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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2024

Freiraumentwicklung Moritzquartier in Büren

1. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

Rendercircle - Christian Marrero

Visualisierung

Erläuterungstext

Moritzgarten – ein repräsentativer Stadteingang für Büren

Situation – Im nördlichen Kernstadtbereich von Büren prägt ein einzigartiges Barockensemble das Stadtbild. Dieses von baugeschichtlicher Bedeutung geprägte Ensemble, bestehend aus dem ehemaligen Jesuitenkolleg mit Lustgarten, der Jesuitenkirche und dem Ökonomiegebäude, hebt sich markant von der kleinteilig strukturierten Umgebung ab und wurde von dem letzten Bürener Freiherr Moritz von Büren gestiftet. Zahlreiche Blickbeziehungen innerhalb der Kernstadt, besonders zur Jesuitenkirche, betonen die visuelle Präsenz des Ensembles. Ergänzt wird das Bild durch weitere denkmalgeschützte Gebäude wie die sanierte Niedermühle sowie verschiedene Verwaltungs- und Wohngebäude, die die historische Bausubstanz der Stadt unterstreichen. Der Kernstadtbereich ist zudem harmonisch in die Naherholungsräume von Alme und Afte eingebettet, deren Grünstrukturen die eindrucksvollen Bauwerke zusätzlich hervorheben. Durch den Abriss der Bestandshochbauten entlang der Königstraße entsteht im Zentrum der Bürener Kernstadt ein neu entstandener Freiraum vis-à-vis zum Barockensemble und bietet Potenzial für einen neuen zentralen Freiraum als Treffpunkt und mit Sichtbeziehungen zu den historischen Prunkbauten.
Eingebettet in die städtebauliche Leiterstruktur des Ortes entsteht durch den neuen Freiraum ein nördliches Entrée zur Bürener Kernstadt und ermöglicht einen repräsentativen Auftakt für das Quartier. Dabei ist die östliche Königstraße bisher als Ortsdurchfahrt von Lärm geprägt, währenddessen die westliche Burgstraße als Raum des öffentlichen Lebens mit zahlreichen Treffpunkten in Form von Restaurants und Geschäften einen belebten Charakter hat. Kleine Ost-West Verbindungen ermöglichen die Durchquerung dieser Bereiche und verbinden das Quartier mit den nahegelegenen Grünstrukturen von Alme und Afte. Diese Strukturen gilt es mit dem neuen Freiraum zu stärken und einen grünen Trittstein und Aufenthaltsraum für das öffentliche Leben innerhalb dieses Systems zu schaffen.

Moritzgarten – Das neue Entrée in die Bürener Kernstadt gestaltet sich zukünftig als grüner Garten mit verschiedenen Aufenthaltsbereichen und besonderen Akzenten. Als zentraler Aufenthaltsbereich öffnet sich entlang der Bertholdstraße eine Platzfläche, die durch terrassierte Grünflächen sowie die neue Architektur gefasst und geschirmt wird. Zur Platzfläche orientiert laden großzügige Sitzbereiche entlang der Grünflächen zum Verweilen unter dem Schattenspiel der mehrstämmigen Gehölze ein. Der Platz wird durch ein Fontänenspiel, dass an heißen Sommertagen zum Spielen und Abkühlen einlädt, und die zukünftige Nutzung des Pavillons bespielt. Im Westen wird eine neue Stadtachse in Form einer Wegeverbindung mit Schreitstufenanlage angeboten, die sich mit dem Stadtbalkon, dem neuen Platz an der Stadtverwaltung und der Judengasse verbindet. Der Stadtbalkon dient als neue barrierearme Verbindung zwischen der Königstraße und der Stadtachse und bietet mit einer großzügigen Sitzbank einen schönen Ausblick auf das neue Ensemble von Garten, Kirche und Gymnasium. Auch auf dem Platz an der Stadtverwaltung wird die Qualität durch eine offene Gestaltung, rahmende Gehölze und großzügige Sitzbereiche ansprechend und einladend gestaltet. Eine Bodenintarsie könnte in der Judengasse mit einem Informationssystem kombiniert die Vielfalt des jüdischen Lebens in Büren vermitteln.

