Nichtoffener Wettbewerb | 02/2024
Gestalterische Aufwertung Fußgängerzone und Stadtgarten in Gevelsberg
©club L94
Fußgängerzone Mittelstraße
Anerkennung
Preisgeld: 6.000 EUR
Landschaftsarchitektur
Erläuterungstext
GRÜNES ZENTRUM AN DER ENNEPE
FUSSGÄNGERZONE UND STADTGARTEN GEVELSBERG
SITUATION - Die Stadt Gevelsberg besticht durch die Lage zwischen flachem Tal- und waldreichem Hügelland sowie der Ennepe und deren begleitende Grün- und Naherholungsräume innerhalb des Stadtgebiets. In zentraler Lage hat sich die Stadt bereits zur Aufgabe gemacht, die Qualität innerhalb des Stadtzentrums und am Ennepebogen für Bewohner und Klima zu fördern.
Die Initiative basiert auf der Erkenntnis, dass das bestehende Stadtzentrum in die Jahre gekommen ist und einer zeitgemäßen Aufwertung sowie gezielten Klimaanpassungsmaßnahmen bedarf. Losgetreten durch das Integrierte Handlungskonzept (IHEK) wurden bereits Bereiche des öffentlichen Stadtlebens wie die Flaniermeile der Mittelstraße und der Vendômer Platz neugestaltet. Mit diesem Wettbewerbsverfahren folgt die nächste Erneuerungsmaßnahme im Stadtkern, die Fußgängerzone der Mittelstraße sowie der anschließende daran Stadtgarten werden in diesem Konzept neu beschrieben.
STADT TRIFFT GRÜN – Der Stadtkern Gevelsberg erhält durch die direkte Nähe zur Ennepe und den damit verbundenen Grünzug eine besondere Qualität in zentraler Lage. An den Grünzug der Ennepe schmiegt sich das Stadtzentrum an.
Das Entwurfskonzept unterstützt das Ziel der Stadt Gevelsberg, die innerstädtischen öffentlichen Räume aufzuwerten und miteinander in Beziehung zu setzen. Durch Aufgreifen bestehender Gestaltungsprinzipien der Mittelstraße wird die Fußgängerzone stärker im Zusammenhang des Boulevards gesetzt. Die Gestaltung der Wittener Straße als Shared-Space Gelenkpunkt von der Kreuzung Mittelstraße bis zum Vendômer Platz könnte den räumlichen Zusammenhalt fördern und das weltliche Zentrum der Stadt mit dem Raum des öffentlichen Lebens verweben.
Der Stadtgarten soll in seiner Funktion als innerstädtischer, grüner Trittstein des Freiraumverbundes des Ennepe Grünzuges gestärkt werden und sich künftig als markant grüner Abschluss der Kernstadt präsentieren. Das Konzept begreift die räumliche Nähe zwischen Stadtkern und grünen Naherholungsgebieten als wertvolle Stadtstruktur, vollendet die räumlichen Beziehungen und stärkt die vorhandenen Qualitäten.
KONZEPT – Das landschaftsarchitektonische Entwurfskonzept für die Fußgängerzone und den Stadtgarten von Gevelsberg greift vorhandene Entwurfsprinzipien der westlichen Mittelstraße auf und überführt diese in eine zeitgemäße, klimaangepasste Planung. Das lineare Gestaltungsbild der Flaniermeile mit mäanderndem Aufenthaltsband dient als Anknüpfungspunkt der Straßenraumgestaltung der Fußgängerzone. Auch die Fußgängerzone erhält zukünftig linear mäandernde Aufenthaltsbereiche, die durch Baumlinien geprägt werden. Im Gegensatz zum starken Versiegelungsgrad der westlichen Mittelstraße trägt die Fußgängerzone durch eine grüne Perforierung innerhalb der Aufenthaltsbänder zu einem durchgrünten und ökologischen Straßenraum bei. So verweben sich innerhalb der Fußgängerzone die steinerne Qualität der Flaniermeile mit dem grünen Charakter des Stadtgartens und angrenzender Freiraumsysteme. Die Fußgängerzone übernimmt so auch die visuelle Führung zum Stadtgarten und macht diesen als grünen Treffpunkt wieder erlebbar.
