Nichtoffener Wettbewerb | 10/2024
Freiraumplanung Hohenlimburg an die Lenne
©club L94
3. Preis
Preisgeld: 11.000 EUR
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Visualisierung
Erläuterungstext
Das Leitbild ist von der alten Stadtansicht des gegenüberliegenden Ufers über die Altstadtbrücke auf die Stadtsilhouette inspiriert. Das Bild zeigt Hohenlimburg an der Lenne. Ein kleiner bescheidener Ort unterhalb der Burg, die der Stadt ihren Namen gab. Das Bild zeigt die pittoreske Bebauung als Teil der Flusslandschaft. Ein idealisiertes Landschaftsgemälde, wie man es aus der Zeit der Romantik und der Aufklärung kennt.
Heute ist die Stadt von der Lenne und ihren wilden Hochwassern durch eine Mauer getrennt. Entlang der unattraktiven Rückseite hat sich die Stadt vom Ufer abgewandt, Rückseiten und Hinterhöfe prägen den Raum. Eine weitere bauliche Entwicklung führte dazu, dass die Proportionen der gewachsenen Innenstadt mit der Postmoderne, wie in vielen anderen Städten nach dem Krieg, stark verändert wurde. Das stolze Rathaus mit seiner Verwaltung und den verschiedenen Behörden öffnet sich über einen großen Platz in Richtung Straßenraum. Im Sinne der autogerechten Stadt der 60er Jahre prägen breite Fahrbahnen, ein Parkplatz und viele weitere Stellplätze das Umfeld des Rathauses.
Leitidee & freiraumplanerisches Entwurfskonzeptes
Das freiraumplanerische Konzept versucht den Ort zu heilen, den Verkehr auf ein verträgliches Maß zu reduzieren und Aufenthaltsbereiche für Menschen zu schaffen. Dabei werden die verschiedenen Bereiche mit differenzierten Freiraumtypologien neugestaltet.
Teilbereichsbezogene Freiraumplanung inkl. Fokussetzung
Rathausplatz wird Bürgerpark
Die größte Maßnahme ist die Transformation des großen Rathausplatzes in einen Bürgerpark und einen Rathausvorplatz. Der Bereich vor dem Verwaltungsquerriegel bleibt als Parkplatz für Polizei und andere Behörden erhalten.
Der neue Bürgerpark soll als grüner Rückzugsraum den Verwaltungsangestellten und Besuchenden zur Verfügung stehen. Ein intensiv bepflanzter kleiner Pocket Park mit offener Rasenfläche in der Mitte und einem Rundweg, der zum Spazieren einlädt. Auf Bänken entlang des Weges kann das kühle Grün im Schatten der Bäume genossen werden.
Über den neuen Vorplatz am Haupteingang des Rathauses mit dem imposanten Uhrenturm öffnet sich der Raum gezielt in Richtung Pavillon. Hier können Hochzeitsgesellschaften nach der Trauung zum Sektempfang zusammenkommen und im Park die ersten Fotos machen. Ein neues Wasserspiel aus Fontänen markiert die Mitte der neu geschaffenen Platzkonfiguration und stellt Bezüge in alle Richtungen her. Das Wasserspiel wird an heißen Sommertagen die Stadt abkühlen und für Besucher vor allem den Kindern ein Ort zum Spielen sein.
Platz am Pavillon Neuer Freiheitsplatz
Die westliche Freiheitsstraße wird weiter als Busspur genutzt und an den Rändern kann weiterhin geparkt werden, sodass das Ärztehaus und die anderen Anlieger erreicht werden können.
Der denkmalgeschützte Pavillon wird saniert und die Nutzung als Café mit Außengastronomie kann für die Mitarbeitenden im Rathaus und andere Besucher ein begehrter Treffpunkt am Beginn der Fußgängerzone sein. Um die Aufenthaltsqualität im Umfeld des Pavillons zu erhöhen und ihn im Raum zu akzentuieren, erhält er einen Teppich aus Bogenpflaster. Hier können die bestehenden Porphyrsteine aufgearbeitet werden, indem die spaltrauen Oberflächen gesägt werden. In gebundener Bauweise eingebaut sind die Beläge von geheingeschränkten Personen gut zu nutzen. Im Übergang zur Fußgängerzone wird ein kleiner Mobility Hub eingefügt. Hier können kleine Reparaturen an Fahrrädern durchgeführt werden, aber auch das Leihen von Fahrrädern und bspw. Lastenrädern könnte hier ermöglicht werden.
