Offener Wettbewerb | 07/2024
Gesamtentwicklung Klinik Ottakring in Wien (AT)
©Franz&Sue
Außenansicht
2. Preis
Preisgeld: 112.000 EUR
Architektur
Erläuterungstext
Eingebettet im Grünen
Konstruktiv haben wir das Gebäude als Stahlbeton-Skelettbau konzipiert, der räumliche Flexibilität und Anpassbarkeit ermöglicht. Die Außenwände bestehen aus massivem Brettsperrholz mit vorgehängter Holzfassade. Pflanztröge und Kletterpflanzen, die auf einer Rankhilfe emporwachsen, sorgen für zusätzliches Grün vor den Fenstern und verwandeln die Fassade im Laufe der Zeit in einen vertikalen Garten.
Die Stadt Wien modernisiert ihre Krankenhausstandorte. Auch das Areal des ehemaligen Wilhelminenspitals im Bezirk Ottakring wird in den kommenden Jahren umgebaut. Die 1890 gegründete Klinik wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder erweitert. Statt der historisch gewachsenen, sehr heterogenen Gebäudestruktur entsteht in den kommenden Jahren in mehreren Bauetappen ein zeitgemäßes Spital mit Platz für 1100 Betten. Wir schaffen mit unserem Entwurf einen Campus mit klarer Organisation und kurzen Wegen, der mit einer Parklandschaft, Innenhöfen und großzügigen Terrassen die Grünräume mit einbezieht.
Das an einem Hang gelegene Areal grenzt im Osten an das gründerzeitlich geprägte Stadtgebiet und bildet einen Übergang zur lockeren Besiedelung Richtung Wienerwald. Einige der historischen Pavillons am Gelände stehen unter Denkmalschutz und bleiben erhalten. Den großen Neubau passen wir durch eine Höhenstaffelung an die Umgebung an. Das zentrale Klinikum bildet dabei zusammen mit dem Psychiatriegebäude und dem Eltern-Kind-Zentrum ein Ensemble mit einem großzügigen Park in der Mitte.
Einfache Orientierung
Der Zugang zum Hauptgebäude erfolgt über den zentralen Quartiersvorplatz. Mit einem Restaurant, Geschäften und einer Bäckerei gibt es im Erdgeschoß auch für die Nachbarschaft zusätzliche Infrastruktur. Das helle und freundliche Foyer empfängt die BesucherInnen, bietet Orientierung und bildet den Durchgang zur Haupterschließung auf der Gartenseite. Diese „Magistrale“ öffnet sich hin zum Park und ist nicht nur Verteilerachse im Gebäude, sondern auch lichtdurchfluteter Aufenthaltsbereich mit Pausenzonen und einem Café. Großzügige Terrassen und Dachgärten über den Ebenen mit den Ambulanz- und Intensiveinheiten erweitern die Freibereiche und holen das Grün ins Gebäude.
Freier Ausblick, kurze Wege
Die insgesamt 24 Pflegestationen sind über dem Sockel in zwei dreigeschoßigen Baukörpern untergebracht. Sämtliche Pflegezimmer sind nach Außen orientiert und ermöglichen einen freien Ausblick in die Umgebung. Jeweils vier Pflegestationen gruppieren sich um einen gemeinsamen Knotenstützpunkt. Dieser Aufbau erleichtert die Orientierung und schafft eine gute Erreichbarkeit mit kurzen Wegen. Die zentrale Notaufnahme und die OP-Bereiche liegen abgeschirmt in einem separaten Bauteil im Norden.
Grün vor dem Fenster
Beurteilung durch das Preisgericht
Städtebauliche und baukünstlerische Lösung
Die Gliederung der Baukörper, deren Positionierung im Gelände und die räumliche Fassung der Freiräume und des Vorplatzes wurde in ihrer Qualität beibehalten und weiterentwickelt. Das Abrücken von der Gründerzeit wird positiv gesehen, das Vordach setzt jedoch unklare städtebauliche Akzente, indem es den Nebeneingang bzw. die Stellplätze betont. Der Anschluss an die Montleartstraße wäre zu überarbeiten. Der Haupteingang ist nicht ausreichend ausformuliert und zu wenig im Stadtraum präsent. Das Erdgeschoss enthält aktive Nutzungen in der angeordneten Magistrale und wird positiv gesehen. Das Fassadenkonzept wirkt stimmig und überzeugend.
Die Platzierung des Hubschrauberlandeplatzes im Norden zum angrenzenden Gemeindebau wird als sehr kritisch gesehen, es wird damit nicht der Empfehlung der Wettbewerbsstufe_1 entsprochen.
Die großzügigen Lichthöfe bieten freiräumliche Qualitäten und wirken positiv in die dahinterliegenden Räume, sie wurden für die technische Belichtung ausreichend adaptiert. Parkseitig befindet sich ein attraktiver 2-geschossiger Bereich, der aber in der dargestellten Form keine Belichtung der darunterliegenden Geschosse ermöglicht. Bei einer weiteren Bearbeitung wäre auf die Ausgestaltung und Anbindung an den Park zu achten.
