Award / Auszeichnung | 02/2021
Deutscher Städtebaupreis 2020
©Hanns Joosten
Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt in Berlin-Kreuzberg
Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt
DEUTSCHER STÄDTEBAUPREIS 2020
bbzl - böhm benfer zahiri landschaften städtebau
Architektur
deadline office for architectural services
Architektur
ifau - Institut für angewandte Urbanistik
Stadtplanung / Städtebau
Architektur
Bauherren
Projektdaten
-
Gebäudetyp:
Städtebauliche Projekte
-
Projektgröße:
keine Angabe
-
Status:
Realisiert
-
Termine:
Fertigstellung: 01/2018
Projektbeschreibung
competitionline als Bauherr – die erste gewerbliche Baugruppe Deutschlands
Das Areal um den ehemaligen Blumengroßmarkt in der südlichen Berliner Friedrichstadt galt zu Mauerzeiten als Problemquartier. Nach der Wende siedelten sich hier Einzelhandel, temporäre Nutzungen, Galerien und soziale Initiativen an, das Areal blieb jedoch lange Zeit ein Stiefkind städtebaulicher Entwicklung.
Im Jahr 2014 wurde ebendieses Gebiet zu einem Meilenstein der Berliner Liegenschaftspolitik. Das Land Berlin vergab drei von sechs Baufeldern mittels Konzeptvergabe. Für das Grundstück zwischen Markthalle und Besselpark erhielten die Initiatoren von Frizz23 – Deadline Architekten und Forum Berufsbildung – den Zuschlag. Damit setzte sich ihr Vorschlag durch, kreatives Gewerbe, Bildung und temporäres Wohnen in einer gewerblichen Baugruppe zu vereinen.
Die competitionline Verlags GmbH, damals nur einen Steinwurf entfernt in der Charlottenstraße angesiedelt, schloss sich der Baugruppe an, die fortan in intensivem Austausch mit Bezirk, Senat und lokalen Akteur*innen die Ausgestaltung des Frizz23 vorantreiben sollte. competitionline – die führende Architektenplattform Deutschlands – war somit selbst zum Bauherrn geworden.
Nach insgesamt fünf Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit wurde im Jahr 2018 das Frizz23 fertiggestellt, in dem heute auch competitionline seinen Sitz hat. Das Projekt der ersten gewerblichen Baugruppe Deutschlands wurde mittlerweile mehrfach ausgezeichnet.
Beurteilung durch das Preisgericht
Mittelpunkt stellt und langfristig nachhaltige Entwicklungsstrategien im Quartier verfolgt. Das Projekt ist ein wichtiger Impulsgeber für eine positive soziale und wirtschaftliche
Entwicklung des innerstädtischen Bereichs, der sich zu Mauerzeiten in städtischer Randlage befand und als Problemquartier galt. Schon mit der IBA1987 hatte man versucht
Impulse zu setzen. 2009 erstellt das Berliner Büro bbzl für die große zentrale Brachfläche im Auftrag des Jüdischen Museums ein städtebauliches Konzept. Es sollte ausgelotet
werden, inwieweit sich die Erweiterungswünsche des Jüdischen Museums in eine umfassende Quartiersentwicklung integrieren lassen. Die Mitte des Areals bildet die ehemalige Blumengroßmarkthalle, die als Jüdische Akademie umgenutzt wurde, eingebunden in eine Sequenz aus öffentlichen Plätzen und Grünräumen. Aufgrund der Sicherheitsvorgaben ist der Bau eher introvertiert und korrespondiert nur sehr zurückhaltend mit dem öffentlichen Raum. Den Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz und den Besselpark gestaltete das Büro Rehwald Landschaftsarchitekten. Das Projekt ist in jeder Hinsicht durch ein hohes Maß an Komplexität gekennzeichnet, das alle Akteure herausforderte, ihre „Komfortzone“ zu verlassen. Konsens des gleichermaßen Top-Down und Bottom-Up getragenen Prozesses war es, ein Quartier zu realisieren, das einen städtebaulichen und sozialen Mehrwert für die Südliche Friedrichstadt darstellt. Die Vielzahl von Bauherren ist überwiegend durch Baugruppen, genossenschaftlich, sozial und kulturell geprägt.
Drei große, zentrale Baufelder wurden 2012 im Konzeptverfahren vergeben und 2019 fertiggestellt. Der Zuschlag erfolgte bei Abgabe eines Mindestpreises mit bestem Nutzungskonzept. Im anschließenden Qualifizierungsverfahren mit vier Workshops wurden die städtebaulichen, architektonischen und sozialen Wertigkeiten der Projekte weiterentwickelt. Eine Herausforderung war der Umgang mit den tiefen Baufeldern, der besondere Gebäudetypologien mit großen Qualitäten im Innen- und Außenraum hervorbrachte. Es entstanden selbstbewusste Architekturen mit individueller gestalterischer und inhaltlicher Programmatik, die den als sehr streng empfundenen Bebauungsplan zum Teil frei interpretierten. In einem Standortentwicklungsvertrag
wurde festgehalten, mit insgesamt 90.000 Euro Projekte in der Nachbarschaft zu unterstützen.