Neuer Marktteppich
Der heutige Markt ist als Parkplatz auf der Rathausrückseite wenig attraktiv. Ein neuer Marktteppich soll dem diffusen Raum eine klare Figur geben und seine Marktmitte stärken. Zusätzlich erhält das Feld einen Rahmen aus Bäumen. Diese können die befestigten Flächen beschatten, und die steinerne Atmosphäre aufbrechen. Der Marktteppich erhält eine besondere Plattierung, dessen Muster sich von der grafischen Struktur der Drahtgewebe ableitet.
Brucker Spiel Platz
Am Bruckerplatz entsteht mit dem Abriss des alten Umspannwerkes und einer Neubebauung ein ganz neuer Raum nahe der stark frequentierten Fußgängerzone. Hier soll ein geschützter, attraktiver grüner Platz entstehen, der den Familien und Kindern als Spielplatz und Treffpunkt mit Blick in die Landschaft dient. Besonderer Spielobjekte wie Drahtesel und Kletterbock nehmen Bezug auf die Industriegeschichte und die Drahtproduktion in Hohenlimburg. Der neue Brucker Spielplatz wird aber vor allem deshalb ein wichtiger Ort im Übergang zur Lenne sein, weil hier auf einem kleinen Abschnitt die Hochwasserschutzmauer geöffnet wird und der Zugang an den Fluss ermöglicht wird. Eine großzügige Treppenanlage mit integrierten Sitzstufen wird ein beliebter Treffpunkt für die Stadtgesellschaft. Hier kann man den Fluss und die Landschaft genießen. Zusätzlich wird hier der übergeordnete Fahrradweg an des tieferliegende Lenneufer angeschlossen und der Höhenunterschied überwunden.
Erschließung und ruhender Verkehr
Im Planungsgebiet sind insgesamt 83 Parkplätze vorgesehen, davon 30 Stellplätze im Bereich vor der Polizeiwache, 20 Stellplätze in der Freiheitstraße und 33 Stellplätze im Neuen Marktteppich. 60 Fahrradabstellplätze sind dezentral auf dem Platz am Pavillon, am Beginn der Fußgängerzone und am Brucker Spielplatz verortet.
Grün- und Freiraum
Begrünung / Bepflanzung / Vegetation
Das Freiraumkonzept zielt darauf ab, das Mikroklima durch maximale Begrünung zu verbessern und die Biodiversität durch Schaffung vielfältiger Lebensräume zu fördern. Mit der Anpflanzung von 75 neuen klimaresilienten Stadtbäumen (u.a. Sophoren, Linden, Amber Bäumen) entsteht hier ein grünes Stadtzentrum. Neben der Schattenbildung sorgen die Bäume für Verdunstungskälte an heißen Sommertagen. Darüber hinaus verleihen verschiedene Baumarten den einzelnen Freiräumen eine einzigartige Identität.
Die vielfältigen Stauden- und Gräserpflanzungen im Bürgerpark und am Brucker Spielplatz, die auch Lebensraum für Bienen- und Insektenansiedlungen bieten, sorgen für eine jahreszeitliche Dynamik und für eine hohe Aufenthaltsqualität.
Ausstattungselemente / Einbauten
Die Ausstattungselemente sind von den bestehenden, stadttypischen Fachwerkhäusern inspiriert und werden aus massiven Holzbalken entwickelt. Auf dem Rathausvorplatz befindet sich eine große Holzbank und auch die Fußgängerzone wird mit einigen Sitzmöglichkeiten für den konsumfreien Aufenthalt ergänzt. Boomerangbänke befinden sich im Bürgerpark sowie am Bruckerplatz und laden die Fußgänger zum Verweilen ein. Die Sitzstufen und der große Holzsteg am Wasser bieten einen Blick auf die Lenne. Die Fahrradstellplätze und Abfallbehälter sind dezentral als Holz-Stahl-Kombination im Planungsgebiet verortet.
Materialien und Bodenbeläge
In Bezug auf den regional verfügbaren dolomitischen Kalkstein erhält das Wettbewerbsgebiet einen einheitlichen hellen, graubeige changierenden barrierefreien Betonwerksteinbelag mit Natursteinvorsatz. Der Rathausvorplatz aus wassergebundener Wegedecke und der Platz am Pavillon aus gesägten Porphyrsteine liegen harmonisch darin. Der Marktteppich aus Naturstein Dolomit erhält eine besondere Plattierung, dessen Muster sich von der grafischen Struktur der Drahtgewebe ableitet. Die Wege aus der wassergebundenen Wegedecke bilden weniger versiegelte Flächen im Bürgerpark und Brucker Spielplatz.
Barrierefreiheit und Beleuchtung
Eine Rampe vor dem Haupteingang des Rathauses sorgt für einen barrierefreien Zugang zum Gebäude. Eine barrierefreie Oberflächegestaltung wird auf jedenfalls in dem Wettbewerbsgebiet vorgesehen.
