Gesamtleistungsstudie, selektives Verfahren | 02/2024
Erweiterung und Umbau Schulanlage Meierhöfli in Emmen (CH)
©BĂRO KONSTRUKT
Visualisierung
Teilnahme
Architektur
HKG Engineering AG / HKG Consulting AG
TGA-Fachplanung, Brandschutzplanung
Landschaftsarchitektur
TGA-Fachplanung
TGA-Fachplanung
Nachhaltigkeitskonzept
Dr. LĂŒchinger + Meyer Bauingenieure AG
Tragwerksplanung
Bauphysik, Akustikplanung
Projektentwicklung
ErlÀuterungstext
Der Aussenraum der erneuerten Schulanlage Meierhöfli zeichnet sich durch einen hohen GrĂŒnanteil aus. Dies widerspiegelt die Situation aus der Bauzeit, als das SchulgebĂ€ude am Rande Siedlung in die noch freie Landschaft gebaut wurden. Die HauptnutzflĂ€chen der Schule gliedern sich in grösstenteils unversiegelte PlatzrĂ€ume: In den bestehenden Pausenhof aus den 1950er Jahren, einen neuen grossen Pausenhof zwischen Neubau und alterTurnhalle, den Allwetterplatz und den Aussenraum fĂŒr die KindergĂ€rten. Diese PlatzrĂ€ume sind von Westen erschlossen und werden Richtung Osten von einem GrĂŒnraum umschlossen. Dieser besteht aus Sport- und SpielflĂ€chen, sowohl fĂŒr die SchĂŒler: innen als auch die anliegenden Bewohner: innen des Quartiers. Ăkologisch wertvolle SĂ€ume bereichern das Schulareal, fördern die BiodiversitĂ€t und schaffen einen Naturerlebnis- und Lernort.
Durch die Pflanzung grosskroniger BĂ€ume, KleinbĂ€umen und WildstrĂ€uchern entsteht ein naturnaher GrĂŒngĂŒrtel, welcher sowohl den Neubau als auch die KindergĂ€rten eingrĂŒnt. Die PlatzflĂ€chen werden mit GrossbĂ€umen akzentuiert und beschattet. Baumgruppen begleiten die Schulanlage entlang des Strassenraumes. Die Bepflanzung setzt sich aus einheimischen und klimaangepassten Gehölzarten zusammen.
Die Anforderungen an die Förderung der BiodiversitĂ€t im Siedlungsraum und an eine hitzeangepasste Freiraumgestaltung sind integraler Bestandteil der Gestaltung der AussenrĂ€ume der Schulanlage Meierhöfli. Dabei werden die aktuellen Erkenntnisse bezĂŒglich Wahl der Pflanzenarten, der Sicherstellung des Pflanzenwuches und dem Umgang mit OberflĂ€chenwasser berĂŒcksichtigt. Dies erfolgt mit folgenden Massnahmen:
- Ausreichende DurchgrĂŒnung in Form von zusammenhĂ€ngenden GrĂŒnflĂ€chen.
- Möglichst grĂŒner, baumbestandener Charakter, der auch im Hochsommer angenehmen und beschatteten Aufenthalt bietet, dabei zusĂ€tzlich Fassaden bestmöglich beschattet und durch die Verdunstungsenergie einer möglichst hohen Blattmasse zur generellen Hitzereduktion beitrĂ€gt.
- ErgĂ€nzen des Gehölzbestandes mit einheimischen, hitzeresistenten und unterschiedlichen Vegetationsarten, sowie sicher stellen des benötigen Wurzelraumes und der Standortbeschaffenheit fĂŒr ein nachhaltiges Wachstum.
- Schaffen von extensiv genutzten Bereichen mit artenreicher Vegetation (Wiesen- und KrautsÀume) und Kleinstrukturen (Ast- und Steinhaufen).
- Reduzieren des Versiegelungsanteils auf das funktionale Minimum. Die AufenthaltsflĂ€chen sind wo immer möglich mit sickerfĂ€higen BelĂ€gen ausgestaltet, und das Meteorwasser wird nach Möglichkeit ĂŒber die Schulter versickert.
- Bestmögliche Retention, Speicherung und Nutzung des Regenwassers fĂŒr eine optimales Pflanzenwachstum und zur Verdunstung (Schwammstadt-Prinzip).
