THEORETIKUM - Der adaptive Campus
Entwurfsidee / Leitbild
Als Lückenschluss zwischen Universitätsklinikum im Norden und Biotechnologie-Campus im Süden ergänzt das THEORETIKUM den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts im Nord-Westen der Stadt. Das Entwicklungsgebiet wird dabei gleichzeitig stadträumlich eingebunden, funktional an den Forschungs- & Lehrbetrieb angeschlossen und landschaftlich integriert. Das vorgeschlagene Konzept versteht sich als schrittweise wachsender, lernender & reaktionsfähiger Campus, der Bestehendes integriert und Neues ganzheitlich betrachtet. Mit innovativen Forschungs- und Technologiezentren, attraktiven Lehr- und Lernangeboten sowie neuen Service- und Kommunikationsflächen werden Funktion gebündelt, Synergieeffekte genutzt und Potenzial für eine überregionale Strahlkraft geschaffen. Als adaptiver Campus ist das THEORETIKUM dabei zusammen mehr als seine einzelnen Cluster.
Städtebauliches Konzept
Die städtebauliche Struktur bildet sich aus dem Campus-Loop als adressgebendes Rückgrat, einer funktionellen Überlagerung der Cluster, Baufeldern mit adaptiven Entwicklungsmöglichkeiten und der Integration landschaftlicher Qualitäten. Gebäude mit eigenständigen Erscheinungen (alt – neu, klein – groß, flach – hoch, quadratisch – quaderförmig) fügen sich spielerisch aneinander und bilden gemeinsam mit der einheitlichen Freiraumgestaltung ein vielseitiges, zusammenhängendes Gesamtbild. Die zueinander verdrehten Baukörper schaffen interessante und überraschende Raumabfolgen und integrieren selbstverständlich Bestehendes (Gebäude, Gehölze, Wege) während der verschiedenen Ausbaustufen. Drei Bestandshochhäuser bleiben langfristig als weit sichtbares Ensemble erhalten und werden in die Campusentwicklung eingebunden.
Das Pandemiezentrum sitzt leicht zurückgesetzt und vermittelt gemeinsam mit dem Campus-Kiosk den Maßstabssprung vom Bestandshochhaus zur lockeren Wohnbebauung in der Umgebung. Das nördliche Entrée bildet ein Gegenspiel zum UKH und wird durch die Umgestaltung des Knotenpunkts visuell und funktionell miteinander verknüpft. Das südliche Entrée wird am Mobility-Hub mit aktivem Erdgeschoss ausgebildet. Die Technologie- und Forschungszentren werden als kompakte Bausteine mit Innen- oder Lichthöfen und Sockelgeschossen realisiert. Die aktive Mitte wird dabei durch das Service- und das Kommunikationszentrum am Schnittpunkt von der urbanen Nord-Süd- zur grünen Ost-West-Verbindung gebildet.
Freiraumkonzept
Die landschaftsarchitektonischen Setzungen umspielen die städtebaulichen Strukturen und verknüpft den Campus mit den angrenzenden Quartieren. Durch eine einheitliche Formensprache werden die Verbindung von Infrastruktur mit qualitätsvollen Aufenthaltsbereichen kombiniert. Die verzweigten Freiraum-Strukturen bilden eine vernetzende Campuslandschaft für zeitgenössische Ansprüche sowie vielfältige und flexible Nutzungen. Die zentrale Campus-Achse verbindet das gesamte Areal mit kurzen Wegen und bietet gleichzeitig Angebote zum Flanieren, sowie Außengastronomie und Aufenthaltsbereiche zur freien Aneignung. Die Wegeführung lädt zur Erkundung des Campus ein und es entstehen spannende Blickbeziehungen. Einzelne platzartige Aufweitungen lassen Treffpunkte, Verweilorte und Bereiche für Sport und Bewegung entstehen. Großzügig gestaltete Sitzelemente in Form von langen Bänken, sowie die Aufenthaltsbereiche am nördlichen Campus-Kiosk, zentralen Mensa-Platz sowie dem südlichen Mobility-Hub fügen sich in die übergeordnete Formsprache ein und lassen prägnante Orte entlang der zentralen Achse entstehen. Über zwei neue Wegeverbindungen, entlang der Kita und südlich der Mensa, öffnet sich der Campus behutsam zum östlichen Naturraum „Wilde Saale“.