Der Vorplatz ist großzügig und offen ausgebildet, das Potenzial des Vorplatzes als Quartiersplatz wurde jedoch noch nicht ausgeschöpft. Der Platz wurde gegenüber der Wettbewerbsstufe_1 zwar verbessert, aber noch nicht überzeugend gelöst, z. B. im Bereich der Notfall Zu-/Abfahrt und der Reduktion des motorisierten Verkehrs im Allgemeinen. Der Verkehr beansprucht viel Fläche (Ausbildung eines Kreisverkehrs).
Die Kollektorgänge zu den weiteren klinischen Objekten im Westen sind sehr tief angeordnet. Der Verkehr am Areal hat eine klare Organisation, es entstehen große zusammenhängende Grünflächen.
In der Überarbeitung wurde die Höhenentwicklung am Vorplatz den Empfehlungen entsprechend optimiert und der Zugang zum Haupteingang klar formuliert. Gewürdigt wird die parkseitig dem Zentralklinikum vorgelagerte Aufenthaltszone mit Bezug zum Innenraum. Die orthogonale Haupterschließung im Park gibt eine gute Orientierung und ist barrierefrei. Das organisch geführte und klare Wegesystem erlaubt ein weitgehendes Erhalten des Altbaumbestandes und groß zusammenhängende Grünflächen. Die Zugänglichkeit für die Grünpflege der Fassadenbegrünung ist nicht praxistauglich.
Funktionelle Lösung
Der Wettbewerbsbeitrag entspricht weitgehend den verkehrsplanerischen Vorgaben. Das Erschließungskonzept ist eindeutig definiert und schlüssig. Der Haltestellenbereich des öffentlichen Linienbusses wäre hinsichtlich seiner Dimensionierung zu überprüfen. Der nicht durchgängig vertieft durchgearbeitete Wettbewerbsbeitrags lässt betriebsorganisatorisch stimmige Abläufen und Logistikwege erkennen. Die Wegeführung ist entflochten, die Orientierung ist gut gegeben, die Funktionsbereiche sind stimmig zueinander angeordnet, allerdings sind aufgrund der nicht klaren Abgrenzung von Funktionsbereichen zueinander (z. B. ICU-Stationen) Probleme in der Ausarbeitung der betroffenen Funktionsbereiche zu erwarten. Zusätzlich gibt es noch Herausforderungen bezüglich der Belichtung. Die Detailaufgaben wurden überwiegend sehr gut gelöst, es verbleiben lediglich wenige Verbesserungsnotwendigkeiten.
Nachhaltigkeit und Energieeffizienz
Die kompakte Bauweise des Beitrages wird in Bezug auf die Aspekte der Klimaresilienz sehr positiv gesehen und führt zu sehr guten simulationsbasierten Klimaindikatoren in den Bereichen Wasserhaushalt, Wärmespeicherung und Wärmeemission. Die großzügigen Innenhöfe bieten guten thermischen Komfort und Aufenthaltsqualität.
Wirtschaftlichkeit in Errichtung, Betrieb und Erhaltung
Hinsichtlich des Tragwerks wurde dieser Wettbewerbsbeitrag nur sehr rudimentär ausgearbeitet und beschränkt sich auf wenige Zeilen in der Projektbeschreibung. Aus den Plandarstellungen ist dennoch ein plausibel umsetzbarer STB-Skelettbau mit teilweise Holzwänden ersichtlich.
Ein Achsraster oder Modulmaß ist aus den vorliegenden Ausarbeitungen nicht erkennbar. Die Deckenstärke im Eingangsbereich wird aufgrund der großen Spannweiten von rd. 27 m als nicht ausreichend erachtet. Für den Bereich des Strahlenschutzes sind höhere Bauteildicken zur Erzielung der erforderlichen Abschirmung erforderlich. Technische Gebäudeausrüstung: Lage und Größe der Technikzentralen wurden plausibel gewählt; die Größe der Technikzentralen liegt um rd. 30 % über dem Wert der Masterplanung und weist somit noch Optimierungspotential auf. Das vorgelegte TGA-Konzept beinhaltet alle wesentlichen haustechnischen Anlagen, hat jedoch im Vergleich zu den übrigen Wettbewerbsbeiträgen eine sehr geringe Ausarbeitungstiefe. Die gewählten Geschosshöhen und Abhanghöhen für sind für die Installierbarkeit plausibel und auskömmlich gewählt. Die Ausarbeitungstiefe dieses Beitrags ist vergleichsweise gering, lässt jedoch auf eine plausibel umsetzbare Gesamtlösung schließen. Die vorgegebenen Nutzflächen wurden insgesamt gut eingehalten, im Detail liegen in den Plandarstellungen raumweise erkennbare Abweichungen der m²-Angaben von den Darstellungen vor. Die Bruttogrundfläche ist plausibel und die Flächeneffizienz (BGF/NUF) mit 2,06 geringfügig über dem Mittelwert der eingereichten Projekte liegend. Die Stärke der aus den Plandarstellungen ersichtlichen Fußbodenaufbauten wurde ausreichend gewählt.
©Franz&Sue
Perspektive Foyer
©Franz&Sue
Perspektive Magistrale
©Franz&Sue
Fassendetail und -schnitt
©Franz&Sue
Schnitt
©Franz&Sue
Grundriss Erdgeschoß
©Franz&Sue
Grundriss Obergeschoß 1
©Franz&Sue
Grundriss Obergeschoß 3
©Franz&Sue
Lageplan