Neben der zeitgemäßen grünen Durchdringung der Fußgängerzone präsentiert sich auch der Stadtgarten künftig wieder als städtischer Garten. Der Stadtgarten dient einerseits als grüner Trittstein im Stadtkern, übernimmt andererseits wichtige Verknüpfungen und ist zudem auch Träger kultureller Identität. Diese Eigenschaften werden mit dem Entwurfskonzept herausgearbeitet. So wird der Stadtgarten zunächst in seiner Form und Dimension wieder als grüner Park wahrnehmbar. Um die Verknüpfungen in angrenzende Bereiche aufrechtzuerhalten, öffnet sich der Park zu den wichtigen umliegenden Stadträumen, dem Vendômer Platz, dem Stadtzeichen als Träger kultureller Identität und zur Fußgängerzone als lebendiger öffentlicher Raum.
Insgesamt strebt das Konzept eine harmonische Verwebung von urbanen Elementen und grünen Akzenten an, um ein zeitgemäßes, lebendiges Stadtzentrum zu schaffen, das den Bedürfnissen der Bewohner und Besucher gerecht wird und gleichzeitig den Klimaanforderungen der Zukunft standhält. So wird durch die Neugestaltung nicht nur Aufenthaltsqualität verbessert, sondern auch die Stadtstruktur in ihrer Verknüpfung gestärkt.
ENTWURF IM DETAIL – Das Entwurfskonzept schafft einen klar gegliederten Straßenraum innerhalb der Mittelstraße. Die Fußgängerzone schafft durch die baumüberstandenen Aufenthaltsbereiche eine eindeutige Zonierung. Die Baumscheiben werden hier als grün perforierende Pflanzflächen in den Raum gelegt, an die sich wiederrum Sitzmöglichkeiten, Fahrradanlehnbügel und Lichtstelen integrieren. Die Mitte wird als Bewegungsraum freigehalten und ermöglicht auch dem Kirmeszug der Gevelsberger Kirmes eine problemlose Durchfahrung. Im Bereich des Stadtgartens springt das baumüberstellte Band auf die südliche Seite, stärkt den gekrümmten Anger und öffnet den Raum hin zum Stadtgarten. Der Gelenkpunkt wird durch ein Wasserspiel akzentuiert. Die Verknüpfung zum Vendômer Platz kann von hier aus über direktem Wege erfolgen oder flanierend durch den Spazierweg innerhalb des Stadtgartens wahrgenommen werden. Intarsien aus wassergebundener Wegedecke betonen die Zugänge und ermöglichen spielerische Nutzungen wie Boulé. Auch das Stadtzeichen wird auf diese Weise wieder in Wert gesetzt.
Der Stadtgarten selbst weist in seiner Gestalt eine Vielfalt innerhalb eines grünen Rahmens auf. Durch eine dichte Saumbepflanzung wird das Thema Garten wieder erfahrbar. Innerhalb dieser Saumbepflanzung zeigt sich der Garten als blühende Picknickwiese mit verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten. Im Nord-Osten können Kinder und Jugendliche den Raum für Spiel und Sport nutzen. Die Wiesenfläche selbst kann zum Picknick oder sonnigem Treffpunkt genutzt werden. Der Stadtgarten übernimmt jedoch nicht nur die Rollen des grünen Erholungsraumes, für Gevelsberg ist dieser Ort auch Träger kultureller Identität und trägt diese durch das Stadtzeichen in den öffentlichen Raum. Durch die Inszenierung des Stadtzeichens durch eine kleine Platzfläche wird der Bedeutung des Elementes als Sinnbild der industriellen Identität der Stadt sowie als Zeichen des Verhältnisses zwischen Natur und Stadt genüge getan. Als Träger kultureller Identität soll der Stadtgarten künftig durch ein weiteres Element Menschen zur Wahrnehmung anregen. Neben dem Stadtzeichen wird künftig auch ein Hain aus Kirschen die Identität des Ortes prägen. Als „10+1 Mahnmal“ soll dieser Hain die Möglichkeit des Gedenkens bieten.
AUSSTATTUNG UND BEPFLANZUNG – Die Fußgängerzone greift Ausstattungselemente der westlichen Mittelstraße auf und integriert diese in einem weiterentwickelten Kontext. So wird das Aufenthaltsband mit grüner Perforation in Form von ausfransenden Baumscheiben gestaltet und die Ausstattungselemente der westlichen Mittelstraße in das Band integriert. Die Kreuzungsbereiche werden mit Acer negundo ´Variegatum´ akzentuiert, währenddessen innerhalb der Fußgängerzone eine Baumlinie aus Bestandsgehölzen und klimaresistenten Neupflanzungen wie Gleditsia triacanthos ´Skyline´ das Raumbild prägt. Der Stadtgarten wiederrum wird durch Sonderelemente betont. Hier laden großzügige Sitzelemente an den Platzintarsien zum längeren Aufenthalt ein. Auch durch Sonderleuchten werden die Plätze visuell akzentuiert. Innerhalb des Stadtgartens entsteht ein dichter Saum aus einem Mix klimaangepasster Gehölzneupflanzungen sowie einer dichten Saumbepflanzung aus pflegeleichten Intensivpflanzungen.
