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Award / Auszeichnung | 01/2021

HolzbauPlus – Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen 2020

BUGA Holzpavillon

DE Heilbronn

Sonderpreis - Innovation

Jan Knippers Ingenieure

Architektur

Belzner Holmes und Partner Light-Design

Lichtplanung

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Messe-, Kongressgebäude

  • Projektgröße:

    keine Angabe

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Fertigstellung: 01/2019

Projektbeschreibung

Der BUGA Holzpavillon zeigt neue Ansätze zum digitalen Holzbau. Die segmentierte Schalenkonstruktion basiert auf biologischen Prinzipien des Plattenskeletts von Seeigeln, die vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baukonstruktion (ICD) und dem Institut für Tragkonstruktionen und konstruktives Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart seit fast einem Jahrzehnt erforscht werden. Im Rahmen des Projekts wurde eine Roboter-Fertigungsplattform für den automatisierten Zusammenbau und die Fräsbearbeitung der 376 maßgeschneiderten Segmentbauteile des Pavillons entwickelt. Dieses Herstellungsverfahren stellt sicher, dass alle Holzsegmente wie ein großes, dreidimensionales Puzzle mit einer Genauigkeit von weniger als einem Millimeter zusammengesetzt werden können. Mit minimalem Materialeinsatz spannt das atemberaubende Holzdach 30 Meter über einen der zentralen Konzert- und Veranstaltungsorte der BUGA und schafft so einen einzigartigen architektonischen Raum.

Biomimetischer Leichtbau: Segmentierte Holzschalen
Der BUGA Holzpavillon schafft eine architektonische Attraktion auf der zentralen Sommerinsel der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn. Die Gestaltung des Pavillons basiert auf morphologischen Prinzipien des Plattenskeletts von Seeigeln. Nach dem vorhergehenden Forschungsgebäude des gleichen Projektteams, dem Forstpavillon auf der Landesgartenschau 2014 in Schwäbisch Gmünd, verfolgt der BUGA Holzpavillon das Forschungsziel, die architektonische Gestaltung und strukturelle Leistungsfähigkeit biomimetischer segmentierter Holzschalen auf eine neue Ebene zu heben: Ist es möglich, mit der gleichen geringen Holzmenge pro Quadratmeter wie beim Forstpavillon eine Schale zu bauen, die die dreifache Spannweite erreicht? Und kann diese Struktur vollständig wiederverwendbar konstruiert werden, so dass sie nach der BUGA ohne Leistungsverlust rückgebaut und an einem anderen Standort wiedererrichtet werden kann? Um diese Ziele zu erreichen, nutzt der Pavillon das biomimetischen Prinzip von „weniger Material“ durch „mehr Form“, sowohl in Bezug auf die Gesamtkonstruktion als auch auf der Ebene der einzelnen Segmente. Um Materialverbrauch und Gewicht zu minimieren, besteht jedes Holzsegment aus zwei dünnen Platten, die oben und unten einen Ring aus Randbalken beplanken und so hohle, großformatige Holzkassetten mit polygonalen Formen bilden. Die Bodenplatte beinhaltet eine große Öffnung, die während der Montage den Zugang zu den verdeckten Bolzenverbindungen ermöglicht und zugleich eine besondere architektonische Erscheinung erzeugt. Die Leichtbausegmente sind durch Fingerzinken verbunden, die den morphologischen Prinzipien an den Rändern der Seeigelplatten folgen. Im montierten Zustand wirkt die Holzschale durch ihre ausdrucksstarke, doppelt gekrümmte Geometrie als formaktives Tragwerk.

