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Mehrfachbeauftragung | 04/2019

Gestaltung der öffentlichen Räume in der Sterkrader Innenstadt in Oberhausen

3. Rang

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Innenstadt von Sterkrade spielt in der polyzentrischen Struktur der Stadt Oberhausen eine besondere Rolle. Das Straßenkreuz zweier historisch gewachsener Achsen der Bahnhofstraße in Nord-Süd und Steinbrinkstraße in Ost-West Richtung bildet heute das Herzstück der Innenstadt und ist als Fußgängerzone dem Einzelhandel und der öffentlichen Infrastruktur mit Rathaus gewidmet. Zudem werden dem Großen und dem Kleinen Markt in der Innenstadt eine besondere Bedeutung zugesprochen. Während auf dem Großen Markt mit der katholischen Kirche der Hauptteil des Wochenmarkts stattfindet, ist der Kleine Markt mit seiner Wohn- und Geschäftsnutzung an den Rändern auch ein Ort für Rückzug und Aufenthalt. Neben der täglichen Marktnutzung ist die Sterkrader Innenstadt aber vor allem für seine Fronleichnamskirmes bekannt, die sich einmal im Jahr für eine Woche in der gesamten Innenstadt aufstellt und für Gäste weit über die Stadtgrenzen hinaus ein beliebtes Tagesziel ist. Beide Nutzungen, Markt und Kirmes, sind für die Sterkrader Bevölkerung wichtig und genießen höchste Wertschätzung.

Aber die Nutzungsflexibilität in beiden Straßenzügen für Markt und Kirmes erkauft sich die Stadt mit einem öffentlichen Raum, der in Zeiten ohne Marktwagen, Wurstbuden und Karussell keine Qualitäten besitzt.

Dies liegt in erster Linie daran, dass die Raumbreiten seinerzeit für Nutzungen mit Verkehr und Straßenbahn angelegt wurden und heute als Fußgängerzone keine guten Proportionen aufweisen. Auch einige städtebauliche Defizite, wie die Hinterhofsituationen am Kleinen Markt, tragen nicht zu einer guten Qualität des öffentlichen Raumes bei. In den 90er Jahren haben Planungen für das Sterkrader Tor im Norden der Bahnhofstraße riesige Gebäude und entsprechend breite Trassen in die ansonsten 3-4 geschossigen Stadtstrukturen implantiert. Die zu breiten Räume könnten durch mehr Baumpflanzungen besser strukturiert werden, stehen aber damit im Widerspruch zu den Belangen der Markt- und Kirmesnutzung.

Die Bodenbeläge aus Beton sind zwar schwerlasttauglich aber profan und in die Jahre gekommen, genau wie die wenigen Bänke, Kleinkinderspiel und andere Ausstattungselemente. Am deutlichsten wird die Problematik jedoch im Bepflanzungskonzept der Innenstadt. Viel zu wenige, nicht vital gewachsene Bäume in engen Baumscheiben. Die Überhitzung der Innenstadt in den Sommermonaten ist die Folge und lässt die Aufenthaltsqualität im Freiraum zusätzlich schwinden.

Konzept
Auf Grundlage der Analyse des Stadtraums werden im Konzept die Platzräume der Sterkrader Innenstadt in den Fokus gestellt. Zusätzlich zu der Funktion als Auftaktplätze, sind die Innenstadteingänge jeweils mit besonderen Architekturen belegt, die in dem neuen Konzept durch die Gestaltung des Raumes mit einem zugeordneten Raumprogramm ergänzt werden. Zur Raumbildung wird dem jeweiligen bedeutenden Bestandsgebäude ein Baumblock oder Gründach gegenübergestellt.

Arnold-Rademacher-Platz
Durch die direkte Verbindung zu dem anliegenden Bahnhof Sterkrade, dem Busbahnhof, dem Straßenbahnhaltepunkt und der Lage am Eugen-Zur-Nieden-Ring, ist der Arnold-Rademacher-Platz der Verkehrsknotenpunkt, von dem die Menschen von Außerhalb in die Innenstadt kommen. Das Konzept sieht vor, den vom Alten Postamt geprägten Raum, weiter als Mobilitätszentrum auszubauen und mit den Themen Fortbewegung, Reisen und Stadtinformation zu füllen. Ein begrüntes Dach des Mobilitätshub dient als Unterstand für zukunftsweisende Fortbewegungsmittel des modernen Individualverkehrs, wie beispielsweise E-Mobilität oder Bike-/ Carsharing.

