Kurztext:
Je mehr direkte Nachbarn, desto eher findet sich zur rechten Zeit ein Zimmer zum Schalten.
3 Haupttreppenhäuser reichen zur Erschließung: 4-6-Spänner erzeugen eine hohe ‚Nachbarschaftsdichte‘. 6 interne Nebentreppen vernetzen vertikal.
Eine simple Schottenstruktur ermöglicht vielfältige Wohnfiguren und führt als Tragwerk zu schlanken Decken durch geringe Spannweiten von 1,5-3m.
Die Garage ist kostengünstig nur moderat abgesenkt. Das resultierende Hofniveau wird in einer topographischen Gestaltung weiter ausdifferenziert und schafft Bezugsräume zu EG, Hochparterre und OG1 gleichermaßen.
Grüne Gasse, Hofparterre und Dachgärten verbindet eine kommunikative Laube in der Gebäudefuge. Sie leistet zugleich Erschließung, private Freisitze und nicht programmierte Veranstaltungsflächen für die gesamte Hausgemeinschaft.
Langtext:
Wohnidee und Schaltbarkeit: das ‘atmende Haus’
Wir glauben, dass das Gelingen des ‚atmenden Hauses‘ maßgeblich von der Anzahl der Nachbarn abhängt, mit denen ein Raum getauscht werden kann. Wenn eine Wohnung nur an eine oder zwei andere angrenzt, ist die Wahrscheinlichkeit recht gering, dass sich in dieser kleinen Gruppe Raumbedarfe in gleichen Zyklen passend verändern. Eine Änderung der Wohnungsgröße ist dann nur über Umzug oder Zumieten eines Zimmers ohne räumlichen Zu- sammenhang zur Wohnung möglich, was für viele Fälle keine befriedigende Lösung darstellt. Wenn eine Wohnung aber über vier, fünf oder sechs direkte Nachbarn verfügt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer passenden Option stark!
Dies erreichen wir über die Kombination zweier Maßnahmen: Zum einen wird das gesamte Projekt mit nur drei Haupterschließungskernen angedient. Dadurch entsteht eine hohe Wohnungsdichte am Kern, der unterschiedliche Zugangsoptionen bis hin zum 7-Spänner erlaubt. Zum Anderen ergänzen wir die Wohnungen in der Tiefe der Grundrissentwicklung um zusätzliche Stiegen zur Sekundärerschließung. Somit grenzt die Wohnung auch im Sinne der Schaltbarkeit nicht nur an die Nachbarn desselben Geschosses, sondern auch an die darüber und darunter. Letztlich lassen sich Wohnfiguren so im Maxi- mum frei zu polyzentrischen Einheiten über mehrere Geschosse, Orientierungen und Gebäudelängen verbinden. Im Minimum hingegen reduzieren sich die kleinsten Wohneinheiten auf 18 - 25 qm.
Grundstruktur und Zonierung
Die Grundstruktur der Wohngeschosse ist dabei recht simpel: quer zum Baukörper wechseln breitere Hauptraumzonen mit schmaleren Schotten ab, die Suberschließung und Installation aufnehmen. Längs verbindet mittig eine Haupterschließung Zonen und Schotten, die zu beiden Fassaden hin durch wei- tere Nebenerschließungen ergänzt werden. Zur Fassade bilden Loggien und Balkone mit technisch einfacher Falt- und Schiebeverglasung eine thermische Pufferzone, die für unterschiedliche Konfigurationen private Freisitze bereithält. Hauptzonen und Haupterschließung sind - bis auf installierte Küchenberei- che grundsätzlich nutzungsneutral und erlauben Dielentypen, durchgesteckte Wohn-Essbereiche und Individualräume.
Innerhalb dieser simplen Grundstruktur breiten sich die Wohnfiguren so wie ein Mycel aus - die körperliche Erfahrung einer Wohnung, die sich diagonal in die Tiefe des Gebäudes entwickelt, lässt die Einheiten weitläufiger erscheinen, als sie flächenmäßig sind.
