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Mehrfachbeauftragung | 03/2023

Entwicklung Areal ehemaliges Kriegsspital Neu-Ulm

Außenperspektive

Außenperspektive

1. Rang

f64 Architekten

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

Erläuterungstext

Die Architektur – eine Einladung aussprechen
Die Leitidee der Planung ist in Einheit mit dem ehemaligen Kriegsspital ein eigenständiges, familienfreundliches und klar gegliedertes, urbanes Stadtquartier zu schaffen, das allen Bewohnern durch das zentral gelegene Grün großen Wohnwert bietet und gleichzeitig das Potential des Kriegsspitals nutzt, um ein hohes Maß an Identifikation mit dem Ort zu erzeugen.
Identische Gebäudehöhen verschmelzen Alt- und Neubau zu einer Einheit. Durch die Vernetzung entsteht bei aller visuellen und architektonischen Eigenständigkeit der Häuser eine selbstverständliche Symbiose aus modernen Gestaltungselementen und der Charakteristik des ausgehenden 19. Jahrhunderts in immer wiederkehrenden Motiven – vom gegliederten Fassadenaufbau über die großzügigen, gegenüberliegenden Eingänge bis zur durchgehenden Verwendung von rötlichem Klinker.
Der massiv gestaltete zweigeschossige Unterbau des Neubaus zitiert Elemente des modernen neuen Oberbaus am Kriegsspital. Fensteröffnungen werden in den Proportionen des Bestandes fortgeführt. Der geplante moderne scharfkantige Klinker an der Aufstockung bildet mit dem historischen Handschlagziegel eine moderate Verbindung zwischen Alt und Neu.
Der Oberbau des Neubaus kontrastiert als moderner Holzbau, mit seiner komplementären grünlichen, sägerauen Holzfassade gegenüber dem historischen rötlichen Ziegel. Das samtmatte Erscheinungsbild der grünlichen mineralische Silikatfarbe, die ökologisch und farbtonstabil ist, unterstreicht den natürlichen Charakter von Holz. Langlebige Fassaden mit natürlichen, regionalen und zirkulären Materialien in abgetönten Farben vermitteln Ruhe und Vertrautheit. Qualitäten, die sich im Inneren fortsetzen.

Gemeinsam im Grünen – Mensch und Natur wieder näherbringen
Wir bauen ein Quartier mit Herz. Ein Aspekt der städtebaulichen Leitidee ist die Schaffung von Rückzugsräumen im Inneren des Quartiers. Durch die Anordnung der Baukörper zueinander entsteht in der Mitte ein großzügiger Innenhof. Elemente des historischen ehemaligen Offiziersgartens am Kriegsspital werden aufgenommen und neu interpretiert. In dem so geschaffenen neuen Wohnhof mit ruhigen, nutzbaren Grünflächen und Gehölzpflanzungen entstehen als neuer sozialer Mittelpunkt ökologisch hochwertige Freiräume in innerstädtischer Lage. Eine Gartenanlage, in der die Gedanken zur Ruhe und die Ideen in Schwung kommen. Attraktiver Anziehungspunkt unter Bäumen ist eine Brunnenanlage am Schnittpunkt der Erschließungsachsen.
Gemeinschaftsterrassen auf dem Dach des fünfgeschossigen Gebäudeteils mit „Urban Gardening“ versorgen die Bewohner. Die Hände wieder mit Erde schmutzig machen, bei Gemüse nicht nur an die abgepackte Ware aus dem Supermarkt denken. Ein modernes Lebensgefühl, das aus dem Wunsch nach einem gesunden und nachhaltigen Leben entsteht. Grüne Retentionsdächer die Wasser speichern, produzieren ein angenehmes Mikroklima und Biodiversität.