Integratives (Co)Design: Wechselwirkende Entwurfs-, Statik- und Fertigungsentwicklung
Neue Bauweisen erfordern neue Formen des Planens und Fertigens. Der BUGA Holzpavillon ist ein hervorragendes Beispiel für Co-Design, in welchem neue Möglichkeiten von Gestaltung, Konstruktion und Fertigung durch eine kontinuierliche, computerbasierte Rückkopplung in einem interdisziplinären Team entwickelt werden. Die für dieses Projekt entwickelten Co-Design-Methoden generieren die Form jedes Bauteils des Pavillons gemäß der architektonischen Entwurfsabsicht und der statischen Leistungsfähigkeit unter Berücksichtigung aller Aspekte der robotischen Fertigung. Dieser hochintegrative Prozess ermöglicht die Fertigung von 376 unterschiedlichen Plattensegmenten mit 17 000 verschiedenen Keilzinkenverbindungen gemäß den vielfältigen konstruktiven Anforderungen an die Gesamtstruktur und die Details im Untermillimeter-Bereich. Dieser multiskalare Ansatz ermöglicht es, trotz des Pioniercharakters des Projekts und ungeachtet seiner kurzen Entwicklungszeit von nur 13 Monaten von der Beauftragung bis zur Eröffnung, architektonische und strukturelle Aspekte ohne Verlust an Präzision gleichzeitig zu berücksichtigen.

Robotische Vorfertigung: Kombination von automatisierter Montage mit hochpräziser Bearbeitung
Im Vergleich zu massiven Holzelementen, wie sie beispielsweise in dem Vorgängerbau des Forstpavillons eingesetzt wurden, reduzieren die Holzkassetten Gewicht und Material deutlich, erhöhen aber auch die Anzahl der Bauteile um das Achtfache und führen zu einer komplexeren Fertigung. Das Streben nach höherer Ressourceneffizienz muss daher mit der automatisierten Roboterfertigung der Schalensegmente einhergehen. Dazu wurde vom ICD Universität Stuttgart und der BEC GmbH eine neuartige, transportable, 14-achsige Roboter-Holzfertigungsplattform entwickelt, die beim Industriepartner MüllerBlaustein Holzbauwerke GmbH zum Einsatz kam. Die Plattform beinhaltet zwei Schwerlastroboter, die auf einem 20-Fuß Standard-Containerboden montiert sind. Die Flexibilität von Industrierobotern ermöglicht die Integration aller Vorfertigungsschritte der Kassettensegmente des Pavillons innerhalb einer einzigen, kompakten Fertigungseinheit. Während der Produktion werden die Holzkassetten zunächst von den Robotern zusammengebaut. Dazu gehören die Platzierung von vorformatierten Holzplatten und -balken, das kontrollierte Aufbringen des Klebstoffs zwischen Platten und Balken, sowie eine temporäre Lagesicherung mit Buchennägeln für den Trocknungsvorgang. In einem zweiten Schritt werden in die montierten Segmente die maßgeschneiderten Keilzinkenverbindungen und Öffnungen mit 300μm Genauigkeit gefräst. Von der Montage der Balken und Platten, über das Fräsen mit unterschiedlichen Werkzeugen, bis hin zur sensorbasierten Prozess- und bildbasierten Qualitätskontrolle – alles geschieht in einem vollautomatischen Ablauf, gesteuert von 2 Millionen Zeilen Robotercode, die direkt aus dem computerbasierten Modell erzeugt werden. Im Durchschnitt dauert das robotische Fügen 8 Minuten pro Segment. Für das Hochpräzisionsfräsen werden weitere 30 Minuten benötigt.

