Einladungswettbewerb | 02/2014
Estrel Tower
Begrünter Platz am Wasser: Attraktiver öffentlicher Freiraum vor dem Foyer des Event-Bereichs | Barkow Leibinger
1. Preis
Preisgeld: 15.000 EUR
Architektur
Landschaftsarchitektur
Tragwerksplanung
Rentschler und Riedesser Ingenieurgesellschaft mbH
TGA-Fachplanung
Transsolar Energietechnik GmbH
Energieplanung
TGA-Fachplanung
Vössing Ingenieurgesellschaft mbH
Verkehrsplanung
hhpberlin - Ingenieure für Brandschutz GmbH
Brandschutzplanung
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
Um das städtebauliche Ungleichgewicht zwischen Turm und Hallen auszubalancieren, werden im vorgeschlagenen Entwurf Volumen und Funktionen abweichend von der Auslobung neu gruppiert. Durch die Auslagerung der Bürofunktionen aus dem Hochhaus in ein separates, kleineres Hochhaus gelingt die Komposition eines ausgewogenen Ensembles aus Hotelturm, Büroturm, Parkhaus und Hallenkomplex. Es entsteht eine in sich schlüssige Gebäudegruppe, die:
• die nötige Eigenständigkeit und Robustheit für die Insellage in einer extrem heterogenen Umgebung aufweist
• sich durch den Zusammenhang der Einzelbausteine untereinander wie ein Landschaftselement in das Stadtgefüge und das nähere Umfeld einfügt
• zwischen verschiedenen Maßstäben vermittelt
• mit den Bestandsgebäuden eine Torsituation an der Schnittstelle zwischen großmaßstäblicher äußerer Stadt und kompakter innerer Stadt schafft
• durch ihre Architektursprache eine eindeutig erkennbare Verbindung zum bestehenden Hotelkomplex herstellt („Family of Forms“)
• eine klare Adresse zur Sonnenallee ausbildet und diese belebt
• zum Schifffahrtskanal einen attraktiven Freibereich mit hoher Aufenthaltsqualität schafft
• vielfältige Möglichkeiten zur Phasierung bietet
Städtebau
Das Baugrundstück ist geprägt durch seine Lage am Übergang zwischen Stadt und Peripherie, durch die Grenze zwischen der gründerzeitlich strukturierten Innenstadt und ihren großmaßstäblicher bebauten, sich in ihren Zusammenhängen auflösenden Rändern. Im vorgeschlagenen Entwurf wird der schlanke, an seiner höchsten Stelle 175m hohe Hotelturm Teil eines Ensembles, zu dem außerdem noch ein max. 55m hohes Bürogebäude, ein sechsgeschossiges Parkhaus, ein viergeschossiges Gebäudeteil mit Frühstücksrestaurant und Spa/Fitness-Bereich für das Hotel, sowie die Veranstaltungs- und Eventhallen gehören. Hotel- und Büroturm sind zur Sonnenallee und dem Estrel-Hotel hin abgeschrägt.
So neigen sie sich sinnbildlich dem niedrigeren Bestand zu und vermitteln an dieser Torsituation in der Höhe zwischen dem inneren und dem äußeren Stadtbereich.
Dem Ensemble gelingt es, einerseits nach außen klare städtebauliche Kanten, über die kristallinen Kubaturen aber auch einladende Gesten sowie qualitätvolle Räume für Öffentlichkeit und Begegnung im Inneren auszubilden. Richtung S-Bahn und Autobahn zeigt sich die Anlage von ihrer verschlosseneren Seite. Zur Sonnenallee und zum Kanal hin liegen die beiden Gebäudefronten,
die dem neuen Komplex sein öffentliches Gesicht geben. Hotel, Restaurant/Spa/Fitness, Bürohaus und Parkgarage sind über ein gemeinsames eingeschossiges, bis zu 20m hohes Atrium verbunden.
Der Haupteingang von der Sonnenallee führt direkt in dieses Atrium, das als Herzstück der Anlage fungiert. An diesem hellen, offenen „Vehrkehrsknotenpunkt“ findet der Besucher verschiedene zentrale Funktionen wie Ticketschalter/Info oder Gastronomie.
Der Zugang zum Atrium ist wie eine „Tasche“ ausgebildet, wie ein kleiner Vorplatz, der sich analog zur polygonalen Formensprache der Türme in die Gebäudefront zur Sonnenallee hineindrückt. Dieses Motiv findet sich auf der Westseite des Neubaukomplexes am Übergang zwischen Hotel und Fitness sowie – in historischer Form – am gegenüberliegenden Kanalufer, dem Siegfried-Aufhäuser-Platz am S-Bahnhof Sonnenallee, wieder. Auf der Westseite wird zwischen Kanal und Neubauten ein attraktiver Freiraum ausgebildet und eingefasst. Hier erfolgt der direkte Zugang mit den entsprechenden Vorfahrten für Busse und Taxen zu den Ausstellungs- und Veranstaltungshallen. Ausgehend von der Sonnenallee verbindet zudem eine verglaste Promenade als interne, räumlich attraktive Wegeverbindung das Atrium mit den Hallen. Der zentrale, durch den polygonalen Zuschnitt der Bauten entstehende Innenhof wird für Anlieferung und weitere Servicefunktionen genutzt.
