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4. Rang 6 / 6

Städtebaulich-landschaftsplanerisches Gutachterverfahren | 01/2025

Entwicklung Wohnquartier Nördlich Wimpfener Straße in Düsseldorf

visualisierung

visualisierung

4. Rang

Preisgeld: 7.700 EUR

steidle architekten, Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH

Stadtplanung / Städtebau

mahl gebhard konzepte

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Öffentlich bleibt öffentlich
"Kein anderes Eröffnungssystem bietet eine solche Vielfalt an Möglichkeiten wie die englische Eröffnung." – R. Schwarz
Bevor die „Benrather Rochade“ begann, war das Grundstück zwischen Münchner und Wimpfener Straße ein öffentlicher Ort, der tief in der Erinnerung der Menschen verankert ist. Hier wurde gelernt, gefeiert, Sport betrieben und Gemeinschaft gelebt – eine Bühne des städtischen Lebens. Gelerntes mag vergessen werden, doch die Bedeutung der Ereignisse bleibt.
Unser Entwurf trägt diesem kollektiven Gedächtnis Rechnung. Er hebt das Potenzial des Ortes hervor, auch in Zukunft ein Ort der Begegnung und des städtischen Lebens zu sein, ohne seine Rolle als Rückzugsort für das Wohnen zu verlieren.

Ein Quartier der Verbindungen
Die vier Haupterschließungen vernetzen das Quartier mit der Nachbarschaft und fördern Austausch und Begegnung. Grünräume, soziale Einrichtungen und Treffpunkte greifen ineinander. Inspiriert vom englischen Landschaftsgarten – insbesondere der „englischen Partie“ von Lenné an der Westseite des Benrather Schlosses – wird hier eine Offenheit geschaffen, die fließend zwischen öffentlich und privat vermittelt. Anders als die barocke Strenge bietet der Landschaftsgarten Raum für Vielfalt und Wachstum, ganz im Sinne eines lebendigen Quartiers.

Bäume als gebauter Raum
Der prächtige Baumbestand spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die alten Bäume wirken wie ein natürlicher Rahmen, vermitteln Kontinuität und Authentizität. Sie strukturieren öffentliche und private Spielflächen, bieten Schutz vor Sonne und Regen und schaffen ein Zuhause für die Natur. So werden sie zu einem Kernstück des Entwurfs – gebauter Raum im besten Sinne, der das Quartier bereichert und zur Verbindung von Mensch und Natur beiträgt.
Mit unserem Entwurf nehmen wir die Geschichte des Ortes auf, um eine Zukunft zu gestalten, die das öffentliche Leben fördert und gleichzeitig einen privaten Rückzugsort bietet.

Freiraumkonzept
Das neue Quartier stellt einen bedeutenden grünen Stadtbaustein dar, dessen Erhalt und Aufwertung aufgrund der umliegenden Industrie von großer Wichtigkeit ist. Der Wohnungsmix sorgt für eine vielfältige und lebendige Nachbarschaft. Ziel dieses Entwurfs ist es, eine nachhaltige, zeitgemäße und generationenübergreifende Lebensweise zu fördern, die sich durch eine ausgeprägte Begrünung und einen ganzheitlichen Ansatz auf landschaftlicher sowie lokaler Ebene auszeichnet.
Entlang der Hauptverbindungsachse in Ost-West-Richtung entstehen fünf Platzsituationen mit unterschiedlichen Identitäten. Die Quartierseingänge im Osten und Westen bilden die Foyers. Von Westen ausgehend erschließt sich der Mobilitäts-Hub mit Stationen für Leih-Lastenräder, Sharing und Fahrradreparatur.
In der Mitte befinden sich Treffpunkte für alle Generationen mit Cafés, Wasserelementen, offener Gestaltung und Kunst am Bau. Zwei Innenhöfe im nördlichen Zentrum dienen ebenfalls als Treffpunkte. Obstbäume, durchgehende Holzsitzelemente und überdachte Fahrradstellplätze schaffen Orientierung und laden zum Verweilen ein.
Zwei großzügige Spielflächen befinden sich nordöstlich und südwestlich des Zentrums. Die Spielfläche im Nordosten nutzt die Topografie mit Rutschen, Bouldermöglichkeiten und Tischtennisplatten. Die südwestliche Spielfläche ist für kleinere Kinder gestaltet und liegt nahe der neuen Kindertagesstätte.
Die Flächenaufteilung ist klar strukturiert und unterscheidet zwischen öffentlich gewidmeten und öffentlich zugänglichen Bereichen. Die öffentlich gewidmeten Flächen entlang der Hauptverbindung fördern Gemeinschaft. Erdgeschoss-Wohnungen haben private Gärten, und öffentlich zugängliche Bereiche befinden sich vor allem im nördlichen Quartiersteil.
Der Entwurf legt Wert auf Inklusion, mit barrierefreiem Zugang für Rollstühle und Kinderwagen. Bestehende Fußgänger- und Fahrradverbindungen bleiben erhalten und werden durch eine neue Querung der Hospitalstraße ergänzt. Die PKW-Zufahrt ist auf ein Minimum beschränkt, mit Ausnahmen für Feuerwehr und zwei Parkplätze nahe der Kita.
Ein wesentlicher Vorteil dieses Entwurfs liegt in seinem inneren Zusammenhalt, der auch bei einer phasenweisen Umsetzung des Projekts gewahrt bleibt: Jeder Bauabschnitt kann eigenständig realisiert werden und trägt gleichzeitig zur schrittweisen Vervollständigung des gesamten Quartiers bei.