Den städtebaulichen Auftakt an der Friedrichstraße, angrenzend an den Besselpark, bildet der taz-Neubau. Drei weitere Bausteine sind besonders prägend: Das Integrative Bauprojekt IBeB der Selbstbaugenossenschaft Berlin eG und weiterer privater Bauherren und sozialer Träger ist eine beeindruckend intelligente Planung. Die Architekten ifau und
Heide & von Beckerath entwarfen einen breiten Wohnungsmix, Studios, Ateliers, Gewerberäume, geteilte Arbeitsräume, gemeinsame Werkbereiche und eine Sommerküche auf der Dachterrasse. Eine„rue intérieur“entfaltet besondere Qualitäten als Übergang zwischen Innen und Außen. Zur Lindenstraße tritt das Gebäude mit seiner Kubatur und hochwertigen Fassadengestaltung selbstbewusst in Erscheinung.
Das Projekt Frizz23 wurde als Baugruppenprojekt für Kreativgewerbe errichtet. Die Initiatoren betraten damit – mutig und sehr erfolgreich – Neuland, das Schule machen sollte. Deadline Architekten entwickelten ein markantes Gebäude, einen gemischt genutzten, gestaffelten Kubus mit vorbehandelter, verkohlter Holzfassade, begehbaren Gründächern und über 40 individuellen Grundrisslösungen. Die Nutzungen sind bemerkenswert breit gefächert: Wohn-Ateliers, Studios, Co-Working, Büros, Dienstleistung, Werkstätten, Seminarräume, Gastunterkünfte, Galerie, Eventflächen und
ein Café. Langfristige Standortsicherheit und die Integration gemeinnütziger Träger waren wichtige Leitlinien. Das Metropolenhaus der Architekten Benita Braun-Feldweg
und Matthias Muffert hatte das Ziel, durch ein Erdgeschoss mit sozio-kultureller Nutzung als Verknüpfungspunkt für die Nachbarschaft zu fungieren. Durch zwei zurückgesetzte Dachgeschosse tritt das siebengeschossige Gebäude zum Platz und der Jüdischen Akademie hin angenehm zurückhaltend in Erscheinung. Im Erdgeschoss befinden sich Läden, Gastronomie und nicht kommerzielle Projekträume, die durch die Wohnungen in den Obergeschossen querfinanziert wurden und durch die Kulturplattform „feld5“ kuratiert werden.
Das Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt ist ein hochkomplexes und intelligentes Projekt mit vielen spannenden und sehr engagierten Beteiligten, deren Motivation und
Ziel es ist, Stadt kooperativ und ko-kreativ weiterzuentwickeln. Das Projekt ist ein Impulsgeber für eine positive soziale und wirtschaftliche Entwicklung des sehr heterogen
geprägten über lange Jahre benachteiligten Gebiets. Es trägt durch seine Vielschichtigkeit, seine sozialen Qualitäten und Angebote zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der südlichen Friedrichstadt bei. Stadtverantwortung und Stadtreparatur vereinen sich par Exzellenz: Urbane Vielfalt, gemeinschaftliche Teilhabe, aktive Erdgeschossbereiche und eine höchst vielfältige Mischung aus Trägern, Nutzerinnen und Nutzern stehen für eine lebendige, sozial, kulturell und gemeinnützig orientierte Quartiersentwicklung. Das Projekt setzt damit Orientierung und Maßstäbe für die sozial orientierte, von vielfältigen Akteuren getragene Stadtentwicklung und ist im Sinne des Deutschen Städtebaupreises besonders beispielgebend.
©Werner Huthmacher
Quartier am ehemaligen Blumengroßmarkt in Berlin-Kreuzberg
©Hanns Joosten
Freiräume an der Akademie Jüdisches Museum Berlin und Besselpark / Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz // bbzl
©Hanns Joosten
Freiräume an der Akademie Jüdisches Museum Berlin und Besselpark / Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz // bbzl
©Hanns Joosten
Freiräume an der Akademie Jüdisches Museum Berlin und Besselpark / Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz // bbzl
©KOY + WINKEL www.koy-winkel.de
Frizz23 // deadline office for architectural services
©Werner Huthmacher
METROPOLENHAUS Am Jüdischen Museum // bfstudio-architekten
©Werner Huthmacher
METROPOLENHAUS Am Jüdischen Museum // bfstudio-architekten
©Andrew Alberts
IBeB – Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt // Heide & von Beckerath / ifau - Institut für angewandte Urbanistik
©Andrew Alberts
IBeB – Integratives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt // Heide & von Beckerath / ifau - Institut für angewandte Urbanistik
©Sebastian Wells
METROPOLENHAUS Am Jüdischen Museum // bfstudio-architekten
©Sebastian Wells
METROPOLENHAUS Am Jüdischen Museum // bfstudio-architekten
©Werner Huthmacher
METROPOLENHAUS Am Jüdischen Museum // bfstudio-architekten