Die Nutzungen – Vielfalt vereinen
Der gewünschte heterogene Nutzungsmix aus Gewerbe und Wohnen kann analog zum Kriegsspital durch seine Vielfalt gemeinschaftliches Miteinander stärken und für Belebung des Areals sorgen. Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind Büro- und Gewerbeflächen vorgesehen. Die offene Skelettbauweise ermöglicht flexible Größen und Zuschnitte. Im ersten Obergeschoss sind kleinere Einheiten denkbar. Nach Westen könnte in direkter Korrespondenz zum Bahnhof ein Ladenlokal ansässig werden.
Der Wohnungsmix variiert von kleinen Appartements und Wohngemeinschaften für Studenten bis Zwei, Drei- oder Vierzimmerwohnungen für Familien. Der Trend zum Homeoffice kann in den flexiblen kurz- und langfristig mietbaren Co-Working-Flächen erfüllt werden. Die Anordnung der Räume zielt auf ein neues Miteinander. Gemeinschaftliches, extrovertiertes Wohnen und Leben zum gemeinschaftlichen Wohnhof stärken Kommunikation und Interaktion der Gemeinschaft, introvertierte Bereiche, wie die bewusste Anordnung von Loggien statt Balkonen respektieren Privatheit und schaffen notwendige Rückzugsbereiche. Das verspricht ein großzügiges Raum- und Lebensgefühl.

Die Bauweise – offenes Skelett schafft Flexibilität und Nachhaltigkeit
Der Neubau soll wirtschaftlich, flexibel, aber auch nachhaltig sein. Wir haben uns aufgrund der Nutzungsvielfalt konzeptionell für einen offenen Skelettbau in Mischbauweise entschieden. Ein gleichmäßiges Stützenraster ermöglicht flexible Grundrisszuschnitte unterschiedlicher Größen- und Nutzungsanforderungen, sowie spätere Umnutzungen.
Wir bauen wirtschaftlich und ressourcenschonend. Deshalb schlagen wir eine hybride Konstruktion mit Holz im Verbundbau vor.
Entsprechend der horizontalen Schichtung des Gebäudes ist auch das Tragwerk gegliedert in einen massiven Unterbau und einen leichten Oberbau.
Die Bauweise hat sich bewährt, da hohe Anforderungen an Brand-, Schall- und Schwingungsschutz durch den gezielten und reduzierten Einsatz des Werkstoffs Beton einfach erzielt werden können. Gleichzeitig bleiben die Vorteile der modernen Holzbauweise erhalten. Ohne zusätzliche brandschutztechnische Verkleidung können die Holzdeckenelemente atmosphärisch in die Innenraumgestaltung einbezogen werden. Zudem kann in einem hohen Maß mit Halb- und Vollfertigteilen geplant werden, wodurch sich die Bauzeit erheblich reduziert. Der Einsatz von RC-Betonen sowie klinkerarmen Zementen (z.B. CEM III) sind zusätzliche Möglichkeiten, die graue Energie der Tragstruktur zu optimieren. Es ist das Gebot der Stunde, den Energieverbrauch sowie die Kohlendioxidemissionen von Gebäuden zu reduzieren. Das Ergebnis ist ein Gebäude, das über materielle Grenzen hinaus sinnvoll ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich entspricht die Arbeit den Gedanken des Bebauungsplans vollumfänglich, mit einem im Grundriss leicht abgeknickten Riegel, der einen Höhenversatz von drei Geschossen aufweist. In der Umsetzung in einen konkreten Gebäudeentwurf zeigt sich, dass diese Vorgabe in der Praxis tragfähig ist und ein passendes Gegenüber für das historische Kriegsspital schaffen kann. Auch für den Stadtraum ist damit ein positiver Beitrag zu erwarten. Somit kann die vorgeschlagene städtebauliche Grundfigur als passend und überzeugend betrachtet werden. Für den Hof ergibt sich dadurch eine angenehme räumliche Fassung, die Aufenthaltsqualität möglich macht. Zudem bietet der geschlossene Riegel den besten Schallschutz sowohl für die nach Süden orientierten Wohnungen als auch für das Kriegsspital und den Freibereich im Hof. Positiv bewertet wird die gegliederte Grüngestaltung, die allerdings noch einen zentralen Aufenthaltsbereich und Treffpunkt für die Bewohner vermissen lässt.