Baumbestand, Ökologie und Klimaresilienz
Das Konzept legt besonderen Wert auf eine intensive Begrünung des Geländes, den Erhalt bestehender Vegetation und die Schaffung großzügiger öffentlicher und privater Grünflächen. Diese grüne Struktur, kombiniert mit der Anordnung der Gebäude, fungiert als effektive Lärmschutzwand und trägt zur Verbesserung der Lebensqualität bei.
Begrünte Dächer und Fassaden sowie naturbelassene Wege zwischen den Gebäuden integrieren die Architektur harmonisch in die Landschaft. Entlang der Grenzen des Gebiets sowie in den Höfen sind zahlreiche Retentionsräume (blaue Infrastruktur) geplant, die das Zentrum des Quartiers für Aktivitäten und Freizeitbereiche nutzbar machen. Diese Retentionsbereiche und Mulden werden durch Schilf- und Gräserpflanzungen in Kombination mit Gesteinen gestaltet, um eine Biotopfunktion zu gewährleisten.
Die Vegetation wird weitgehend erhalten, mit minimalen Entnahmen aufgrund mangelnder Vitalität oder notwendiger Gebäudeplatzierungen. Kompensationsmaßnahmen erfolgen durch großzügige Neupflanzungen.

Mobilität und ruhender Verkehr
Wandelbare Strukturen für die Zukunft
Der gesamte motorisierte Individualverkehr wird im westlichen sowie im südlichen Grundstücksbereich an dezentralen Stellen gebündelt, wodurch das Innere des Areals komplett autoverkehrsfrei bleibt. Im westlichen Bereich wird ein speziell entwickelter Gebäudetypus, das „Öffentliche Haus“, geschaffen. Hier bündeln sich alle Bewegungsarten: vom Parkieren der Autos über Mobilitätsangebote auf Leihbasis, großzügige Fahrradstellplätze, Werkstätten bis hin zu Treffpunkten wie einem kleinen Cafétreff und Einrichtungen der sozialen Infrastruktur.
Im oberen Bereich des Gebäudes ergänzen Wohnungen aller Typologien und ein differenziertes Freiraumangebot – unter Einbeziehung der Höhendifferenzen im Areal – diesen Stadtbaustein. Das „Öffentliche Haus“ wird damit zum zentralen Urbanitätsgenerator, den das Gesamtareal aus sozialen Gesichtspunkten benötigt. Der umliegende öffentliche Raum, die Nachbarschaft mit weiteren sozialen Einrichtungen sowie öffentlichkeitswirksame Erdgeschossnutzungen schaffen einen informellen Kommunikationsbereich, der für die Identitätsbildung der Gesamtanlage von großer Bedeutung ist.
Durch diese Schichtung und das reichhaltige Angebot an Mobilitätsmöglichkeiten kann langfristig auch das Mobilitätsverhalten der Bewohner verändert werden, sodass das Auto an Bedeutung verliert. Oberirdische Stellplätze können in Zukunft reduziert werden, um Platz für gemeinschaftliche Nutzungen, zusätzlichen Wohnraum, ein Gästehaus oder wohnungsnahe Arbeitsplätze zu schaffen.