Die QualitĂ€ten des natĂŒrlichen Potentials an Flora und Fauna wird gestĂ€rkt durch eine gute Vernetzung vorhandener Naturwerte, durch Verhindern oder Beseitigen von Wanderhindernissen fĂŒr Kleintiere, durch eine naturnahe Gestaltung mit angemessenem Anteil an einheimischen Pflanzen, BĂ€umen und Baumgruppen. Die Beleuchtung wird so geplant, dass die Beleuchtungszeiten auf ein Minimum reduziert werden und Lichtverschmutzung vermieden wird.
Die Erschliessung fĂŒr den motorisierten Verkehr erfolgt von Norden, was ein optimale Entflechtung vom Zweiradverkehr und der fusslĂ€ufigen Erschliessung ermöglicht. Die ErschliessungsflĂ€chen fĂŒr den motorisierten Verkehr nehmen sehr wenig FlĂ€che ein. FĂŒr Blaulichtorganisationen sind Zufahrten im Nordens und im SĂŒden zu den GebĂ€uden ermöglicht. Alle GebĂ€ude und alle Freiraumebenen sind behindertengerecht erschlossen.
Beurteilung durch das Preisgericht
StÀdtebau und Gestaltung
Aus ihren ausfĂŒhrlichen Analysen und Studien ziehen die Planenden gut nachvollziehbare SchlĂŒsse. Der Erweiterungsbau besetzt zur Fichtenstrasse in klassischer Weise den Strassenraum, wĂ€hrend auf der anderen Seite ein grosser GrĂŒn- und Freiraum erhalten bleibt und so weiteres Potential offenlĂ€sst. Der Neubau wird gegenĂŒber der bisherigen Sporthalle, die zur Kulturhalle umgenutzt wird, ĂŒber einen neuen Pausenhof erschlossen, wobei der GebĂ€udezugang lediglich von einem auskragenden Vordach markiert ist. Eine breite
Freitreppe verbindet diese nördliche Schulerweiterung mit der sĂŒdlich angrenzende, erhaltenswerte Schulanlage, leider ohne einen eigentlichen, sichtbaren Bezug zwischen den beiden Schulteilen herzustellen.
In einem kompakten, fĂŒnfgeschossigen Volumen ohne Unterkellerung werden sĂ€mtliche neu geforderten Nutzungen untergebracht. Der Fussabdruck ist minimal gehalten und der Verzicht von Untergeschossen aus ökologischer Sicht durchaus begrĂŒssenswert. So entsteht eine dominante und stĂ€dtische Lösung, die je nach Betrachtungswinkel unterschiedlich beurteilt wird. Im Kontext mit den umliegenden Bauten und insbesondere den zu erwartenden Neubauten an der Fichtenstrasse ist das hohe Volumen durchaus vertrĂ€glich und vorstellbar. Betrachtet man das Schulareal, wirkt das GebĂ€ude mit seiner NĂ€he zum Schutzobjekt eher drĂŒckend und die MassstĂ€blichkeit ist fĂŒr die Erweiterung der Primarschule an diesem Ort nicht ganz angemessen.
NutzungsqualitÀt
So eindrĂŒcklich die effiziente Stapelung aller Nutzungen im vorgeschlagenen, kompakten Baukörper auf den ersten Blick scheint, offenbaren sich bei genauerer Betrachtung aber neben den Vor- auch diverse Nachteile: Im Erdgeschoss gibt die offene Halle Durchblicke frei und bietet sich als vielfĂ€ltig nutzbare, multifunktionale Halle an, doch stehen hier im Alltag vorwiegend Autos, so dass das Erdgeschoss von aussen in erster Linie als gedeckte Autoeinstellhalle wahrgenommen wird. Ăber den Eingangsbereich im mehrheitlich geschlossenen, eher abweisenden Baukörper zwischen dem neuen Pausenplatz und der Einstellhalle werden die Schul- und Sporthallennutzungen in den Obergeschossen erreicht. Zwar gibt es im 1. Obergeschoss in den nach Osten resp. Westen orientierten Klassenzimmern und GruppenrĂ€umen trotz der vorgelagerten Lernbalkone gute LichtverhĂ€ltnisse, wie Berechnungen zeigen, aber in der Mitte, wo der Eingang, die Garderoben und die SanitĂ€ranlagen sowie die angedachten Cluster der Primarschule liegen, fehlt der Aussenbezug und die vorgeschlagenen LichtbĂ€nder vermögen höchstens wenig Helligkeit in die Tiefe zu bringen.
