Nichtoffener Wettbewerb | 09/2022
Entwicklung Liegenschaft der Mainova-Zentrale zur Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsumfelder in Frankfurt am Main
©ATP architekten ingenieure
Neue Mainova Zentrale
2. Preis
Preisgeld: 12.500 EUR
Architektur, Stadtplanung / Städtebau
Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Die Mainova AG hat im März dieses Jahres einen öffentlichen Ideen-Wettbewerb zur Entwicklung eines Masterplans für das Gelände der Konzernzentrale in der Frankfurter Solmsstraße gestartet. Ziel war, kreative und innovative Entwicklungsideen für das circa 57.000 Quadratmeter große Areal zu erhalten.
Die eingereichten Entwürfe sind die Basis für mögliche Entwicklungsschritte der Liegenschaft in den kommenden Jahren.
Die eingereichten Entwürfe sind die Basis für mögliche Entwicklungsschritte der Liegenschaft in den kommenden Jahren.
Leitidee „Stadt in der Stadt“
Der Mainova Campus, zentral gelegen im Zentrum der City West von Frankfurt, formt ein identitätsstiftendes Quartiersensemble, das ganz natürlich Wohnen, Arbeiten und Leben miteinander verknüpft. Die verschiedenen Baukörper bilden durch ihre Proportionen und ihre Höhe eine Blockrandbebauung mit begrüntem Innenhof, welcher durch niedrigere Volumen gegliedert ist. Durch die Körnung des Städtebaus entstehen unterschiedliche Hofsituationen. Nahversorger, Gastronomiebetriebe, Offices und Wohnraum finden hier genauso Platz wie zahlreiche Sport- und Freizeitmöglichkeiten sowie ein vielfältiger Grünraum. Es entsteht eine Stadt in der Stadt, die ein lebendiges Miteinander fördert.
Konzept: Symbiose aus alt und neu
Die bestehenden Gebäude lassen die Entwicklung eines kommunikativen Campus nicht zu. Aus diesem Grund bleiben nur die Baukörper (A, B, C, D), die die Büro- und Managementflächen von Mainova umfassen, sowie der Zugang über die Solmsstraße erhalten.
Ein zentral positioniertes Office-Gebäude bildet die neue Adresse des Unternehmens. Durch die sichtbare Hybridbauweise, einem kommunikativen Atrium, der feingliedrig-elementierten Fassade aus Holz und der großzügigen Verglasung erzeugt der Neubau eine einladende Geste.
Die oberen Geschosse umfassen Büroflächen, während in den unteren Geschossen das Servicecenter, der Sportbereich, Ausstellungsflächen, Kantine und Cafeteria untergebracht sind. Das Ausbildungszentrum, Werkwohnungen für die Mainova-Mitarbeiter:innen sowie für duale Studierende und Azubis und die Kita sind im Bauteil B angesiedelt.
Neue Arbeitswelten
Auf rund 83.400 m² Fläche entsteht eine moderne Bürolandschaft, die auf flexibles, mobiles, kommunikatives und vernetztes Arbeiten ausgelegt ist. Das öffentlich zugängliche Erdgeschoss umfasst Gastronomie, Co-Working-Spaces, Konferenz- und Besprechungsbereiche. Die Regelgeschosse sind durch die geschickte Anordnung der Kerne, Balkone und Sanitärbereiche in 200- bis 400-m²-Einheiten flexibel aufteilbar. Großzügige Balkone auf allen Etagen, Dachterrassen mit Blick zum Park und Dachgärten bilden Rückzugs- und Verweilmöglichkeiten.
Familienfreundliches Wohnen
Durch die geschickte Grundrissstruktur entstehen hochwertige Wohnunten unterschiedlicher Größe: von Zweispännern über 3- bis hin zu 6-Zimmer-Appartements. Die Eingänge zu den Wohnhäusern befinden sich direkt an der Straße, sie sind hell und geradlinig. Das Erdgeschoss, ein robuster Sockel mit großzügigen Schaufensterfronten, beheimatet gewerbliche und gastronomische Flächen. Diese können flexibel zu kleineren oder größeren Einheiten zusammengefasst werden. Eine Kindertagesstätte befindet sich im Norden, ein Spielplätz im Süden mit einem grünen Innenhof als Vermittlungsraum.
Für Umwelt und Klima
Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft sind die wesentlichen Themen des Nachhaltigkeitskonzeptes, das höchsten ökonomischen, ökologischen und sozialen Parametern entspricht.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird einerseits der Energieverbrauch so gering wie möglich gehalten, andererseits die Energieeffizienz gesteigert und regenerative Energien (Solarthermie, Abwärme, Geothermie, Eisspeicher und Photovoltaik) genutzt.
Die Maßnahmen umfassen insbesondere:
- Eine deutliche Unterschreitung der emissionsbedingten Umweltwirkungen wie Global Warming Potential (GWP) und die Reduktion Primärenergiebedarfs durch Nutzung von Abwasser, die Installation eines Wasserspeicherst sowie die Aktivierung von Geothermie
- Verwendung von langlebigen und nachhaltigen Baumaterialien wie Holz und Lehm sowie eine konzeptionelle Trennung von Bauteilen mit unterschiedlicher Lebenserwartung
- Speicherung von Regewasser in Zisternen und Verwendung dieses zur Bewässerung der Grünanlagen
- Optimierung des Mikroklimas durch zahlreiche Grün- und Wasserflächen
Freianlagen
Die Freianlagen werden zum grünen und lebendigen Herzstück des Mainova Campus. Hier treffen nicht nur Mitarbeiter:innen in den Pausen aufeinander, sondern auch Bewohner:innen und Besucher:innen.
