Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022
Dorfcampus Merzen – Neubau Grundschule und Dorf-/Jugendtreff
©studio blau sieben
Lageplan
1. Preis
Preisgeld: 21.000 EUR
brandenfels landscape + environment
Landschaftsarchitektur
Tragwerksplanung
Brandschutzplanung
Modellbau
Erläuterungstext
Das Wort Campus, aus dem Lateinischen übersetzt, bedeutet so viel wie „Feld“ und bezieht sich ursprünglich auf Universitätsgebäude, die in einem parkähnlichen Umfeld verortet sind. Daran angelehnt wird ein möglichst kompakter Gebäudekörper in den nördlichen Grundstücksteil platziert, sodass dieser in Richtung Süden ein möglichst großes Feld zwischen Sporthalle und Neubau aufspannt, das von einer parkähnlichen Gestaltung begleitet wird. Campus verstehen wir aber auch als Ort des Austauschs, der Kommunikation, als räumliches Gefüge, das zwischen öffentlicheren und geschlosseneren Situationen vermittelt. Das Gebäude selbst wird zu einer Art vertikalem Campus.
Der markante Baukörper wirkt signethaft in Richtung Hauptstraße und bildet eine sichtbare Adresse für den neuen Dorfcampus aus. Durch das Zurückversetzen von der Straße entsteht ein angemessener Vorplatz. Anknüpfend an das Ortszentrum mit der markanten Kirche führt ein attraktiver grüner Pfad bis zum neuen Gebäude. Der Campus wird räumlich durch die beiden Gebäudekanten von Sporthalle und Schulneubau sowie durch zwei landschaftliche weiche Kanten - die Böschung im Osten und der Sportplatz im Westen - gebildet. Es entsteht ein von der Hauptstraße getrennter sicherer Bereich.
Auf dem neuen Pausenhofgelände ist eine Vielzahl an Freiraumangeboten geplant. In Richtung des Sportgeländes befinden sich dabei angelehnt hieran Orte für Spiel und Bewegung, im Osten zur Böschung hin orientiert eher ruhige Orte, wie der Schulgarten und eine Freiklasse. Die der Schule zugehörigen Freiraumangebote können am Nachmittag von Externen mitgenutzt werden. Der Neubau setzt sich bewusst in die natürliche Topografie und macht diese über einen Geschossversatz erlebbar. Im Innenraum wird zwischen dem nördlichen oberen und dem südlichen unteren Zugang vermittelt und eine großzügige Verbindung mit direkten Blickbeziehungen durch das Gebäude geschaffen. Das Gebäude selbst kann als vertikaler Campus begriffen werden. Von unten nach oben entwickelt es sich von großzügigen öffentlicheren Zonen bishin zu den kleineren Einheiten der Cluster im Obergeschoss. Zahlreiche Blickbeziehungen über das mittige Atrium fördern eine kommunikative Lernkultur. Ein Innen- sowie ein Außenpatio ergänzen die Clustermitte um einen nah am Cluster gelegenen Pausenbereich. Um das neue Dorfzentrum so vielfältig wie möglich zu nutzen, sind zahlreiche Symbiosen der schulischen Bereiche mit öffentlichen Funktionen vorgesehen. So kann der große Bereich im Untergeschoss zum einen getrennt als Ganztags- und Mensabereich genutzt werden oder aber zusammengeschaltet werden zu einem großen Raum für Ausstellungen, Vorträge und vieles mehr. Die große Treppenlandschaft dient neben der Erschließung auch als Aufenthaltsraum und kann, ähnlich wie die Sitzstufen im Außenraum auch als eine kleine Bühnensituation dienen.
Die vier Cluster sind jeweils unter 400m2 groß und verfügen über mehrere Fluchtmöglichkeiten: eine von innen sowie von jedem Klassenzimmer aus direkt auf den umlaufenden Rettungsbalkon. Auf diese Weise kann die Idee der Lernhäuser auch auf Grundlage der derzeitigen Schulbaurichtlinie umgesetzt werden.
Der Sockel wird massiv interpretiert und trägt eine leichte Holzkonstruktion. Der rote Klinker, der inspiriert ist von der traditionellen Bauweise der Umgebung, wird auf eine frische Art und Weise kombiniert mit rot lasiertem Holz. Die Struktur basiert auf Stützen und ist offen für etwaige zukünftige Nutzungsänderungen. Trotz der geschossweise wechselnden Grundrisse ist im Entwurf ein Achsensystem integriert, welches einen durchgängigen Lastfluss ermöglicht und das Gebäude in klare Tragabschnitte gliedert. Hieraus ergibt sich im gesamten Gebäude eine weitgehend einachsige Lastabtragung. Aufgrund der bereichsweisen großen Spannweiten werden die Geschossdecken als Rippen- und Kastenelemente aus Brettsperrholz konzipiert.
Der umlaufende Balkon fungiert gleichzeitig als Sonnenschutz. Durch das Atrium ist eine Nachtauskühlung für den sommerlichen Wärmeschutz möglich.
Das kompakte Volumen verspricht eine ökonomische Ausführung und wird sich zudem langfristig positiv auf die Energiekostenbilanz auswirken.