Schall: Entspannt geschützt
Die leicht geknickte, geschlossene Bauform entlang der Münchner Straße nutzt die bestehende Baumstellung, um eine abwechslungsreiche „Schallwellenbrechung“ zu erzeugen. Diese Gestaltung vermeidet die Monotonie typischer Schallschutzbebauungen. Statt einer starren Barriere entsteht ein dynamisches Element, das den Schall effektiv lenkt und dabei die architektonische Qualität des Quartiers unterstreicht.
Durch die Verzahnung der nördlichen Gebäude entstehen kontrollierte Öffnungen, die das Mikroklima verbessern und das Quartier durchlässig und allseitig orientiert wirken lassen. Diese Freiräume schaffen eine wohltuende Balance zwischen Schutz und Offenheit, die funktional und ästhetisch überzeugt.

Intelligente Bauabschnitte statt aufwendiger technischer Lösungen
Zwischen den Bauabschnitten angeordnete Loggien übernehmen eine entscheidende Funktion: Sie schaffen privaten Außenraum für die Bewohner und verhindern zugleich, dass Schall ins Innere des Quartiers eindringt. Strategisch platziert, wirken die Loggien wie eine schallschützende Schicht, die Transparenz und Abschirmung verbindet.
Ihre filigrane Gestaltung verleiht den Loggien eine Leichtigkeit, die sich von massiveren Baukörpern abhebt. Diese Elemente bieten funktionalen Mehrwert und prägen gleichzeitig die architektonische Identität des Quartiers. Es entsteht ein Zusammenspiel von Schutz und Vernetzung, das das Quartier klar und elegant wirken lässt.
Im Zuge der Weiterentwicklung des Projekts gilt es abzuwägen, ob anstelle passiver Schallschutzmaßnahmen, wie schallgedämmter Lüftungseinrichtungen, die Punktbauten in spätere Bauphasen verschoben werden, in denen die nördliche Grundstücksseite eine stärkere Schallabschirmung erreicht.

Schallschutz nach Bauabschnitten
Schon in den ersten Bauabschnitten werden die Orientierungswerte für den allgemeinen Wohnbau (WA) eingehalten. Sollten punktuelle Überschreitungen auftreten, werden diese durch aktive und passive Schallschutzmaßnahmen gezielt behoben.
Aktiver Schallschutz umfasst gezielte Bepflanzungen oder schallabsorbierende Elemente, während passiver Schutz durch Fenster, Fassadenmaterialien und Raumorientierungen erfolgt. Die zur Münchner Straße orientierten Nordwände dienen primär der Erschließung oder der Unterbringung von Nicht-Aufenthaltsräumen wie Abstell- und Sanitärräumen. Für durchgesteckte Wohnräume bieten sie zusätzliche Belichtung, die das Wohlbefinden und die Wohnqualität steigert. Bereits in frühen Bauphasen entsteht so ein geschützter Freiraum mit hoher Aufenthaltsqualität.

Serielle Wohnstrukturen
Unser Entwurf reagiert auf die besonderen Herausforderungen des Standorts mit einer identitätsstarken Architektur, deren Grundstruktur hochrational organisiert ist. Nach dem Prinzip von Fahrwerk und Karosserie vereint die bewegte Form serielle Bauweise, um kostengünstige, hochwertige und nachhaltige Wohnlösungen zu schaffen.
• Grundraster: Klare 2-Zimmer-Grundtypologien, flexibel an Erschließungen und Schallschutzanforderungen anpassbar.
• Einfache Detaillierung: Standardisierte Bauteile und Außenwinkel reduzieren Baukosten und Bauzeit.
• Ortogonalität: Effiziente Bauweise durch rechtwinklige Wandanschlüsse und vorgefertigte Fertignasszellen.
• Wiederholung: Flexibler Wohnungsmix und wiederkehrende Gebäudetypen optimieren die Bauprozesse.
• Rezyklierbarkeit: Klare, trennbare Materialien erleichtern die Wiederverwertung.

Typ Archipel
Die Inselhäuser nutzen die freie Landschaft optimal: Ihre polygonale Form ermöglicht Blick ins Grüne und prägt fließende Verbindungen. Serielle Bauweise macht die Konstruktion effizient, während Eckloggien selbst kleinen Wohneinheiten Zugang zu zwei Himmelsrichtungen bieten.

Typ Öffentliches Haus
Die Tiefgarage und das Erdgeschoss bestehen aus Beton, möglicherweise recycelt, während in den Obergeschossen serielle Holzkonstruktionen die CO₂-Bilanz verbessern. Die Parkierung folgt einem klaren Stützenraster. Über der Parkebene sorgen Unterzüge und vorgefertigte Wandschotten für ideale Spannweiten der Brettsperrholzdecken.
Die zweigeschossige Kita passt sich ins Stützenraster ein und kann je nach Bedarf erweitert oder verkleinert werden. Das Grundraster der Obergeschosse ermöglicht flexible Wohnungsgrößen und -schlüssel.