Südliche Bahnhofstraße und Nördliche Steinbrinkstraße
Die südwestliche Bahnhofstraße und die nördliche Steinbrinkstraße sind vor allem vom Einzelhandel geprägt. Durch die hohen Straßenbreiten wird hier zwar die Kirmes- und Marktnutzung ermöglicht, eine Aufenthaltsqualität für den Einkaufsbummel an veranstaltungsfreien Tagen ist jedoch zurzeit nicht gewährleistet. Um das Einkaufsgefühl in der Sterkrader Innenstadt wieder positiv zu belegen, werden mit der Sterkrader Ausstattungsreihe Möbel für den Aufenthalt, das Spiel und Pflanzungen frei in den Raum implementiert, sodass die vorhandenen Nutzungen weiterhin bestehen bleiben können. Sitzmöbel und Spielgeräte sind hierbei für die Kirmes und den Markt demontierbar.

Grünes Kabäusken
Am Kreuzungspunkt der beiden Fußgängerzonen sieht das neue Konzept eine Ergänzung des bestehenden Pavillons vor. Der vorhandene Rundlauf im ersten Obergeschoss wird durch eine große grüne Terrasse ergänzt, von der aus die Nutzer das Treiben in den Einkaufsstraßen überblicken können. Hier soll ein Ort für regionale und moderne Gastronomien mit Symbolcharakter für die nachhaltige Innenstadt Sterkrade entstehen.

Platz am Alten Rathaus und Südliche Steinbrinkstraße
Mit der Nähe zur Steinbrinkschule, der Nutzung des Alten Rathauses als Jugendzentrum und der Nähe zum Seniorenzentrum soll der südliche Stadteingang einen sozial- und kulturell orientierten Charakter erhalten. Hier wird Raum für Ausstellungen und andere kulturelle Veranstaltungen entstehen. In der weiterführenden Steinbrinkstraße können die Bürger sich treffen und gemeinsam an Hochbeeten gärtnern.

Großer Markt
Der Große Markt, geprägt durch die katholische Kirche St. Clemens und die Nutzung durch den Wochenmarkt, bleibt in seiner Form bestehen. Der Baumhain soll so ergänzt werden, dass die Abgrenzung zum Eugen-Zur-Nieden-Ring verstärkt wird und die Aufenthaltsqualität unter dem Blätterdach optimiert wird. Das Kiosk auf dem Großen Markt kann mit der Nutzung des Außenraums durch Bestuhlung und Schirme ergänzt werden.

Martha Schneider-Bürger Platz und östliche Bahnhofstraße
Von Verkehr und Bewegungsströmen geprägt, ist der Martha Schneider-Bürger Platz optimal für die Belegung mit Trendsportarten, Konzerten und Jugendlichen. Da die Fläche durch das Riesenrad der Fronleichnamskirmes als Freifläche beibehalten werden muss, arbeitet das Konzept mit temporären Einrichtungen wie Fußballcages, mobilen Möbeln und Bühnen. Die östliche Bahnhofstraße wird, auf Grund der breiten Straßenräume und großen Fassadenflächen, zur Klimaverbesserung durch Entsiegelung, Versickerung und Fassadenbegrünung genutzt.