Insgesamt stellt das Konzept eine gelungene Verbindung von Ästhetik, Funktionalität und Nachhaltigkeit dar. Durch die Neugestaltung der Fußgängerzone und des Stadtgartens wird nicht nur die Aufenthaltsqualität verbessert, sondern auch die Stadtstruktur in ihrer Verknüpfung gestärkt.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit „Grünes Zentrum an der Ennepe“ legt einen starken Fokus auf die Durchgrünung der Innenstadt. Das wird aufgrund des zu erwartenden Beitrages zum innerstädtischen Klima und als großzügige Entwurfsgeste gewürdigt. Die Ausbildung eines grünen Saums rund um den Stadtgarten wird als raumbildende Geste anerkannt, dennoch wird kontrovers diskutiert, ob das Grünvolumen sogar zu groß sein könnte und wichtige Blickbeziehungen beeinträchtigt. Die drei platzartigen Öffnungen des Stadtgartens sind gut gesetzt und angemessen in ihrer Größe. Eine kontroverse Diskussion wird über den Bezug zum Stadtzeichen geführt. Die Bedeutung dieses Kunstwerks ist korrekt erkannt, auch die Einbeziehung der Objektteile des Kunstwerks im Stadtgarten in eine bewusste landschaftsarchitektonische Figur wird positiv bewertet. Durch die Platzierung in dieser Achse gewinnt auch das 10+1 Mahnmal in angemessenem Umfang zusätzlich an Bedeutung. Zugleich wird diesem Platz direkt an der Wasserstraße keine hohe Aufenthaltsqualität zugeordnet.
Besonders positiv wird der südliche Platz am Übergang zur Fußgängerzone besprochen. Hier entsteht eine gut orientierte große Sitzbank mit Blick in den Stadtraum. Die klare Zuordnung von Funktionen zu den großen und zusammenhängenden Grünflächen erscheint gut umsetzbar. Allerdings bleibt der Entwurf eines Spielangebotes fragmentarisch und die Positionierung entlang der Wasserstraße ist konfliktbehaftet.
Die Wegeführung innerhalb des Stadtgartens überzeugt nicht vollständig. Die nach Osten zur Ennepe hin mögliche Anknüpfung ist konzeptionell konsequent, aber im Entwurf ist die Querung nicht nachvollziehbar durchgearbeitet. Die mehrmals verspringende Achse in Nord-Süd Richtung wirkt überzogen formal entworfen, es ist anzunehmen, dass die Nutzer*innen diesem Wegeverlauf nicht folgen werden.
Die Fußgängerzone ist mit wenigen Elementen entworfen. Positiv bewertet wird das dadurch entstehenden Aufräumen gegenüber dem heutigen Zustand. Allerdings ist außer den quer zur Bewegungsrichtung stehenden Hockerbänken kein charaktervolles Entwurfsmerkmal zu erkennen. Die intensiv bepflanzten Baumscheiben, deren Pflanzung sich kleinteilig mit dem Belag verschneiden wird von der Jury als nicht praktikabler Vorschlag bewertet. Anerkannt wird der Erhalt der Baumhasel und anderer mittelgroßer Bäume. Durch das Hinzufügen neuer Bäume entsteht eine großzügige lineare Pflanzung, die den Raum in seiner Verbindungswirkung sinnvoll begleitet und an der richtigen Stelle die Seite wechselt und so eine räumliche Verzahnung mit dem Stadtgarten erreicht.
Das Fontänenfeld sitzt an der richtigen Stelle und wird als angemessen bewertet. Der Kirmesumzug kann über das ausgeschaltete Wasserspiel fahren, der Straßenzug ist hierfür großzügig offengehalten. Dennoch erscheinen die Angebote für Aufenthalt in der Fußgängerzone nicht ausreichend, vor allem mit Blick auf die sehr beliebte Pergola aus dem heutigen Bestand.
Insgesamt wird die Arbeit als klarer Entwurf und interessanter Beitrag gewürdigt. Allerdings kann das Angebot eines sehr grünen und abgeschlossenen Stadtgartens die Erwartungen an eine vernetzte und multifunktional nutzbare Innenstadt nur teilweise erfüllen. Die gestalterischen Angebote im Bereich der Fußgängerzone können nur in Teilen überzeugen.
©club L94
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Stadtgarten