Material, Ausstattung und Licht – Das Areal erhält ein einheitliches Ausstattungs- und Materialkonzept. Die Pflasterbereiche erhalten einen Pflasterbelag im ungerichteten Verband aus verschiedenen Formaten. Die Sitzelemente werden zum Teil als Konstruktionsteil von Hochbeeten individuell gestaltet und bieten ein vielfältiges und dezentrales Verweilangebot an. Der Stadtbalkon erhält ein dezentes aber robustes Geländer, um die Sicht auf den Garten und die Stadt offen zu halten.
Der Moritzgarten hebt sich abends durch verschiedene Effektbeleuchtungen besonders hervor. In die Sitzelemente eingelassene Lichtstreifen erzeugen eine durchgehende Beleuchtung zu den Rändern des Platzes. Das Fontänenfeld wird durch kleine Lichtpunkte inszeniert und die Gehölze und Pflanzflächen erstrahlen durch geneigte Strahler im atmosphärischen Licht. Die neue Nord-Süd-Verbindung sowie der Stadtbalkon und die Judengasse erhalten eine schlichte Beleuchtung mit umwelt- und insektenfreundlichen Mastleuchten.

Bepflanzung und Entwässerung – Der Moritzgarten erhält durch die terrassierten Pflanzflächen ein prägendes sowie raumbildendes Gestaltungselement. Durch die großzügigen Pflanzungen und die angebotene Platzfläche schmiegt sich der Moritzgarten mit seinem Charakter in das städtebauliche Gefüge zwischen Kernstadt und Flussauen ein. Die Pflanzflächen werden mit anspruchslosen Staudenpflanzungen bepflanzt und durch mehrstämmige Gehölze umspielt, sodass sich hier eine ansprechende und auch kühlende Atmosphäre ergibt.
Die Pflanzflächen werden zugunsten der Gehölze und Stauden mit Baumrigolensystemen angelegt, wodurch Wasser gespeichert, von anderen Systemen zugeführt werden und langsam versickern kann. Zudem kann ein Rigolensystem unterhalb der Platzfläche anfallendes Regenwasser zwischenspeichern und zunächst an die Grünflächen und im Weiteren an das Abwassersystem weitergeben.

Pavillon – Aufgrund der gewonnenen Freiraumqualität, der topografischen Verhältnisse und der Anforderung einer Integration einer Architektur zur Belebung des Platzes verfolgt das Entwurfskonzept eine Strategie, die die neu geschaffenen Sichtbeziehungen stärkt und den Freiraum größtmöglich gestaltet. Das Gebäude wird in die Erde eingelassen, öffnet sich zur Platzfläche und trägt den Freiraum als Dachaufbau. Durch die Variabilität der Tiefe des Baus kann die BGF im Bedarfsfall variabel erweitert werden. Sollte kein Investor für den Pavillon gefunden werden, kann der Freiraum mit einer großzügigen Sitzstufenanlage anstatt des Pavillons ergänzt werden und somit eine weitere Aufenthaltsqualität schaffen, insbesondere für Schülergruppen.

Parkplatz – Der neue Parkplatz für die Stadtverwaltung und Polizei wird neu strukturiert, sodass 36 Stellplätze angeboten werden können und kann weiterhin über die Königstraße befahren werden. Die Stellplatzfläche wird durch eine Hecke gerahmt und die vorhandenen Platanen auf dem Gelände werden in Grünflächen gesetzt und aufgewertet. Der Stellplatz wird durch eine Schrankenanlage in einen öffentlichen (Besucherstellplätze 12) und einen Mitarbeiterbereich (Mitarbeiterstellplätze 24) aufgeteilt. Die ehemaligen Garagen in der Judengasse werden in Abstellräume für die Polizei und die Stadtverwaltung umgebaut.

Fazit – Das neue Entrée für die Bürener Kernstadt präsentiert sich als grüner und öffentlicher Begegnungsraum für Bewohner- und Bersucher:innen gleichermaßen. Durch die klaren Nutzungsbereiche von Platz, Nord-Süd-Verbindung, Parkplatz und Judengasse wird der Raum strukturiert und bietet eine gute Orientierung sowie barrierearme Verbindungen. Zudem werden attraktive Verweilräume mit erfrischendem Klima und insektenfreundlichen Pflanzungen geschaffen, um die Sicht auf Büren genießen zu können.