Die Grünflächen entlang der Campus-Achse sind so situiert, dass geschützte und offene Bereiche einen spannenden Wechsel erzeugen und gleichzeitig die Funktionen der Gebäude ablesbar werden. Durch diese grünen Filter direkt am Gebäude werden dahinterliegende Räume geschützt oder die Gebäude werden bewusst freigestellt und öffnen sich zur zentralen Achse. Die Grünflächen verzahnen sich mit den befestigten Flächen und schaffen dadurch einen fließenden Übergang. Das starke, aber dennoch flexible Konzept der zentralen Campus-Achse lässt sich gut an mögliche Bauabschnittbildungen anpassen und auch in neu entstehenden Campusbereichen fortsetzen. Ein hohes Maß an Durchgrünung mit zahlreiche Baumsetzungen und die Integration von Bestandsbäumen, leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Abkühlung und Beschattung des Campus. Diese Durchgrünung setzt sich mittels Gründächern, Dachterrassen, Innenhöfen und vertikaler Begrünung auch an und auf den Gebäuden fort. Neben der Berücksichtigung mikroklimatischer Aspekte wird gleichzeitig auch die Stärkung des persönlichen Wohlbefindens gefördert. Durch die vorgeschlagenen Interventionen entstehen inspirierende Räume für Begegnungen und offene sowie kommunikative Strukturen für einen zukunftsweisenden, grünen Campus-Standort.
Mobilitätskonzept
Das Mobilitätskonzept fördert die Nutzung von klimafreundlicher Nahmobilität und ein menschzentriertes Mobilitätserlebnis, das weitestgehend von den funktionalen Verkehren abgekoppelt ist, sowie diese auf ein nötiges Maß reduziert. Der Campus-Loop als zentrales Element wird als Aufenthalts- und Begegnungsraum konzipiert, welcher sich vom klassischen Straßenraum löst. Möglichkeiten zur Ver- & Entsorgung sowie notwenige Erschließung können integriert werden. Auf dem Campus entsteht ein feinmaschiges Fuß- und Radwegenetz, dass unter Einbindung des Europa-Radwegs an der Wilden Saale und zum Heide-Campus (über Straßburger Weg) in alle Richtungen übergeordnet eingebunden ist. Neben einer zentralen Fahrradgarage im Mobility-Hub (ca. 400 m²) sind weitere Fahrradstellplätze dezentral an den Gebäuden vorgesehen. Am südwestlichen Eck des Wettbewerbsgebiets (Wolfgang-Langenbeck-Str.) wird ein Mobility-Hub in rückbaubarer/transformationsfähiger Struktur mit 450 Stellplätzen und ergänzenden Sharing-Angeboten und Gewerbeflächen im EG vorgesehen. Durch die weitestgehende Bündelung des ruhenden Verkehrs wird die weitere Belastung des Campus minimiert. Die Straße Weinberg wird verkehrsreduziert und kann zur Anlieferung des Servicezentrums genutzt werden. Im letzten Ausbauschritt können, sofern notwendig, im Untergeschoss des Forschungszentrum II bis zu 150 weitere Stellplätze errichtet werden, die ebenfalls von der Wolfgang-Langenbeck-Straße erschlossen werden können. Insgesamt können so die geforderten Stellplätze in einem reaktionsfähigem Mobilitätskonzept nachgewiesen werden.
Nutzungskonzept
Grundlage ist das in die drei Cluster aufgeteilte Nutzungsprogramm für die neue Campusentwicklung. Die Nutzungsbausteine sind auf angepasste Gebäude verteilt und nach ihren Anforderungen und Wechselwirkungen auf dem Campus zueinander angeordnet. Die Bündelung sich ergänzender Nutzungen schafft dabei vielfältige Synergien und fördert den Austausch von Ideen. Adaptive Gebäudegrundrisse ermöglichen dabei eine horizontale und vertikale Verteilung der vorgesehenen Module (LuL, TuP, Kom, Lab, …).
