Nichtoffener Wettbewerb | 04/2017
Grundschule Miltenberg
©Bez+Kock Architekten Generalplaner GmbH, Koeber Landschaftsarchitektur
Modell
2. Preis
Preisgeld: 35.000 EUR
Bez+Kock Architekten Generalplaner GmbH
Architektur
koeber Landschaftsarchitektur GmbH
Landschaftsarchitektur
Architekturmodelle Boris Degen Modellbau
Modellbau
Erläuterungstext
Die Grundschule in Miltenberg ist aus der Sicht von Architekt und Denkmalpfleger ein bauliches Ensemble, welches beispielhaft für die filigrane und spielerische Nachkriegsarchitektur in Deutschland steht. Gleichzeitig stellt die Schule einen großen Erinnerungswert für viele Bürger Miltenbergs dar, die dort die prägenden Jahre ihrer Schulzeit verbracht haben. Schulen sind immer Teil des kollektiven Gedächtnisses einer Stadt. Und so gibt es also gute Gründe, die historischen Schulgebäude möglichst weitgehend zu bewahren.
Nun haben sich die pädagogischen Konzepte in den vergangenen 60 Jahren seit dem Bau der Grundschule Miltenberg sehr weitgehend fortentwickelt, was auch zu völlig veränderten Anforderungen an die Baulichkeit eines Schulgebäudes geführt hat. Der Altbau wird den heutigen Anforderungen in vielerlei Hinsicht nicht mehr gerecht. Stichworte dafür seien Barrierefreiheit, Brandschutz, haustechnische und bauphysikalische Ausstattung oder das Ziel die Schulklassen nach Jahrgängen zu bündeln.
Wie könnte ein Ausweg aus diesem Zielkonflikt gelingen?
Konzept - Nutzungsverteilung als Schlüssel
Die Grundidee des vorliegenden Konzepts ist denkbar einfach und klar:
Die erhaltenen Bestandsgebäude der Grundschule werden durch präzise platzierte Baukörper ergänzt und über ein eingeschossiges, den großzügigen Schulhof rahmendes, Volumen miteinander verbunden.
Im Altbau werden die kleinteiligen Funktionsbereiche untergebracht, die mit der vorhandenen Einzelhausstruktur der Trakte B, C und D gut vereinbar sind, während die Lernlandschaften in einem idealtypisch konzipierten Neubau realisiert werden. So gelingt es, das Baudenkmal mit geringen baulichen Eingriffen in seiner Gänze zu erhalten und gleichzeitig optimal organisierte Lernlandschaften für Schüler und Lehrer zu schaffen.
Die Mensa und Nebenräume der neuen Sporthalle werden in einem, die einzelnen Baukörper verbindenden, eingeschossigen Baukörper untergebracht, welcher sich im Bereich der Trakte B, C, und D zu einem Laubengang und Fluchtbalkon entwickelt.
Der Altbau – Substanzschonende Umnutzung und Bewahrung der Typologie
Durch die Einzelhäuser des Bestandsbaus ergeben sich klare Adressen für die diversen Funktionsbereiche der Schule. Trakt B nimmt die Räume der Verwaltung und das Elterncafé am östlich gelegenen neuen Hauptzugang zum Schulareal auf. Trakt C wird mit seiner zentralen Lage zum Ganztagesbereich der Grundschule. Trakt D beherbergt künftig die Fachunterrichtsräume. Den Trakten B, C und D wird in Analogie zum derzeitigen Laubengang ein Balkon vorgelagert, der nicht nur Fluchtweg, sondern auch kurzer Weg zum Schulhof und überdachte Pausenfläche ist. Die baulichen Eingriffe in die Einzelhäuser bleiben gering, die charakteristische Typologie des denkmalgeschützten Altbaus kann fortbestehen, ohne dass die hofseitige Fassade von Anbauten beeinträchtigt wird.
Die Bibliothek / Mediathek als zentraler Bildungsort nutzt die gläserne Aula, die dadurch in ihrer Leichtigkeit und Eleganz vollumfassend bewahrt werden kann. Für die Verwaltung der Bibliothek wird ein zusätzlicher Büroraum im angrenzenden Bauteil vorgeschlagen.
Mensa, Sport und Veranstaltung
Die auch extern genutzten Funktionen (alte Turnhalle, neue Turnhalle, VHS-Nutzung, Mensa mit Anlieferung) werden am westlichen Ende des Grundstücks gebündelt.
