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Mehrfachbeauftragung | 02/2023

Entwicklung des Rathausquartiers in Hückelhoven

Südansicht

Südansicht

1. Preis

kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH

Stadtplanung / Städtebau, Architektur

RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Walter+Reif Ingenieurgesellschaft mbH

Tragwerksplanung

HINSCHE Gastrowelt

Sonstige

Erläuterungstext

Bei einer Planung im Zentrum einer Stadt geht es immer wesentlich einerseits um die Qualität des öffentlichen Raumes, sprich die Aufenthaltsqualität für die Bürger, und andererseits um die Prägnanz der Architektur, um das Zeichenhafte, was den Ort unterscheidbar macht. Beides will der Entwurf verbinden: für Hückelhoven soll etwas Unverwechselbares entstehen Die Anforderungen sind vielfältig und die städtebauliche Lage komplex. Dennoch schlägt unser Entwurf eine ordnende Struktur vor, die mit dem Zentrum der „Markthalle“, die sich zum Park hin öffnet, ein selbstverständliches Zusammenspiel aller Funktionen ermöglicht. Anders als eine an der Straße aufgereihte Gastronomie soll die Foodmarkthalle einen „überdachten“ Platz darstellen, der wie vergleichbare Typologien in südlichen Ländern von umliegenden kleinen Küchen bedient wird. Die Menschen können wählen und sich dann in der Halle frei zusammenfinden. Die kulinarischen Möglichkeiten sind dadurch vielfältig, auch schnell austauschbar und sprechen ein junges Publikum und Familien an. Die Orientierung und der Ausblick zum Park sind viel mehr, als es je eine Einkaufspassage bieten kann. Es gibt zum einen die Möglichkeit von Außengastronomie und vor allem aktivieren der Blick und der Bezug zum Freiraum den wunderbaren Park, der aus seiner stiefmütterlichen Rolle herausgeholt wird. Die Markthalle ist Teil der Nord-Süd-Durchwegung des Grundstücks und soll niedrigschwellig alle Generationen einladen. Ohne Frage können auch hier Feste besonderer Art gefeiert werden, die Hückelhoven als Gemeinde begeht und damit ein stets interessantes Angebot an Menschen von nah und fern macht. Gemeinsam mit einem Gastronomieplaner ist das Konzept als wirtschaftlich tragfähig geprüft worden und in seiner Funktionalität durch die erdgeschossige rückwärtige Anlieferung, die zentral organisiert ist, auch stimmig. Alle WC-Einrichtungen sind ebenfalls für alle nutzbar und synergetisch optimiert.

Ratssaal
Unabhängig von dem Gastroangebot der Markthalle werden der Ratssaal, die Bibliothek und die Verwaltung vom Vorplatz erschlossen. Eine geschwungene Treppe führt ins 1. OG und den Vorraum für den zweigeschossigen Ratssaal, der sich zum Platz hin erkennbar gibt. Die Bibliothek ist so organisiert, dass sie den Ratssaal mit nutzen kann und einen Blick in die Markthalle ermöglicht. Beide Nutzungen interagieren, sind aber akustisch isoliert. Als eine besondere Attraktion der Bibliothek wird das Literaturcafé gelten, das von dem darunterliegenden Café über einen Speiseaufzug bedient werden kann (digitales Ordern nach Karte!). Hier sollen Zeitungen ausliegen, aber auch der Raum kann als Digitalhub genutzt werden.

Stadtverwaltung und Fraktionen
Im 3. OG sind einerseits die Verwaltungsräume erschlossen, andererseits zentral zum Park orientiert die Fraktionsräume. Es wird vorgeschlagen, eine offene neue Büroorganisation einzuführen, die sowohl für Bürgergespräche kleine Kojen bereithält, durch einen zentralen Empfang organisiert, als auch für interne Abstimmungen Rückzugsorte schafft. Eine Desksharing-Struktur könnte überlegt werden, da „leerstehende“ Büroräume in Einzelraumsystemen durch die neuen Arbeitszeitmöglichkeiten (Homeoffice) eigentlich überholt sind. Hier bedarf es einer zukünftigen gemeinsamen Einarbeitung eines Programms. Die baulichen Strukturen lassen diese Optionen zu.

Hotel + Skybar
Das Hotel wird vom Rathausplatz bzw. von hotelreservierten Stellplätzen im UG über einen Aufzug erschlossen. Der Empfang ist im 4. OG. Alle Zimmer sind auf einer Etage und haben beste Ausblicke! Eine wirtschaftliche Organisation ist aufgrund der kompakten Struktur sehr gut möglich. Spannend wird die Verbindung zur Skybar. Hier wird vorgeschlagen, dass der Hotelbetreiber auch die Skybar führt, da Frühstücksraum, Tagesrestaurant und Abendgastronomie weitere Synergien bereithalten. Aus unserer Sicht ist dies eine optimale Kombination, um vor allem eine Skybar nachhaltig attraktiv zu beleben. Ein Aufzug (vom Rathausplatz anfahrbar) kann Hotel und Skybar direkt beliefern.