Das Pandemiezentrum bildet in räumlicher Nähe zum Klinikum den nördlichen Auftakt. Ergänzt wird das Entrée um den Campus-Kiosk, welcher einen informellen Austauschort (Café, Fahrrad-Werkstatt, Ausstellungsort) schafft und in das Gebiet vermittelt. Westlich des Campus-Loops schließen von Norden nach Süden das Forschungszentrum, das Technologiezentrum und der Mobility-Hub an. In der Mitte vom Campus gliedert sich das Kommunikationszentrum und das Servicezentrum ein, welches durch die integrierte Mensa, neuen Sportangeboten und weiteren Verwaltungsfunktionen zentraler Anlaufpunkt ist. Die Kita & Krippe sind nördlich ausgelagert und profitieren von der ruhigen Lage im Grünen. Das Forschungszentrum II bietet in zwei Gebäuden entlang der Wolfgang-Langenbeck-Str. Raum für weitere Labor-, Büro und Forschungseinrichtungen. Die neuen Nutzungen werden durch den Erhalt der drei Wohnhochhäuser ergänzt, welche den Campus über die reinen Betriebszeiten hinaus beleben. Ein Ansatz, der auf anderen Wissenschafts-Arealen in Deutschland aktiv vorangetrieben wird. Die Bestandsgebäude entlang des Weinbergwegs werden ebenfalls Erhalten und können langfristig integriert werden (bspw. Wohnen für (Gast-)Wissenschaftler:innen).
Entwicklungskonzept
Das vorgeschlagene Entwurfskonzept eignet sich in hohem Maße für eine schrittweise, an die Bedarfe und Zeithorizonte angepasste Campusentwicklung. Baufelder mit adaptiver Entwicklungsmöglichkeit und schrittweiser Bestandstransformation bilden dabei ein robustes und reaktionsfähiges Grundgerüst. Kurzfristig kann das Pandemieresilienzzentrum auf der Fläche des heutigen Hochhauses 1 umgesetzt und damit zeitgleich der nördliche Auftakt ausformuliert werden. Im zweiten Entwicklungsschritt stehen die, im neuen Mobility-Hub gebündelten, heutigen Stellplatzflächen westlich der Kurt-Mothes-Str. für eine Bebauung mit dem Forschungs- und Technologiezentrum zur Verfügung. Die Verlängerung des Campus-Loops bis zur Wolfgang-Langenbeck-Str. kann ebenfalls zu teilen erfolgen. Ohne große Eingriffe in den Bestand, kann zu diesem Zeitpunkt bereits die Hälfte der anvisierten BGF realisiert werden. Der 3. Bauabschnitt beginnt mit der Verlagerung der KITA und Krippe an den Weinberg, auf dessen Fläche anschließend das Servicezentrum inkl. Campus-Mitte errichtet werden kann. Durch die Auslagerung bleibt ein ununterbrochener Betrieb möglich. Mit Fertigstellung des Servicezentrums inkl. Mensa, kann das heutige Mensagebäude umgenutzt oder rückgebaut werden. Die Ost-West-Wegeverbindung ist bereits zu diesem Zeitpunkt implementiert. Abschließend kann im 4. Bauabschnitt das Kommunikations- und Forschungszentrum II entstehen und der Übergang zur Wilden Saale weiter qualifiziert werden.
Nachhaltigkeits- & Energiekonzept
Die Kompaktheit der Neubauten erzeugt ein gutes AV-Verhältnis und trägt mit einfachen, baulichen und technischen Lösungen zu einem geringen Energieverbrauch im Betrieb bei. Die Adaptivität der Gebäudestruktur stellt dabei eine Langlebigkeit der Gebäude sicher. Eine kreislaufgerechte Verwendung von wiederverwendbaren, emissionsarmen und trennfähigen Materialien unterstützt ein innovatives Nachhaltigkeitskonzept. Hierzu zählt auch der Erhalt von drei Wohnhochhäusern und der darin gespeicherten Grauen Energie. Durch ihre Randlage im Gebiet stehen sie der städtebaulichen und hochbaulichen Entwicklung des Campus nicht im Weg. Sie nutzen durch ihre Höhe außerdem die Grundfläche maximal effektiv aus und stellen bezahlbaren Wohnraum, der in dieser Form neu nicht erneut errichtet werden kann. Ein geringer Versiegelungsgrad auf dem Campus mit schattenspendenden Grünstrukturen und einer kaltluftdurchlässigen Gestaltung reduzieren die sommerlichen Wärmeeinträge. Die Dächer sind als Gründächer mit Retentionsfunktion sowie Photovoltaik vorgesehen. Das Wassermanagement funktioniert nach Schwammstadt- und Kaskadenprinzipien, bei dem das anfallende Regenwasser zunächst auf Gründächern abgepuffert und dann in den Campusfreiräumen zurückgehalten wird. Gesammeltes Regenwasser kann für die Bewässerung der Grünanlagen genutzt werden oder gezielt abgeleitet werden.