Als die Großwohnsiedlung Weingarten Mitte der 1960er Jahre nach dem Leitbild der Moderne innerhalb kürzester Zeit errichtet wurde, fanden dort viele Menschen mit einem mittleren oder unteren Familieneinkommen ein neues Zuhause. Auf Grund der starken Wohnungsnachfrage wurde die ursprüngliche Planung mit einer ausgewogenen Mischung aus verdichteten Einfamilienhäusern und Geschosswohnungsbau zugunsten des geförderten Mietwohnungsbaus geändert. Dadurch entstand eine monostrukturierte Siedlung, die bereits 40 Jahre nach dem Bezug erhebliche substanzielle und strukturelle Defizite aufwies.
Anfang 2000 beschoss die Stadt Freiburg die vielfältigen Probleme ganzheitlich anzugehen und entwickelte gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort den Rahmenplan Weingarten-West. Ziel der Planungen war es, den Stadtteil zu stabilisieren, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen und ein ausgewogenes soziales Miteinander zu fördern. Die vier Leitsätze lauteten: „Wohnen für alle“, „soziale Infrastrukturen erweitern“, „Bildungsangebote ausbauen“ und „Wohnumfeld aufwerten“.
2006 wurde Weingarten-West in das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt aufgenommen. Mit einem enormen Einsatz der Stadtverwaltung und großem Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist es gelungen, dem Stadtteil ein völlig neues Gesicht zu verleihen. Mehrere Hochhäuser wurden saniert und als Passivhäuser aufgewertet. Es entstanden ansprechende Fassaden, attraktive barrierefreie Eingänge, großzügige private Freisitze und neue Grundrisse, die eine gute Durchmischung der einzelnen Häuser ermöglichen. Parallel wurden Wettbewerbe und Mehrfachbeauftragungen für neue Stadtbausteine ausgeschrieben.
Das Ergebnis lässt sich sehen. Das Adolf-Reichwein-Bildungszentrum mit Schule, Kita, Schulkindergarten und Ganztagsangebot stärkt das Zentrum des Quartiers und wird als die schönste Schule in Freiburg neidlos anerkannt. Die Evangelische Hochschule wurde sachgerecht saniert. Ein neues Studentenwohnheim direkt nebenan wurde als Provisorium während des Umbaus für Unterrichtsräume genutzt. Langsam ziehen die Studierenden in ihre Wohnungen ein und werden dort ihr Zuhause finden. Das neue, bereits prämierte Hörsaalgebäude ist städtebaulich gut gesetzt. Zusammen mit den sanierten Gemeinschaftsräumen und dem Kindergarten ist ein attraktiver räumlich gefasster Platzraum mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden.
Direkt neben der Straßenbahnhaltestelle wurde das verkümmerte Stadtteilzentrum durch mehrere Eingriffe aufgewertet. Dort steht jetzt ein achtgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus aus Holz. Es ist das erste zertifizierte Gebäude in Deutschland. Eingebunden in einen qualitätsvollen öffentlichen Raum leistet es einen großen Beitrag zur städtebaulichen Aufwertung und positiven Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Quartier. Auch das neue Wohn- und Geschäftshaus als Auftakt in das Quartier signalisiert in seiner Gestalt einen unverwechselbaren Ort.
Durch Nachverdichtung ist es gelungen, differenzierte Freiräume mit hoher Privatsphäre zu schaffen. Die AWO löste eine Herkulesaufgabe sehr klug. Auf einem Parkplatz wurde eine Wohnanlage neu gebaut. Hier konnten Mieterinnen und Mieter aus dem benachbarten sanierungsbedürftigen Gebäude einziehen. Anschließend wurde der Altbau aufgestockt und saniert. Es ist bemerkenswert, dass stets die Wohnqualität und sicheres Wohnen Vorrang hatten.
Eine Stadt oder ein Stadtteil ist nie fertig. Noch stehen viele Aufgaben bevor. Der Umgang mit dem Bestand und der Wille einen Stadtteil für alle zu fördern, ist in jeder Hinsicht überzeugend.