie eingebettet. Die zweischürige, extensive Wiesenlandschaft ist auch in den Fugen bestimmendes Element, so dass die angestrebte naturhafte Ausprägung bis direkt an den Angerhain geführt werden kann.
Der Angerhain
Eine ehemalige Militärstrasse durchzog in diagonaler Richtung den heutigen Angerhain. Nach Rückbau des Straßenkörpers verblieb ein leicht abgesenktes Geländeniveau zurück, welches als langgestrecktes Wiesental einen weitläufigen Spielbereich mit zwei markanten Endpunkten definiert. Zur städtischen Seite ist dies ein intensiv gestalteter Wasserspielplatz mit bis zu 4,0m hohen Steinformationen, die überdimensionalen Isar-Kieseln nachempfunden sind. Das Pendant bildet die Biberburg, eine komplexe, riesenhafte bis zu 7,0m hohe von Innen und Außen bespielbare Holzskulptur. Der Angerloop, ein leicht erhöhter Rundweg respektiert in seinem Verlauf den an dieser Stelle besonders wertvollen Baumbestand und rahmt zugleich die zentrale Mitte. An den wichtigen Anknüpfungsstellen zum übergeordneten Wegenetz werden kleine trapezförmige Platzsituationen geschaffen. Diese erhalten jeweils ein markantes Sitzobjekt. Diese sogenannten „Boomerang-Bänke“ mit einer Länge von bis zu 12m zeichnen durch die abgewinkelte Formgebung exakt die Wegeführung nach und ermöglichen beidseitig schöne Ausblicke in die Parklandschaft. Monolithisch aus heimischem Douglasien-Wertholz hergestellt, leisten sie einen weiteren wichtigen nachhaltigen Impuls für die Parkgestaltung. Extensive Langgraswiesen bilden nach außen hin zu den Gebäuden einen grünen Puffer und schließen nahtlos an das naturhafte Fugengrün an. Das Wiesental erhält mit Ausnahme der Kräutersäume im Bereich der Bestandsbäume eine mehrfache jährliche Mahd, so dass die angestrebte multifunktionale Nutzbarkeit gewährleistet ist.
Ökologie und Nachhaltigkeit
Das Saatgut der wilden Wiesen wurde entsprechend der wechselnden Standortbedingungen und Bodenbeschaffenheit je Teilbereich eigens hergestellt. Abwechslungsreiche Pflanzenstrukturen und Blühaspekte verleihen der Parklandschaft über das Jahr hinweg einen einzigartigen Charakter und leisten zugleich einen wertvollen Beitrag für Diversität und Artenschutz. Sämtliches Bodenmaterial wurde direkt vor Ort für den Wiedereinbau aufbereitet und z.B. für Baumgruben und Oberbodeneinbau genutzt. Der Einbau überschüssigen Materials erfolgte baubegleitend durch Ausweisung flexibler Modellierungsbereiche im Südflügel und den Grünfugen. Anfallendes Regenwasser wird örtlich in Gänze versickert und dem Grundwasser zugeführt. Die abgesenkten Spielfelder der Sportterrassen sowie das zentrale Wiesental bilden darüber hinaus wichtige Retentionsräume für Starkregenereignisse.
Miteinander Wohnen - gemeinschaftlich Handeln
Der 2017 von der zukünftigen Bewohnerschaft unter dem Motto „aus dem Quartier für das Quartier" gegründete Arbeitskreis wurde 2019 in die GeQo eG - Genossenschaft für Quartiersorganisation überführt. Die GeQo eG war somit auch der geeignete Kooperationspartner für den Dialog im Planungsprozess der Parkanlage. Zunächst wurden in größerem Rahmen Informationsveranstaltungen und Beteiligungsprozesse initiiert, die in konkrete „Mitmach-Projekte“ mündeten. Beispielsweise wurde die Ausgestaltung der Sportflächen im Südflügel zusammen mit den Jugendlichen vor Ort entwickelt. Für die zahlreichen Obstbäume in den Fugen wird langfristig die Pflege und Ernte über Baumpatenschaften geregelt.
MAKE DO WITH NOW!
Insgesamt konnte durch den Rückbau der Militäreinrichtungen innerhalb der heutigen Parkflächen ein wichtiger Beitrag zur Entsiegelung des Geländes geleistet werden. Von den vorgefundenen ca. 3.000 Bestandsbäumen konnten mehr als 95% erhalten und in die Planung integriert werden. Fällungen erfolgten überwiegend aus Gründen der Verkehrssicherung, wobei hiervon zahlreiche sogenannte Torso-Bäume als wichtige Fauna-Habitate belassen wurden. Im Park wurden zusätzlich ca. 500 Baumneupflanzungen vorgenommen. Die extensiven Wiesen- und Biotopentwicklungsflächen umfassen mit ca. 60.000m² mehr als ein Drittel der Parkfläche.
MAKE DO WITH NOW! beschreibt eine prozesshafte Planungsmethodik, die aufbauend auf einer stark ortsbezogenen Entwurfskonzeption das Vorgefundene zum Kern der Gestaltung manifestiert und die identifizierten Qualitäten als örtliche Besonderheiten und Ausdruck einer unverwechselbaren Parklandschaft dauerhaft bewahrt.