Aufgrund der frei einteilbaren Wohnungszuschnitte erscheint die übliche Unterscheidung einzelner Wohnungen in getrennte Nutzungseinheiten nur be- dingt angemessen. Das Projekt schlägt dagegen eine Unterteilung in 400 qm-Brandabschnitte vor, innerhalb derer geringere Brandschutzanforderungen den Alltag im atmenden Haus erleichtern. Türen mit Brandschutzanforderungen beschränken sich somit auf Eingangstüren, Türen zwischen 400 qm-Einhei- ten und je eine Tür pro internen Treppenlauf, um die brandschutztechnische Trennung der Geschosse untereinander sicherzustellen Die Trennwandkonst- ruktion aus einer Verbindung extrem schlanker Betonfertigteile mit Lehmbauplatten verbindet dabei mit 12,5 cm Stärke problemlos hohe Schalldämmaße mit Feuerbeständigkeit, sodass im Nutzungskomfort keine Einschränkungen bestehen.
Konstruktion und Bauprozess
Ausgehend von der eng getakteten Schottenstruktur des Wohnkonzeptes entfaltet sich ein konstruktives System, welches aktuellen Anforderungen simp- len, trennbaren und ressourcenschonenden Bauens mittels Potentialen überholt geblaubter Bauweisen nachspürt.
Eine reduzierte tektonische Figur aus kurzer Stützwand und Träger, die beide aufgrund der dichten Stellung sehr schlank ausgeführt werden können, über- wölbt eine Tonnenschale in Anlehnung an die frühindustrielle Kappendecke. Dieses dünne Betonfertigteil wiederum trägt - mit minimaler konstruktiver Bewehrung, da überwiegend druckbelastet - eine herkömmliche leicht verdichtete Lehm- oder Sandschüttung, um der Decke Masse zu verleihen. Sofern sich das lokale Erdreich als hinreichend unbelastet herausstellt, kann hierzu anfallendes Aushubmaterial verwendet werden, statt kostenintensiv entsorgt zu werden. Akustisch entkoppelt folgt darüber eine Brettsperrholzdecke als oberflächenfertiger Boden, die, obgleich mit 10 cm Stärke ebenfalls sehr schlank, bewusst moderat überdimensioniert ist, um sie im Laufe ihres Lebens - im Sinne robuster Reparaturfähigkeit - nahezu beliebig häufig abschleifen zu können. Die Ausfachung zwischen Sützwand, Träger und Boden erfolgt in einer Beton-Lehm-Hybridbauweise, welche ebenfalls kaum Bewehrung be- nötigt und bei sehr schlanken Wandstärken hohe Schall- und Brandschutzwerte erreicht. Die Installationsführung gestaltet sich dabei vergleichbar simpel wie in einer herkömmlichen Leichtbauwand.
An der Fassade kommen dünnwandige Blechkonstruktionen auf holzbasierter UK zum Einsatz, die in einem moderatem Kostenrahmen einen vergleichs- weise geringen ökologischen Fußabdruck mit Langlebigkeit und handwerklichem Ausdrucksvermögen verbinden. Die Techniken herkömmlicher Speng- lerarbeiten sollen dabei auf ihr Präfabrikationspotential hin untersucht werden mit dem Ziel einer zügigen Montage überdurchschnittlich fein profilierter Fassadenpanele. Vom Rohbau über die Fassade bis zum Ausbau verspricht die konsequente Elementierung und Vorfertigung nicht nur einen gut planba- ren, zügigen Baufortschritt, sondern auch eine perspektivisch gute Rückbaubarkeit in der Zukunft.
Grüne Gasse, Laube, Hofparterre und Dachgarten: Grünraum als verbindendes Element
Das Projekt gliedert sich in zwei Baukörper, verbunden durch eine Einnistung in den Obergeschossen der Fuge dazwischen, die die quartiersorientierten Grünflächen der Grünen Gasse mit den hausorientierten des Hofes verbindet. Diese kommunikative Laube erschließt als freiräumliche plastische Treppen- figur zudem Teile beider Wohnhäuser und bietet Freisitze und Veranstaltungsflächen für die gesamte Hausgemeinschaft. Im Dachbereich schließlich bildet sie einen Brückenschlag zwischen Dachgarten, Experimentierfläche und Sommerküche auf beiden Häusern.