Die mit transluzenten Fassadenelementen gefasste Sporthalle, die abgesehen von der schmalen Galerie im 3. Obergeschoss, vor allem von aussen jegliche Möglichkeiten von Einblicken fĂŒr Zuschauerinnen und Zuschauer vermissen lĂ€sst, wird im zweiten Obergeschoss direkt vom eher kargen Treppenhaus erschlossen.
Die Garderoben fĂŒr die Sportlerinnen und Sportler befinden sich ein weiteres Geschoss höher, so sind bis zu den sportlichen AktivitĂ€ten in der Halle und insbesondere auch auf den AussensportplĂ€tzen weite Wege und viele Treppenstufen zurĂŒckzulegen.
Die Verfassenden finden in diesem Neubauvolumen kein Potential fĂŒr eine spĂ€tere Erweiterung und suchen dafĂŒr Möglichkeiten im Bestand - ein optionaler Ausbau der multifunktionalen Halle scheint dafĂŒr kein Thema zu sein. Die beiden ErweiterungsvorschlĂ€ge werden eher als schwierig beurteilt, da die eine Variante ausserhalb des Perimeters liegt und der zweite Ansatz die erhaltenswerte Anlage markant betrifft.
QualitÀt der geschaffenen AussenrÀume
Mit der sehr kompakten Anordnung des Bauvolumens und der StellplĂ€tze wird ein grosses Potential fĂŒr die FreirĂ€ume geschaffen, das mit einer breiten Palette von unterschiedlichen, attraktiven Freiraumtypen sehr gut genutzt wird. Die Mitte bildet der baumbestandene Pausenhof, der Bestands- und Neubauten verbindet und zu einem identitĂ€tsstiftenden Ort mit hoher AufenthaltsqualitĂ€t macht. Durch ihre sinnvolle Anordnung sind auch der Rasenspielplatz und der Allwetterplatz gut an den Pausenhof angebunden. Ein baumbestandener GrĂŒngĂŒrtel umschliesst das SchulgrundstĂŒck. Darin sind SpielplĂ€tze, Retentionsmulden und Aufenthaltsbereiche integriert, die den Kindern als RĂŒckzugs-, Lern- und Spielorte dienen können. Im sĂŒdlichen Bereich wird der historische Bestand respektvoll weiterentwickelt und die AussenrĂ€ume werden sinnvoll umgeformt und funktional ergĂ€nzt. Die Feuerwehrzufahrt könnte dabei stĂ€rker in die Gestaltung einbezogen sein. Ein gut durchdachter Vorschlag zu Regenwassermanagement und Ăkologie bereichert den Entwurf zusĂ€tzlich. Insgesamt liegt ein sorgfĂ€ltig erarbeitetes und ĂŒberzeugendes Freiraumkonzept mit einem hohen BegrĂŒnungsgrad, gut durchdachter FunktionalitĂ€t und hohem gestalterischem Anspruch vor.
Fazit
Beim vorliegenden Projekt handelt es sich um einen wertvollen Beitrag, welcher einen konsequenten und durchdachten Vorschlag mit guter Setzung, viel Freiraum, aber eher schwacher Adressbildung zeigt. Die Idee der Stapelung wirkt auf den ersten Blick bestechend, wirft im Detail dann aber verschiedene Fragen auf. Trotz der guten Absicht mit der vielseitig bespielbaren, multifunktionalen Halle im Erdgeschoss steht optisch in erster Linie das Auto im Zentrum. Dieser Fakt ist heute neben BefĂŒrchtungen betreffend Sicherheit der Kinder und potenziellem Vandalismus in der offenen Halle sowie der zu erwartenden politischen Diskussionen weder zeitgemĂ€ss noch angemessen fĂŒr eine Schulanlage.
©BĂRO KONSTRUKT
Visualisierung
©freiraumarchitektur GmbH
Situation Erweiterung und Umbau Schulanlage Meierhöfli, Emmen (CH)