Mitwirkende: Frederic Lilja, Marius Näf
Modell: HeGe Modellbau
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf zeichnet sich durch einen markanten, kompakten Solitärbaukörper aus, dieser zoniert das Grundstück durch seine Lage in zwei getrennte Eingangsbereiche. Die Anordnung der PKW-Stellplätze und Busparkplätze mit deren Vorfahrten sind für die Aufgabe angemessen und richtig gelöst.
Die Dimensionierung des nördlichen Schuleinganges mit Vorplatz und Foyer wirken ausgesprochen einladend und sind - der Aufgabe entsprechend – ebenfalls angemessen in Größe und Form proportioniert. Der Entwurf nimmt den topographischen Verlauf des Geländes im inneren und äußeren auf. Die stringente Wegeführung durchs Gebäude vom Nord- zum Südeingang macht den Geländeverlauf durch eine klar definierte Sichtachse erlebbar und bildet gleichzeitig eine sehr gute Orientierung mit attraktiven Innenbereichen. Die innere Gliederung ist sehr abwechslungsreich, von hoher Aufenthaltsqualität und bietet attraktive Begegnungszonen mit Sitzstufen, aufgeweiteten Flurbereichen und einem Innenhof im Obergeschoss.
Der Schulbereich und der Jugendbereich sind grundrissmäßig separiert und können unabhängig von Tag und Uhrzeit genutzt werden. Der Jugendtreff liegt günstig zu den multifunktionalen Bereichen. Die Werkräume mit sehr schönen Außenbereichen liegen an der Ostseite des Gebäudes und bilden einen introvertierten, ungestörten und maßstäblichen Werkhof zum Arbeiten. Allerdings wird kritisch angemerkt, dass der Textil- und Werkraum relativ weit zu den Klassenräumen angeordnet ist.
Alle schulischen Bereiche sind mit natürlichem Licht versorgt. Der Unterrichtsbereich ist in verschiedene Clustern gegliedert, auf einem Geschoss angeordnet bzw. organisiert, dies wird ausdrücklich aus Nutzer:innensicht begrüßt. Er lässt eine Vielzahl an Möblierungsalternativen zu und unterstützt verschiedene Lehr- und Lernkonzepte.
Das Gebäude besteht aus einem massiven Sockelgeschoß aus Mauerwerk und Stahlbetondecken mit einem zweigeschossigen aufgesetzten Holzbau mit Geschoßdecken aus Rippen- sowie Kassettenelementen aus Brettschichtholz. Die Gliederung der Fassaden ist wohlproportioniert und maßstäblich, einerseits in der Zweigeschossigkeit in Holz nach Norden hin zum Vorplatz mit Busvorfahrt und andererseits die 3-geschossige Ausführung mit einem Ziegelsockel zum Campusplatz hin. Die Ausbildung des Sockels wirkt allerdings inkonsequent und wird lebhaft diskutiert.
Das Gebäude ist barrierefrei geplant. Energetische Aspekte wie PV-Anlage und extensive Begrünung des Daches sowie sommerlicher Wärmeschutz durch Verschattung, sind von den Verfassern eingeplant. Die Kenndaten liegen im günstigen Bereich.
Auch bei Betrachtung der Außenanlagen und Freiräume kann der Entwurf überzeugen: Die Anordnung des Gebäudes im Norden des Baufelds trägt wesentlich zu einer markanten Adressbildung bei. Dies wird positiv bewertet. Die PKW- und Busverkehre sind richtig angeordnet und dimensioniert. Die dem Haupteingang vorgelagerten Grüninseln markieren geschickt den Übergang in den Haupteingangsbereich der Schule und tragen zu einer guten Orientierung bei. Dem westlich angeordneten Jugendhaus wird ein etwas tiefer liegender, gut proportionierter Außenbereich zugeordnet, mit positiver Wirkung auf die Nutzbarkeit. Als Pendant erhält der Werkraum an der Ostfassade ebenfalls einen richtig zugeordneten Freibereich. Der östlich gelegene Weg führt über eine barrierefreie Höhengestaltung in den südlich angeordneten großen Schulhof mit direkter Anbindung an das Sportgelände. Dies wird ebenfalls positiv bewertet. Bei der Gestaltung des Schulhofes gelingt es der Arbeit, mit einfachen Mitteln räumlich differenzierte Aktivitäts- und Aufenthaltsbereiche zu schaffen. Diese sowohl für die schulischen als auch die außerschulischen Nutzungen eher ruhigen Orte wie der Schulgarten und eine Freiklasse sind nachvollziehbar im südöstlichen Bereich des Schulhofes angeordnet. Insgesamt leistet die Freiraumgestaltung einen wesentlichen Beitrag, schulische und außerschulische Aktivitäten miteinander zu vernetzen und den Charakter des Dorfcampus Merzen zu stärken. Die Arbeit stellt einen sehr wertvollen Beitrag für den neu zu schaffenden Dorfcampus Merzen der Samtgemeinde Neuenkirchen bestehend aus der Grundschule und dem Jugendhaus in Kombination mit Sportplatz, Sporthalle und den Freiflächen dar.
©studio blau sieben
Ansicht Nord
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Grundriss Schulhofebene
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Grundriss Eingangsebene
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Grundriss Obergeschoss
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Schnitt A-A'
©studio blau sieben
Schnitt B-B'
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Fassadendetails
©studio blau sieben
Modellfoto
©HeGe Modellbau
©HeGe Modellbau
©HeGe Modellbau
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