Typ (Schall-) Wellenbrecher
Die geknickte Schallmauer bildet ein schützendes Rückgrat für lärmoptimierte Wohnungstypologien. Norderschließungen schaffen Ost- und Westwohnungen, während Ein- und Zweizimmerwohnungen entlang der Münchner Straße optimal ausgerichtet sind.
Die Erschließungsbereiche fördern Kommunikation und bilden das soziale Rückgrat der Bebauung. Mit ihrer effizienten Struktur eignet sich das Gebäude für freifinanzierte Modelle, gefördertes Wohnen und Baugruppen.




Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept des Entwurfs geht auf die Herausforderung der exzentrischen Erschließung des Plangebiets ein, in dem die diagonale Verbindung zwischen der nordwestlichen Ecke und der Verbindung zur Hospitalstraße im Südosten thematisiert wird. Mit einer typologischen Kombination von mäandrierendem Lärmschutz und polygonalen Punkthäusern gelingt es die meisten Bäume zu erhalten und dem Kontext des Plangebiets mit sehr unterschiedlichen stadträumlichen Übergängen und Nachbarschaften gerecht zu werden. Leider erschwert die fehlende Adressierung der Gebäude entlang der Diagonale die Orientierung und die Zugänge liegen zum Teil in der 2. Reihe.

Abgesehen von den sieben „Inselhäusern“ sind sowohl die Lärmschutzbebauung im Norden als auch das „Öffentliche Haus“ im Westen sehr komplexe Bauwerke, die in Gestaltung, Programm, Inhalt und Ausdruck für die gestellten Anforderungen an ein zeitgemäßes Wohnquartier an dieser Stelle in Benrath überzogen erscheinen.

Die Punkthäuser sind aufgrund ihrer verhältnismäßig kleinen Grundfläche eher unwirtschaftlich. In Teilen müssen sie mit der Drehleiter entfluchtet werden mit Nachteilen für den Freiraum. Die Unterbauung der 4 südlichen Gebäude mit einer Tiefgarage erzeugt eine privilegierte Version dieses Typs, die sozial und ökologisch schwer verständlich bleibt.

Auch die nördliche Lärmschutzbebauung wählt unkonventionelle Konfigurationen, erscheint jedoch eher wie eine für den geförderten Wohnungsbau schwierig zu realisierende „Großform“. Die nach Norden ausgerichtete Gebäudestruktur - ein Hybrid aus schlankem Laubengangtypus mit punkthausartigen Verdickungen zur ruhigen Südseite - erfüllt ihren Zweck als kohärenter Lärmschutz, ohne jedoch überzeugende Antworten darauf geben zu können, wie die Wohnungen nachhaltig und kostengünstig umgesetzt werden können. Es bleiben Zweifel an Aspekten des städtebaulichen Konzepts sowie an Details der Machbarkeit und der Gebäudetypologie.

Ein ähnlicher Kritikpunkt wird am „öffentlichen Haus“ im Süd-Osten deutlich: das Motiv wird im Text detailliert beschrieben, bleibt aber trotz der Ausführlichkeit und der eingehenden Analyse wenig nachvollziehbar. Die Form des Gebäudes leitet sich aus der Geometrie von Großgarage und KITA ab, die hohe Komplexität führt in der inneren Organisation jedoch zu Zwängen, u.a. einer unterirdischen Anbindung an die Hochgarage und damit verbundenen Unterquerung der öffentlichen Erschließung, sowie der Erreichbarkeit der KITA durch die Garage.

Die Jury anerkennt die Ambition der Verfasser*innen eine nach Süden aufgelockerte und leicht anmutende Städtebaukonzeption zu entwickeln, die trotz aller Kritik auch Verbesserungen im Gefüge des öffentlichen Freiraumes erkennen lässt. Die weitere Bearbeitung und Vertiefung in der Phase 2 des Gutachterverfahrens hat aber leider nicht zu überzeugenden Antworten geführt.
lageplan 1-1000

lageplan 1-1000

axonometrie

axonometrie

schwarzplan - vernetzung

schwarzplan - vernetzung

ausschnitt lageplan 1-500

ausschnitt lageplan 1-500

ausschnitt lageplan mit grundrissen eg

ausschnitt lageplan mit grundrissen eg

ausschnitt lageplan mit grundrissen rg

ausschnitt lageplan mit grundrissen rg

schnitt vertiefung

schnitt vertiefung

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