Landschaft
Das Freiflächenkonzept nimmt verschiedene Grundprinzipien der Architektur auf. Vegetationsinseln am Haupteingang trennen die unterschiedlichen Funktionen klar voneinander ab. Ein hochwertiges Wasserbecken im Bereich der Vorfahrt akzentuiert den repräsentativen Eingang. Die westliche Verkehrserschließung des Grundstücks wird entlang des Gebäudes konzentriert, um einen hochwertigen Aufenthaltsraum am Schifffahrtskanal mit der Promenade schaffen zu können. Hier entsteht ein multifunktionaler, begrünter Platz, der den vorhandenen Höhenunterschied durch Sitzstufen und Treppenanlagen überwindet, die zugleich als Bühne nutzbar sind. Eine raumtrennende Hecke oberhalb der Tribüne ist denkbar. Unter dem schattenspendenden Baumdach können z.B. Lesungen, Konzerte oder multimediale Veranstaltungen stattfinden.
Auch ein gastronomisches Angebot ist vorstellbar.
Während die Wegeflächen einschließlich der repräsentativen Vorfahrt in hochwertigen Natursteinmaterialien als Pflaster und Plattenbelag vorgesehen sind, erhält der Platz eine wassergebundene Wegedecke. Sämtliche Verkehrsflächen werden als Asphaltbelag ausgeführt. Zur Definition der Verkehrsflächen werden Fahrspuren als akzentuierte Punktlinien markiert. Schmale begrünte Asphaltschlitze markieren den Übergang von Vegetationsstruktur zu reiner Verkehrsfunktion. Entlang der Sonnenallee wird Ginkgo biloba als Leitbaum verwendet und über die Tunnelböschung hinweg bis zum Platz werden Gleditschien in lockerer Verteilung gepflanzt.
Die großformatigen Hallendächer erhalten eine extensive Dachbegrünung in Kombination mit Sonnenkollektoren und Photovoltaikpaneelen.
Hier steht neben Aspekten der Nachhaltigkeit vor allem auch die optische Qualität der „5. Fassade” im Vordergrund, die beim Blick aus den Hotelzimmern deutlich wahrgenommen wird.
Beurteilung durch das Preisgericht
Der Entwurf ist gekennzeichnet durch die Trennung von Hoteltower, Bürogebäude, Parkhaus sowie Fitness- und Restaurantgebäude. Diese sind durch ein verglastes, räumlich attraktives Atrium miteinander verbunden. Der im Anschluss zum Kongressbereich geplante, offene Innenhof unterstützt zwar die Belichtung der angrenzenden Räume, er nutzt jedoch aufgrund seiner ausschließlichen Erschließungsfunktion das räumliche Potenzial nur in unzureichendem Maße.
Die Umfahrung des Kongressbereiches und die damit verbundene Vorfahrt am Kanal werden im Preisgericht lange und kontrovers diskutiert. Das vorgeschlagene Erschließungskonzept zeigt Vorteile hinsichtlich der direkten Erreichbarkeit der Hallen und vermutlich auch hinsichtlich einer sozialen Kontrolle. Nach der Darstellung in der Perspektive zu urteilen, scheint der Außenraum am Kanal derart großzügig dimensioniert zu sein, dass trotz Erschließung gute Freiraumqualitäten erzielt werden können. Ob dennoch Probleme im Kreuzungsverkehr zwischen Fußgängern, Radfahrern und Fahrzeugen entstehen, müsste eingehend überprüft werden.
Das Hochhaus ist ein prägnantes Gebäude, dessen Fassade noch zu konkretisieren ist. Die im geneigten Dachbereich vorgesehene Skybar mit Außenterrasse stellt eine besondere Attraktivität des Hotels dar. Die Regeletagen zeigen ein günstiges Verhältnis zwischen Nutz- und Verkehrsflächen.
Die kleinen Loggien sind windverträglich angeordnet. Insgesamt sind die Hoteletagen übersichtlich und sinnvoll organisiert.
Als einziger Beitrag sieht der Entwurf die Büronutzung in einem eigenen angrenzenden Gebäude vor. Ob diese Nutzungstrennung sinnvoll und zu realisieren ist, wäre noch zu prüfen. Eine Hotelnutzung scheint in diesem Bereich ebenso herstellbar. Das südlich angrenzende Kongresszentrum mit einer zweigeteilten Halle weist gegenüber der Auslobung leicht überschrittene Nutzflächen auf. Die Halle ist flexibel nutzbar und angemessen konstruiert. Das Foyer vor den Hallen scheint etwas knapp bemessen zu sein.
Insgesamt erfüllt der Beitrag in positiver Weise die aus Städtebau, Architektur und Freiraum formulierten, sehr komplexen Anforderungen. Den Verfassern ist es gelungen, einen besonderen, einprägsamen Ort zu schaffen, der Bezüge zu den Nachbargebäuden des Estrel-Hotels herstellt, die besondere Lage an der Sonnenallee und dem Schifffahrtskanal herausarbeitet und zugleich eine eigenständige, qualitätsvolle Architektur entwickelt.
©Hager Partner AG
Lageplan Estrel Tower
Ensemblewirkung: Hotelturm, Bürogebäude und Bestand bilden gemeinsam eine neue Torsituation zur Stadt | Barkow Leibinger
©Barkow Leibinger
Visualisierung Estrel Tower
Lageplan | Barkow Leibinger
©Barkow Leibinger
Visualisierung Estrel Tower
Erdgeschoss - Erschließungsebene, Hotel, Büro und Veranstaltungshallen | Barkow Leibinger
Obergeschosse | Barkow Leibinger
Schnitt | Barkow Leibinger
©Foto: Herwarth + Holz
Barkow Leibinger
©Foto: Herwarth + Holz
Barkow Leibinger