Eine Leuchtenfamilie aus Holzlichtmasten mit einer unterschiedlichen Anzahl an Strahlern bildet das Beleuchtungskonzept des Gebiets. Mehrere Solitärmastleuchten akzentuieren den Rathausvorplatz und den Platz am Pavillon, während Mastleuchtenreihen in der Fußgängerzone und an der Uferpromenade einen funktional gut ausgeleuchteten Raum bilden. Außerdem erhält der Rathausvorplatz eine besondere Lichtinszenierung, indem das Fontänenfeld mit Effektbeleuchtung ergänzt wird. Die Lennestufen werden ebenfalls mit Effektbeleuchtung in den Schattenfugen akzentuiert. Sämtliche Lichtelemente werden insektenfreundlich mit Lichtintensitäten kleiner/ gleich 2800K ausgestattet.
Hochwasserschutz und Regenwassermanagement
Hochwasserschutz
Die Höhe der Lennestufen wird so konzipiert, dass sie bei Extremereignissen den Brucker Spielplatz vor Hochwasser schützt. Im Bereich der Zufahrt zur Lenne zwischen Rathaus und Stennerstraße wird ein mobiler Hochwasserschutz das Eindringen von Hochwasser in das Stadtgebiet verhindern.
Nach den Schwammstadtprinzipien werden zahlreiche Retentionsflächen und Baumrigolen in dem Wettbewerbsgebiet integriert. Das Niederschlagswasser wird von den Dächern der Gebäude und deren Vorzonen in die Grünflächen geleitet. Die Modellierung der Flächen als Mulden mit Staudenpflanzung im Bürgerpark und im Brucker Spielplatz ermöglicht die Aufnahme von Oberflächenwasser bei Starkregen Ereignissen. Am Marktplatz und in der Freiheitsstraße wird das Niederschlagswasser in die Baumrigolen geleitet, wodurch das Kanalnetz entlastet und das Risiko der Überschwemmung reduziert wird.
Wirtschaftlichkeit
Das Freiraumkonzept zielt darauf ab, nicht nur ökologische- sondern auch langfristig finanzielle Ressourcen zu schonen. Eine sorgfältige Auswahl langlebiger Materialien und ein durchdachter, zukunftsorientierter Entwurf stellen sicher, dass das Projekt nachhaltig umgesetzt werden kann und die Instandhaltungskosten überschaubar bleiben.
Beurteilung durch das Preisgericht
Lennepromenade und Freiheitsstraße werden mit drei formal gestalteten Platzräumen verbunden. Die Ufergestaltung integriert unaufgeregt und den Grünraum wenig beeinträchtigend einen Radweg und Anlegesteg. Der hochwassersichere Übergang zur Promenade/Stadt erfolgt mittels eines „Damms“ aus langgezogenen Sitzstufen und einer Treppenanlage, die zum Verweilen einladen. Die Überwindung dieses Bauwerks mittels Rad- bzw. Gehweg funktioniert jedoch aufgrund fehlender Rampenlängen gar nicht. Die Gestaltung der Freiheitsstraße lässt vertiefende Aussagen vermissen.
Das Preisgericht würdigt die Gestaltung des Rathausplatzes: Der Eingangsplatz, Stellplätze und ein „Bürgerpark“ bilden eine ruhige Einheit. Der Park ergänzt den bisher fast steinernen Platz mit wichtigen Bäumen und Grün und ermöglicht einen großzügigen Retentionsraum. Die vorgeschlagene Nutzung als Aufenthalts- und Pausenraum für die Mitarbeiter des Rathauses und als Spielort wird kritisch hinterfragt. Der Bereich um den Pavillon mit Café verbindet sich auf angenehme Weise gut mit dem Zugangsband mit Wasserfeld zum Rathaus.
Die Marktfläche dient als Stellplatz, Markt- und Veranstaltungsfläche und wird zukünftig von einem Baumcarré gefasst; dies kollidiert jedoch mit der am Hostel geplanten Außengastronomie.
Der Brucker Platz wird als Park mit Spielfunktion vorgeschlagen. Die geforderten Erschließungs- und Stellplatzfunktionen sind nachgewiesen. Die Versiegelungswerte liegen jedoch im oberen Spektrum. Die Arbeit leistet einen ruhigen, unaufgeregten Beitrag.
Kritisch bewertet wird die unreflektiert wirkende Anordnung verschiedener Nutzungsangebote, wie z.B. das den Brucker Platz prägende Spielangebot in Nachbarschaft zum geplanten Hotel, dessen Gäste eher einer Außengastronomie oder Chillbereichen den Vorzug geben würden.
©club L94
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