Beurteilung durch das Preisgericht

“Der Moritzgarten - ein repräsentativer Stadteingang für Büren“
Die Verfassenden leiten ihren Entwurfsansatz aus der “visuellen Präsenz“ des umgebenden Barockensembles ab, welches zahlreiche Blickbeziehungen ermöglicht. Dieses spiegelt sich in der Platzgestaltung des “Moritzgartens“ wider.

Der zentrale Platz auf dem Niveau der Bertholdstraße, welcher dreiseitig durch begrünte Terrassen sowie das Rückgrat des Pavillons gefasst wird, schafft einen ruhigen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität. Durch die gestaffelte Pflanzung mehrstämmiger, aufgeasteter Bäume entsteht eine lichte Raumbildung, die vielfältige Blickbeziehungen in das barocke Ensemble ermöglicht. Die pointierten Sichtachsen, zum Mauritiusgymnasium und ich Richtung der Stadteinfahrt, bilden breite Eintrittspforten in den sogenannten “Grünen Garten“ mit seinen Sitzkanten am Rand und dem Wasserspiel als belebendem Element.

Die entlang der westlichen Grundstücksgrenze vorgeschlagene Stadtachse ist ein überzeugender Vorschlag für die Verknüpfungen mit dem Rathausareal. Diese neue Wegeverbindung ermöglicht, unter Einbindung der Treppen und Terrassen sowie des Stadtbalkons, eine barrierearme Verbindung in die Judengasse. Ein grüner Saum schafft Abstand zur angrenzenden Wohnbebauung.

Die Stellplatzanlage ist wohl proportioniert und in der Trennung zwischen Mitarbeiter- und Besucherstellplätzen gut gelungen. Heckenbänder entlang der Stadtachse und zur Notfall-Ausfahrt gliedern den Innenhof auf einfache Weise. Die Begrünung der Stellplatzflächen mit Rasenfugenpflaster erscheint begrüßenswert.

Der Stadtbalkon ermöglicht zudem eine barrierearme Verknüpfung von der Königstraße zur Stadtachse, welche gleichermaßen vielfältige Sichtbeziehungen zu den Barockbauten bietet.

Gut gelungen erscheint der Vorschlag für die alternative Variante zum Pavillon. Eine großzügige, breit angelegte Freitreppe, ermöglicht an Stelle des Pavillons weitere Aufenthaltsmöglichkeiten und schafft eine Tribüne für Veranstaltungen im neuen „Moritzgarten.

Die Angaben zu Materialien und Ausstattungselementen wurden lediglich allgemein benannt. Die Pflasterbereiche sollen einen ungerichteten Verband aus verschiedenen Formaten erhalten. Aussagen zur Konstruktion und Materialisierung der Sitzelemente und Hochbeete fehlen.

Für die Beleuchtung werden Lichtstreifen am Rand der Sitzelemente vorgeschlagen. Das Fontänenfeld wird durch Lichtpunkte und die Pflanzung durch Strahler illuminiert. Die Beleuchtung der Stadtterrasse erfolgt durch Mastleuchten.

Kontrovers diskutiert wurde im Preisgericht über die barocke Anmutung des Entwurfs. Die Formensprache und Ausrichtung der bepflanzten Terrassen sowie das Spiel mit den Sichtachsen erscheint überzogen. Kritisch gesehen wurde auch die große Breite des unter-bauten Pavillons.

Die im Umgriff der Pflanzinseln umfänglich angeordneten Sitzkanten sowie die überlange Banklinie auf dem Stadtbalkon wirken überdimensioniert. Die differenzierte Bepflanzung der Terrassen ist begrüßenswert, allerdings wären einige einfache Rasenterrassen zur viel-fältigen Nutzung wünschenswert.

Die Arbeit bietet einen herausragenden Vorschlag im Umgang mit der Topographie und der Arrondierung der gegebenen Situation. Der Entwurf verspricht eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadteinfahrt mit oder auch ohne Pavillon. Bei Integration des Pavillons wäre die gewählte Breite des Objektes zu überprüfen. Die notwendigen Stützkonstruktionen und die Überbauung des Pavillons lassen höhere Aufwendungen erwarten.

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung der Arbeit im Hinblick auf die stadträumlichen Rahmenbedingungen, maßgeblich im Kontext des Barockareals, einer Überprüfung der Angemessenheit der Ausstattung in Bezug auf den Stadtraum und die Stadtgesellschaft bedarf. Dieses gilt auch für die Zustimmung der Errichtung des überbauten Pavillons.