Vorentwurf Kleiner Markt

Der Kleine Markt ist vor allem durch die umliegende Wohn- und Einzelhandelsnutzung geprägt. Die geschützte Lage bietet optimale Bedingungen für einen ruhigen Rückzugsort mitten in der Sterkrader Innenstadt. Der Entwurf sieht eine eingelegte Intarsie vor, der sich als geometrischer Teppich in den Raum legt. Die große Bestandsplatane bildet mit einigen neuen Baumpflanzungen ein grünes Schattendach im Norden des neuen Teppichs, wodurch eine besondere Atmosphäre entsteht.
Der Teppich untergliedert sich in zwei farblich aneinander angepasste Flächen, die mit Hilfe einer weißen Bänderung aus Betonstein zusammengehalten wird. Der Bereich unter den Bäumen wird hierbei aus wassergebundener Wegedecke hergestellt. Eine große Rundbank aus hellem Beton mit Holzauflagen und Rückenlehnen fasst das Bestandsgehölz ein und bietet Alt und Jung eine komfortable Sitzmöglichkeit. Ein Wasserspiel mit kleinen Fontänen und Wasserdüsen bietet im Sommer die Möglichkeit zu spielen und verbessert gleichzeitig das Raumklima am Kleinen Markt. Für den Wochenmarkt und die Fronleichnamskirmes kann das Wasserspiel ausgeschaltet werden. Der südliche offene Bereich der Marktintarsie mit hochwertigem Betonsteinpflaster (60/30/12) ist als Bewegungs- und Veranstaltungsfläche für den Markt, die Kirmes und weitere Veranstaltungen ausgelegt.
Die umlaufende Fläche wird mit einem ruhigen Betonsteinpflaster (40/20/12) versehen. Um eine Nutzung auch während des Wochenmarktes zu gewährleisten werden Spielgeräte für Kleinkinder am südwestlichen Rand des Platzes installiert. Um die Kleinkinder im Sommer vor der direkten Sonne zu schützen, sorgen Gehölze für den nötigen Schatten. In direkter Nähe bieten Rundbänke den Aufsichtspersonen die Möglichkeit sich zu treffen oder einen Kaffee vom Markt zu genießen, während die Kinder spielen. Der Bereich vor der Kauflandfassade wird genutzt um funktionale Ausstattungselemente wie Fahrradbügel und Leuchtstelen unterzubringen.
Der Höhenunterschied im nördlichen Bereich des Platzes wird mit Hilfe einer die Marktintarsie umlaufenden Sitzmauer abgefangen. Im westlichen Bereich fügen sich drei verschleifende Stufen in den umlaufenden Platzbelag ein.
Das obere Niveau des Platzes wird als großzügige Terrasse für die Außengastronomie genutzt, die jedoch auch zusätzlich unter das Baumdach springen kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Entwurfskonzept beschreibt die Auftaktsituationen als wichtigen Baustein der Gestaltung. Die Entrees mit ihren angeschlossenen Plätzen charakterisieren sich durch jeweils einen anderen Schwerpunkt mit einem eigenen Charakter. Die Platzräume sind dabei jeweils einem prägenden Gebäude zugeordnet und entfalten eine eigene Identität. Die detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Orten der Sterkrader Innenstadt wird dabei sehr positiv bewertet. So erhält der Arnold-Rademacher-Platz einen begrünten Unterstand, der als Mobilitätsverteiler dient. Auf dem Großen Markt werden die bestehenden Bäume in Richtung des Eugen-Zur-Nieden-Rings ausgeweitet. Der ansonsten offene und multifunktionale Charakter des Platzes sowie die Idee der Bürgergär-ten am Alten Rathaus werden gewürdigt. Auch die Idee der mobilen Spiel-, Sport- und Verweilange-bote für Kinder und Jugendliche auf dem Martha-Schneider-Bürger-Platz sowie der kreative Umgang mit dem Center Point, der als „Grünes Kabäusken“ ausgebaut wird, wird begrüßt. Mit der „Sterkrader Ausstattungsreihe“ werden neue Akzente entlang der Fußgängerzone gesetzt. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel wird positiv hervorgehoben, allerdings die Umsetzbarkeit einiger beschriebener Klimaziele hinterfragt.

Der Kleine Markt bietet Raum für verschiedene Nutzungen und erzeugt eine neue Formensprache und Materialität. Aufbauend auf der detaillierten Entwurfsidee wirkt jedoch die Einbindung des Kleinen Marktes in das Gesamtkonzept unklar. Die Form und Anordnung der Platzintarsie wird zwar positiv hervorgehoben, allerdings aufgrund ihrer trennenden Wirkung kritisch diskutiert. Ins-besondere die sich durch die Intarsie und ergänzenden Baumpflanzungen ergebenden unterschiedlichen Platzräume werden negativ bewertet. Die angedachte Geländemodellierung mit Stufenanlage und Sitzmauer zur Überwindung des Höhenunterschieds ist nachvollziehbar, bedingt jedoch einen unerwünschten räumlichen Versatz sowie eine Beeinträchtigung der Wegebeziehungen. Die Lage des überfahrbaren Wasserspiels innerhalb der wassergebundenen Decke wird kritisch gesehen.

Insgesamt sind die guten und umfassenden Ansätze des Gesamtkonzepts leider in dem Entwurf des Kleinen Marktes nicht vollends wiederzufinden.