Die neue Mensa schließt die Lücke am Westrand des Areals und kann sich im Sommer auf den Schulhof hin erweitern. Eine neue gemeinsame Zugangssituation wird für die alte und die neue Turnhalle von Westen geschaffen. Die Nebenräume liegen zwischen den beiden Hallen, so dass sich maximale Synergien ergeben. Beide Hallen und der Zugang liegen auf einer Ebene, so dass hier eine vollständige Barrierefreiheit gegeben ist. Hangseitig können die Nebenräume in der Topographie verschwinden, so dass nur die Baukörper der beiden Hallen sichtbar bleiben.
Lernlandschaften – Ein idealtypischer Schulbau
Die Lernlandschaften werden in einem zweiteiligen Gebäude auf der Südseite des Schulhofes entwickelt. Die vorhandene Höhenstaffelung des Geländes wird im Haus für die Ausbildung eines Splitlevel-Typs genutzt. Es entsteht eine kommunikative Erschließungszone am Schnittpunkt der beiden Gebäudeteile, die vier Geschossebenen sind nicht einfach gestapelt, sondern räumlich miteinander verzahnt.
Jede Lernlandschaft entwickelt sich um einen zentral gelegenen Marktplatz, dem jeweils eine großzügige Loggia für Unterricht im Freien vorgelagert ist. Von hier aus führt eine Treppe direkt in den Schulhof, die gleichzeitig auch zweiter Rettungsweg ist. Die einzelne Lernlandschaft kann als in sich geschlossene Nutzungseinheit mit ca. 400m² ohne jegliche brandschutztechnische Einschränkung genutzt werden. Die gewünschte Transparenz zwischen Klassenräumen und Marktplatz ist ohne weiteres herstellbar, vorgeschlagen wird eine visuelle Abtrennbarkeit mittels Sichtschutzvorhängen, die bei Bedarf zugezogen werden können.
Konstruktion
Der Altbau erhält eine Innendämmung der Außenwände, sowie eine Dämmung der Dachflächen. Auf diese Weise können die schlanken Proportionen des Gebäudes und auch die Kunstwerke auf der Fassade erhalten werden. Die teilweise schadhafte Fliesenfassade wird denkmalgerecht saniert, die Fenster werden gegen eine schlanke Isolierverglasung ausgetauscht. Der neue hofseitig vorgeblendete Balkon wird als Weißbetonkonstruktion in Fertigteilbauweise realisiert und setzt die Fassadengliederung des Mensabereichs fort. Auch in der Brüstung wird die Materialität des Neubaus übernommen. Es entsteht ein verbindendes Element, welches den Schulhof rahmt und gleichzeitig Bestand und Neubau miteinander verwebt.
Der Neubau wird als konventioneller Ortbetonbau mit Flachdecken errichtet. Die Fassade soll mit farblich changierenden Mosaikfliesen bekleidet werden, die aus den drei Fliesenfarben der Bestandsgebäude abgeleitet sind. Der Neubau greift somit ein beliebtes Gestaltungsmittel der Architektur der 50er Jahre auf und überführt dies in zeitgenössische Architektur. Alt und Neu verbinden sich zu einem gemeinsamen Ganzen. Die dreifach verglasten Fensterelemente werden von vorgefertigten Weißbetonfaschen gerahmt, die die Materialität des Balkons am Altbau wiederholen. Als Bodenbelag wird ein geschliffener Gussasphaltestrich vorgeschlagen.
Durch den sehr guten Dämmstandard kann der Heizwärmebedarf auf ein Minimum reduziert werden. Eine Deckung des verbleibenden Energiebedarfs über eine Hackschnitzelanlage, die das Holz aus dem Miltenberger Stadtwald nutzt erscheint sinnvoll. Die Anlage könnte im Bereich der Nebenräume der Turnhalle untergebracht werden. Die Dachfläche der neuen Sporthalle kann für Solarthermie genutzt werden (Warmwasser für Duschen und Heizungsunterstützung). Die übrigen Dachflächen werden extensiv begrünt.
Freianlagen
Die freiräumliche Situation im Bestand zeigte sich introvertiert. Nun erfährt der Schulhof eine Öffnung nach Osten zum geplanten Hauptzugang des Schulgeländes und erhält gleichzeitig eine Fassung im Süden. Die Schulstraße führt ins Zentrum, wo eine Baumgruppe der Schule ein neues Herz gibt. Die Bäume sorgen für die Zonierung des Schulhofs in Bereiche zum Bewegen und Toben. Der Höhensprung im Hof wird durch die Anlage von Sitzstufen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität genutzt. Die gewünschte Ruhezone ist im Grünraum im Südosten richtig situiert. Eine Sport- und Spielachse verläuft von Süd-Osten nach Nord-Westen und verbindet den Schulhof mit den Anlagen im Süden.