Die Baumasse des Gebäudes wird horizontal gegliedert durch eine monolithisch gestaltete Sockelzone für die beiden Gewerbeetagen und die darüber liegenden Wohngeschosse. Diese sind in ihrer Typologie deutlich ablesbar durch eine gut gegliederte und trotz ihrer Rasterung lebendig wirkende Fassade. Während der Sockel wie die geplante Aufstockung des Kriegsspitals mit einem scharf geschnittenen, „modernen“ Klinker ausgeführt werden soll, ist in den Wohngeschossen eine Ausfachung der Raster durch großformatige Verglasungen im Wechselspiel mit grün eingefärbten Holzelementen vorgesehen. Ein weiteres verbindendes Element zwischen Aufstockung und Gewerbesockel ist die ähnliche Dimensionierung der Fensteröffnungen. Es ist gut vorstellbar, dass damit eine harmonische Gesamtwirkung des Ensembles erzielt werden kann.

Zu den vorgeschlagenen Nutzungen ist anzumerken, dass die zwei angebotenen Gewerbeetagen ausdrücklich zu begrüßen sind und durch die Möglichkeiten zu individueller Unterteilung gut nutzbar sein dürften. Durch die an der Kopfseite zur Memminger Straße liegenden Gewerbeeinheiten ist eine attraktive Adressbildung, auch für das im rückwärtigen Bereich liegende Gewerbe zu erwarten. Ein einladender Zugang durch eine großzügige Treppenanlage ist gegeben.

Die Wohnungen sind konsequent zur ruhigen und besonnten Hofseite orientiert. Zur lauten und wenig besonnten Bahnseite orientiert liegen kleine Studentenapartments und als Coworking-Bereiche vorgeschlagene Einheiten. Dabei ist als Nachteil zu bewerten, dass innenliegende Flure und weitgehend nur einseitig orientierte Wohnungen entstehen. Positiv gewürdigt wird dabei, dass die Flure Aufweitungen und Möglichkeiten zur zumindest indirekten natürlichen Belichtung erhalten sollen. Es wird anerkannt, dass sich für zur Bahnseite liegende Nutzungen keine Alternative zur vorgeschlagenen Lösung aufdrängt. Dennoch ist in der weiteren Bearbeitung sorgfältig und kritisch zu überprüfen, inwieweit die Nutzung und Vermarktung der Coworking-Bereiche als praktikabel erscheint und welche technischen Lösungen und Konsequenzen sich für eine schalltechnisch konforme Lösung der Belüftung der Studierendenapartments ergeben. Der vorgeschlagene Dachgarten auf dem niedrigeren Gebäudeteil kann ein attraktives Angebot für die Bewohner darstellen. Zudem bietet sich über die Nutzung als Dachgarten die Möglichkeit einer Blickbeziehung auf das Baudenkmal Kriegsspital, welche die Gesamtsituation in besonderem Maß erlebbar macht. Jedoch ist die Aufenthaltsqualität hinsichtlich einem lärmintensiven Bahnverkehr zu überprüfen.

Das vom Verfasserteam vorgeschlagene Gebäude lässt in der Ausnutzung der Flächen eine wirtschaftliche Lösung für den Bauherrn erwarten.

Insgesamt besticht der Entwurf durch seine in Figuration und Materialität souverän vorgetragene Ensemblewirkung, die bis ins gestalterisch-technische Detail überzeugend nachgewiesen ist. Damit kann die Jury dem Bauherrn eine Umsetzung des vorliegenden Konzepts sowohl aus städtebaulicher, architektonisch-gestalterischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht empfehlen.
städtebaulicher Konzeptplan

städtebaulicher Konzeptplan

Lageplan

Lageplan

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Ansicht Osten

Ansicht Osten

Ansicht Nord

Ansicht Nord

Grundriss Regelgeschoss

Grundriss Regelgeschoss

Fassadenkonzept

Fassadenkonzept