Die Quartiersgarage ist nur moderat abgesenkt, was Einsparungen im Aushub mit einer wünschenswerten Anhebung des Bodenniveaus im Hof verbindet. Als ‚Hofparterre‘ entwickelt sich dieser Grünraum topographisch und vegetativ in die Höhe und differenziert somit einerseits seine Zonen untereinander und schafft andererseits einen Bezugsraum, der zwischen Straßenniveau, Hochparterre und Wohnen im ersten Obergeschoss vermittelt.
Ankommen im Quartier: Gesten, Orientierung und Nutzungsmix
Der nördliche Baukörper präsentiert sich am Grünboulevard mit seinem Hochpunkt und seiner tektonischen Fassade als städtisches Haus, das auch in sei- nem Erdgeschoss ein Angebot an den Stadtraum darstellt: Ein Arkadengang lädt die Öffentlichkeit zum flanieren ein, zwei größere Gewerbeeinheiten an der Geäudeecke bilden einen Auftakt und eine Gastronomie mit gedecktem Übergang zum Hof und Südterrasse schließen diesen Raum ab. Dazwischen liegt der HpKv-Standort eingebettet, mit Gruppenräumen und Gemeinschaftsküche zum Hof hin. Letztere kann somit außerhalb der Geschäftszeiten auch gut von Bewohnern genutzt werden. Eine Treppe erschließt eine der beiden WGs auf kurzem Wege.
Im Bereich der Grünen Gasse ist das Bodenniveau der Grünflächen leicht angehoben, um eine subtile Differenzierung im Grad der Öffentlichkeit zu errei- chen. Nach dem gelenkartigen Auftakt der Laube befinden sich hier Gästewohnungen und zwei rollstuhlgerechte Wohneinheiten, erschlossen durch die Laube und den niveaugleichen Innenhof. Im Hochparterre gelegen, haben sie somit Bezug zum Hofraum und sind aus der grünen Gasse etwas zurückge- zogen.
Es folgen die Teile des Hubs, welche als Veranstaltungsflächen von einem Bezug zu Hof und grüner Gasse profitieren: Multifunktionsfläche, Küche und Waschküche mit Aufenthaltsqualitäten. Zur Ringstraße hin präsentieren sich mit Empfang des Hubs, Fahrradwerkstatt und -Verleih wieder öffentlichere Bereiche, abermals vermittelt durch eine Verzahnung in den Stadtraum mittels einer moderaten Kolonnade. Außerdem bildet der südliche Baukörper hier seine Adresse und die Zu- und Ausfahrt zur Garage schließt das Ensemble ab, ohne die Wegebeziehungen zu stören. Die Fahrradzufahrt erfolgt räumlich getrennt über die grüne Gasse und Laube.
Innenhof
Die Gestalt des Innenhofs definiert sich über eine subtil ausformulierte Topografie, welche eine Hügellandschaft formt und so größere Bäume ermög- licht. So wird eine Vielzahl an offenen und geschützten Aufenthaltsbereichen für die Anwohner geschaffen, die gleichzeitig reichlich Raum für Austausch und Begegnung bieten. Einen besonderen Blickfang stellt das Wasserspiel dar, welches auf dem größeren Freibereich zwischen Holzdecks und Sitzstufen angeordnet ist und das optische Herzstück des Platzes bildet. Anfallendes Regenwasser wird im Hofdachaufbau zurückgehalten, um es den Pflanzen in längeren Trockenperioden zur Verfügung stellen zu können. Es werden heimische Pflanzen mit geringem Pflegeaufwand verwendet. Die Spielbereiche sind geschützt im Süden des Hofes angeordnet.
Der leicht angehobene Innenhof, welcher einen möglichst geringen Erdaushub ermöglicht und geschickt das vorherrschende Höhenniveau ausgleicht, ist sowohl von der Grünen Gasse als auch vom Grünboulevard aus barrierefrei über Rampen zu erreichen.
Eine größere Öffnung in der Tiefgaragendecke ermöglicht die Be- und Entlüftung der Garage und sorgt zugleich über das natürlich einfallende Licht in der Tiefgarage für Orientierung.
Willkommen im Schaltwerk!