Polizei und Gericht
Als erster unabhängiger Bauabschnitt werden die Räumlichkeiten für die Polizei und das Gericht untergebracht. Wichtig ist, dass dies nicht in beliebigen Büroräumen geschieht, sondern dass die Gebäude eine Eigenständigkeit und Gravitation (Würde) erhalten. Der 5-geschossige „Würfel“ kann dies leisten und erhält zudem einen eigenen Vorplatz (Lindenbaum), der auch den Auftakt für eine fußläufige Durchwegung des Quartiers darstellt. Polizei und Gericht sind baulich strikt getrennt und erhalten jeweils einen eigenen Zugang.

Anlieferung
Der wirtschaftliche Erfolg der Markthalle liegt wesentlich an einer gut funktionierenden Anlieferungszone. Diese ist ebenerdig von der Durchfahrt Polizeigebäude für LKW’s (7,5 t) gut erreichbar. Die PKW’s fahren weiter in der Wendelrampe zu der hocheffektiven Tiefgarage. Innerhalb der Tiefgarage können einzelne Zonen für Nutzergruppen markiert bzw. auch synergetisch genutzt werden.

Wohnen
Wohnen als ein zentraler Baustein im Raumprogramm wird im Wesentlichen von dem „Gerichtsplatz“ erschlossen. Die Treppenhäuser sind von der Markthalle unabhängig. Da das Wohnen ab dem 3. OG über der Markthalle (Arkadenhaus 1. OG) beginnt, kann auch von angemessenen „ruhigen“ Verhältnissen ausgegangen werden.

Architektursprache
Das Gebäude ist auf den ersten Blick anders als alles, was bislang in Hückelhoven, aber auch in den meisten Teilen Deutschlands gebaut wurde. Es will neu, es will besonders, es will etwas Spektakuläres sein: Eine Holzhybrid-Konstruktion mit einer Fachwerkstruktur der Fassade aus Holzleimbindern. Schaut man näher hin, gibt es eine Verbindung zu dem Wahrzeichen Hückelhoven: dem stählernen Fachwerk des Förderturms des Tagebaus. Eine Stahlstruktur steht für das industrielle Erbe Hückelhovens. Das Holzfachwerk des Neubaus steht für den Aufbruch in eine neue Zeit mit dem Anspruch nachhaltigen Bauens. Auf diese Weise ergibt sich ein spannender Dialog von Gestern und Morgen, was man von der Dachterrasse der Skybar erleben kann. Städtebaulich, architektonisch und auch durch den Nutzungsmix verspricht dieses Ensemble zu einer Ikone der Urbanität des Niederrheins zu werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept der großmaßstäblichen Gastronomie im „Urban Well“ stieß bei der Jury auf große Zustimmung. Auf die Kritik an der „Foodmarkthalle“ im ersten Entwurf hat ksg mit einer Erhöhung der Effizienz und Nutzungsfähigkeit reagiert und damit die Jury überzeugt. Die überdachte Piazza kann nun nicht nur ganzjährig genutzt werden, die Streetfood-Küchen wurden außerdem durch eine Vielfalt an anspruchsvollen Gastronomieküche ersetzt. Die Jury lobt das Pizza-Konzept als gastronomischen Magneten sowie die Öffnung der Gastroflächen zum östlich gelegenen Park.

Insgesamt wurde die typologische Struktur des „Urban Well“ seitens der Jury positiv gewertet. Die drei Fluchttreppenhäuser ermöglichen eine weitreichende Flexibilität in der Grundrissgestaltung und somit auch in der Nutzungsanordnung.

Durch die Reduzierung der Baumasse wirkt das Konzept insgesamt stimmiger und weniger massiv, verliert dadurch jedoch nicht seine architektonische Aussage aus dem Ursprungsentwurf. Auch die bereits im ersten Entwurf für gut befundene Holzhybridkonstruktion wurde weiterentwickelt und in entscheidenden Details konkretisiert bzw. plausibilisiert.

Die optimierte Anordnung in die drei Bausteine „Urban Well“, Polizei / Gericht / und ein Teil Wohnen sowie nur Wohnen wurden von der Jury für gut befunden.

Auch wenn ksg Architekten als deutlicher Sieger der Ideenwerkstatt hervorgehen, sind im weiteren Entwurfsprozess noch zahlreiche Punkte zu optimieren. Diese beziehen sich zum einen auf die Eingangssituation im nördlichen Teil des Quartiers sowie zur Markthalle, die noch einladender zu gestalten sind. Zum anderen wünscht sich die Jury weitere Entwurfsvarianten der Gebäude Polizei und Wohnen, welche im überarbeiteten Entwurf nicht ganz überzeugen konnten. Zudem ist im Weiteren Ausarbeitung der Freianlagenplanung, des Spielplatzes, des Parkbereichs sowie insgesamt der inklusiven Wegbeziehungen vorzunehmen. Weiter sollen die Grundrissausrichtung der Wohnbebauung, eine Repositionierung des Eiscafé Prada sowie die Nutzungsfähigkeit der Tiefgarage untersucht werden.

Wenngleich beide Entwürfe der Finalisten qualitativ gleichwertig sind, überzeugte vor allem das gastronomische Nutzungskonzept von ksg Architekten die Jury deutlich im Gesamtbild.
Lageplan

Lageplan

Piazza

Piazza

Ostansicht

Ostansicht

Polizei und Gericht

Polizei und Gericht

Foyer Ratssaal

Foyer Ratssaal

Rooftop Bar

Rooftop Bar

Grundrisse EG

Grundrisse EG