Zentraler Treffpunkt ist der großzügige und vielfältig begrünte Park um den denkmalgeschützten Wasserturm. Die Dachterrassen bieten einen abwechslungsreichen Aufenthaltsbereich – für Zusammenkünfte, für Urban Gardening und zum Verweilen. Die begrünten Innenhöfe der Bürogebäude können als Green Offices genutzt werden oder für Mittagspausen. Familien und Kindern steht ein großer Spielplatz zur Verfügung. Die KITA hat einen eigenen großen Außenbereich – für Spiele und zum Toben.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die grundlegende Idee des Entwurfes liegt in dem Vorschlag darin, den Blockrand konsequent zu schließen. Diese Haltung leuchtet unmittelbar ein, insbesondere auf der zum Bahndamm im Norden liegenden Seite des Areals. Zur Bahn hin wird damit ein Lärmpuffer geschaffen, was dem im Blockinneren liegenden Areal zu Gute kommen würde.
Diese Haltung führt allerdings auch zum Abriss des nördlichsten der vier Mainova Gebäude. Es stellt sich die Frage, ob nicht dieses Gebäude die Aufgabe auch in der bestehenden Form hätte erfüllen können. Der Blockrand ist am Birkenweg sehr knapp geschnitten. Es wird keine Aussage dazu getroffen, wie mit der an dieser Stelle abtauchenden Straße und den damit verbundenen Höhenunterschieden sowie den Eingängen der Häuser umgegangen werden könnte.
Die verbleibenden drei Bestandsgebäude der Mainova werden durch einen Neubau im Osten als neues Eingangsgebäude der Mainova und einen Neubau im Westen erweitert, der im Erdgeschoss Läden und Restaurants und darüber Werkswohnungen für Mitarbeitende der Mainova vorsieht. Dadurch entsteht eine Art Campus, der sich sinnvoll und überzeugend in Bezug auf die Sicherheitsanforderungen der Mainova vom übrigen Areal abgrenzen lässt.
Das Wohnareal bietet im Erdgeschoss Raum für eine Kita und Gastronomie, wobei bezweifelt werden darf, ob an diesem Ort hinter der bestehende Wohnbebauung eine solche Nutzung langfristig funktionieren könnte.
Der vorgeschlagene Verbrauchermarkt unter den Werkswohnungen bildet ein positives Element zur Belebung des Stadtteils. Leider öffnet er sich aufgrund der Lage der Tiefgaragenrampe nicht zur Solmstrasse. Positiv ist anzumerken, dass die Arbeit sich ernsthaft mit der großen Anzahl an Fahrradstellplätzen, insbesondere an dieser Stelle auseinandersetzt.
Auf der östlichen Seite der vorhandenen Mainova Gebäude schließt im Norden ein gut proportionierter, gewerblich genutzter Stadtbaustein das Areal ab. Mit 13 Geschossen handelt es ich um ein Hochhaus, was als städtebauliche Idee verständlich wirkt, allerdings wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt.
Zwei weitere Gebäude folgen dem Blockrand-Gedanken und umschließen einen Freiraum mit Spiel- und Sportfläche, der ein über das Quartier hinaus reichendes, multifunktionales Angebot unterbreitet. Hier findet auch das Denkmal Wasserturm einen würdigen Ort. Es werden großzügige Freiräume angeboten, die insbesondere die inneren Raumfolgen qualitätvoll abbilden. Die grüne Achse in Ost-West Richtung verbindet folgerichtig die halböffentlichen Freiräume der Wohngebäude, allerdings bleiben Anfang und Ende unklar. Letztlich ist die Frage ob die Freiräume es schaffen, als „Herzstück“ für soziale Begegnungen der Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen zu fungieren?
Kritisch sieht die Jury die Positionierung des acht geschossigen Baukörpers (Hochhaus!) an der Solmsstraße, der die Lücke zwischen dem Mainova Neubau und dem existierenden hohen Eckgebäude schließt.
Dieses Gebäude würde die Verlegung des im Boden liegenden Technikknotenpunktes erfordern und den gerade geschaffenen Park vor dem Neuen Mainova Gebäude für die Öffentlichkeit unsichtbar macht und versperren. Die Geste des Hochhauses im Norden erscheint dadurch noch fragwürdiger. Insgesamt überzeugt der Vorschlag durch seine grundsätzliche städtebauliche Idee und das gut organisierte Areal der Mainova mit Bestand und Neubau.
Wirklich schade ist, dass die Verfasser die grundsätzliche Idee der Blockrandschließung auch dort weiter verfolgen, wo ein wirklicher Mehrwert für den Stadtteil durch die Gewinnung eines kleinen Parks und ein angemessener Auftritt für die Mainova naheliegend gewesen wären.
Vielfältige äußere Anbindung für Fuß- und Radverkehr mit einer Konzentration von Radabstellplätzen an einer Ost-West-Achse, die auch dem Autoverkehr dient mit Anbindung an die neue Straße. Diese endet an der an der Zufahrt mit einer Wendeanlage und wird für Fuß- und Radverkehr weiter zum Birkenweg geführt. Autostellplätze ausschließlich in Tiefgaragen. Der Sicherheitsbereich wird schlaufenförmig erschlossen mit Kontrollen an Ein- und Ausfahrt.
©ATP architekten ingenieure
Öffentlicher Park
©ATP architekten ingenieure
Perspektive Solmsstraße
©Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten GmbH
Lageplan