Der Busverkehr wird über die Setzgasse organisiert, die eine Verbreiterung erfährt und südlich des Friedhofs eine Wendemöglichkeit für die Busse erhält. Während die Busse im Osten stehen, reihen sich die Elterntaxis auf der Südseite der Wolfram-von-Eschenbach-Straße auf. Die Stellplätze für die Schule dagegen sind im Westen untergebracht, um eine größtmögliche Trennung der Verkehre zu erreichen.
Bauabschnitte
Durch die klare bauliche Trennung von Altbau und Neubau ist eine Realisierung in Bauabschnitten bei laufendem Betrieb völlig unproblematisch möglich. Zunächst wird der Neubau im Hof errichtet, der dann als autarke Unterrichtsstätte dienen kann, solange der Altbau saniert wird. Die neue Mensa kann parallel zum Neubau im Hof errichtet werden, die neue Turnhalle kann zu einem beliebigen Zeitpunkt realisiert werden. Provisorien sind wenn, dann nur in geringem Umfang erforderlich.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die neuen Baukörper, ergänzen in respektvollem Abstand den denkmalgeschützten Bestand und fügen sich in Ihrer Körnigkeit sehr gut in das Umfeld und entsprechen der Nutzung als Grundschule. Dazwischen entsteht ein großzügiger, gut nutzbarer und sehr schön proportionierter Freiraum für Pausen oder zur Nutzung vor und nach der Schule. Es wird ein klar ablesbarer, zentraler Schulhof mit städtischer Prägung und einen überzeugenden Öffnung zur Setzgasse gebildet. Der Platz vor der Mensa liegt an der richtigen Stelle und ist mit den Sitzstufen richtig dimensioniert. Der Übergang nach Süden ist dagegen nur schwach ausformuliert und relativ schmal. Er wirkt eher abgrenzend, statt den südlichen Freiraum wirkungsvoll an den Pausenhof anzubinden.
Schüler, Lehrer und Eltern betreten das Ensemble über die Setzgasse. Die Schließung des bestehenden Haupteingangs zur Eschenbachstraße widerspricht dem Entwurfskonzept auch wenn dieses in seiner Gestaltung erhalten wird. Die Verwaltung mit dem Elterntreffpunkt etc. ist richtig im Zugangsbereich angeordnet. Der Zugang zum Neubau liegt jedoch entgegen der Lauf- und Blickrichtung nach Westen ausgerichtet und ist daher schwierig auffindbar. Die Mensa ergänzt in idealer Weise die vorhandene Aula. Auch die erdgeschossige Zuordnung der neuen Sporthalle mit Nebenräumen erlaubt viel- und wechselseitige Nutzungen.
Der Neubau aus zwei in der Bauflucht und Höhe versetzten Baukörpern ist geschickt um eine kommunikative Mitte mit der zentralen Treppe organisiert. Die Lage des Aufzugs stört jedoch die reizvollen Blickbezüge zwischen den Ebenen. Die Klassenräume sind L-förmig um den Marktplatz angeordnet, hier fehlt jedoch die notwendige räumliche Zonierung der‚ Ermöglichungsflächen’ damit diese den Anforderungen entsprechend vielfältig genutzt werden kann. Die Ausrichtung der Klassenräume im Erdgeschoss zum Zugangsbereich kann jedoch zu Störungen im Unterricht führen.
Der zum Baudenkmal gehörige Laubegang wird abgebrochen und durch ein, das typologische Motiv neu interpretierende, Element ersetzt. Dieses ermöglicht den 2. Rettungsweg und dient zudem als direkte Erschließung der Frei- und Pausenräume aus den Obergeschossen.
Mit den Mosaikfliesen wird ein typisches Gestaltungsmittel der Erbauungszeit aufgegriffen und geschickt transformiert um eine identitätsstiftende Anmutung zu erreichen. Im Detail irritiert die Ausformung der Loggien analog der übrigen Öffnungen. Auch wird die Übertragung auf die balkonartigen Brüstungen am Bestand kontrovers im Hinblick auf den denkmalgeschützten Bestand diskutiert.
Die Kennwerte mit einer sehr geringen BRI lässt eine wirtschaftliche Realisierung erwarten. Der Verzicht auf notwendige Flure im Neubau, bzw. die Größe der vorgesehenen Nutzungseinheiten bedingt Kompensationsmaßnahmen.
Das Entwurfskonzept bedingt zudem nur geringe Eingriffe in den Bestand. Eine Realisierung in Bauabschnitten ist konzeptbedingt einfach möglich.
©Bez und Kock Architekten
Gesamtübersicht
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Lageplan
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Draufsicht
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Erdgeschoß
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Blick Richtung Sporthalle
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Obergeschoß
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Blick in den Hof
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Ansichten
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Schnitte / Ansichten
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Schnitte / Ansichten
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Detail
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Lerncluster
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Modell
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Modell