BUGA Holzpavillon: Eine innovative Struktur und ein spannender architektonischer Raum
Die komplett vorgefertigten Holzkassetten wurden von einem Team von zwei Handwerkern in nur 10 Arbeitstagen im freien Vorbau vor Ort montiert, ohne die sonst üblichen, umfangreichen Unterkonstruktionen oder Stützgerüste zu benötigen. Nach der Verbindung der Segmente über wiederverwendbare Bolzen, wurde eine EPDM-Folie in 8 Streifen über den Pavillon gelegt und so die Wasserdichtigkeit sichergestellt. Sie sichtbare Außenverkleidung des Pavillons bilden unbehandelte Lärchenplatten. Alle Bauelemente sind für leichte Demontage und Wiederaufbau an einem anderen Ort ausgelegt. Die tragende Holzschale des Pavillons erreicht eine stützenfreie Spannweite von 30 Metern bei einem Gewicht von nur 38 kg/m². Dies ist weniger als das Flächengewicht des Forstpavillons, trotz der dreifachen Spannweite und fünffachen Größe! Der BUGA Holzpavillon zeigt die Möglichkeiten einer effizienten, wirtschaftlichen, ökologischen und ausdrucksstarken Holzarchitektur, die an der Schnittstelle von Handwerk, digitaler Innovation und Forschung entsteht. Der BUGA Holzpavillon liegt an einer zentralen Kreuzung in der wellenförmigen Landschaft der Sommerinsel des BUGA-Geländes. Drei dynamische Bögen bilden einladende Öffnungen zu den Hauptwegeachsen aus und führen die Besucher in das Innere des Pavillons. Die Schale schafft einen geschwungenen Raum für Konzerte und öffentliche Veranstaltungen, mit einer sehr guten Akustik und einer einzigartigen architektonischen Atmosphäre. Dies gilt insbesondere bei Nacht, wenn Tausende von LED-Leuchten, die in die inneren Öffnungen der Schale eingebettet sind, das Innere des Pavillons in ein dezentes, warmes und einladendes Licht tauchen.

Der BUGA Holzpavillon befindet sich auf der Sommerinsel der Bundesgartenschau 2019. Er wird am 17. April 2019 durch den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg eröffnet. Die Forschung an digitalen Holzbausystemen wird im Rahmen des neuen Exzellenz-Clusters „Integratives Computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur“ an der Universität Stuttgart fortgesetzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der BUGA Holzpavillon demonstriert öffentlichkeitswirksam die Möglichkeiten des materialeffizienten Holzleichtbaus, zeigt zudem die Potenziale der Forschungstätigkeiten zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe im Bauwesen. Die hierin adressierten Möglichkeiten für die Bauaufgabe Aufstockung und die Recyclierbarkeit überzeugte die Jury, einen Sonderpreis Innovation zu vergeben. Der Pavillon zeigt auf der Grundlage älterer Vorhaben, Ansätze zum nachhaltigen, digitalen holzbasierten Leichtbau. Die segmentiert strukturierte, feingliedrige Schalenkonstruktion wurde parametrisch entworfen und robotisch gefertigt. Einschließlich der Abdichtung ist das Bauwerk ab- und an anderer Stelle wieder aufbaubar. Der Pavillon spannt 30m über einen flexibel nutzbaren Veranstaltungsbereich auf der Sommerinsel der Bundesgartenschau 2019. Durch die innovative Konstruktion aus Hohlkassettenmodulen kommt das Bauwerk auf ein Flächengewicht von nur 38kg/m², da Holz und Holzwerkstoffe nur dort eingesetzt wurden, wo diese statisch gebraucht werden. Die durchgängig digitale Planung mit dem daran gekoppelten computerbasierten Modell haben dieses Ergebnis ermöglicht. Entwurf, Tragwerksplanung und Produktion wurden in diesem vollständig digitalen Prozess parallel entwickelt. Der Forschungsbau erfüllt alle bauordnungsrechtlichen Maßgaben und eignet sich vor allem für die Erweiterung bestehender Bausubstanz als Modell für eine nachhaltige Nachverdichtung urbaner Räume. Die Konstruktion wurde innerhalb von zehn Tagen von nur zwei Personen im freien Vorbau als ein dreidimensionales Puzzle zusammengesetzt. Ähnlich schnell kann der Abbau erfolgen. Bolzenverbindungen zwischen den Kassetten ermöglichen einen vollständigen Wiederaufbau. Aufgrund des nur punktuell erfolgten Verklebens der unverstärkten EPDMAbdichtungsbahn kann diese ebenfalls zu 100% zur erneuten Abdichtung wiederverwendet werden.