modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 06/2017

Innenstadtachse, Rathaus-, Markt- und Kirchplatz

Anerkennung

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Die Stadt Versmold in Ostwestfalen liegt eingebettet zwischen den Oberzentren Bielefeld und Osnabrück und südlich des Kammzuges des Teutoburger Waldes. Zeugnisse der langen Siedlungsgeschichte des Ortes ist unter anderem die gotische Hallenkirche St. Petri, die als stadtbildprägendes und weithin sichtbares Gebäude das Zentrum der Innenstadt markiert. Die Kirche befindet sich am Kreuzungspunkt der historischen Wegebeziehung Münsterstraße - Berliner Straße und der Ravensberger Straße, die auch heute das wirtschaftliche und soziale Zentrum Versmolds bildet, welches es als Kommunikationsort und Treffpunkt zu stärken gilt.
Entlang der historischen Wegebeziehung, der sogenannten Innenstadtachse, reihen sich wie an einer Perlenschnur besondere Orte und öffentliche Plätze wie der Rathausplatz, der Kirchplatz, der Marktplatz und die ehemalige Hofstelle Wissmann, deren unterschiedliche Charaktere und Funktionen behutsam herausgearbeitet und betont werden. Dem Straßenraum kommt dabei eine verbindende Funktion zu, die zum einen durch einen einheitlichen „Versmolder Stadtbelag“ hergestellt, und zum anderen durch ein Leitbaumkonzept unterstützt wird: Einseitig straßenbegleitende Baumreihen entlang der beiden Achsen Münsterstr. – Berliner Straße und Ravensberger Straße vernetzen die Stadträume und betonen das alte Straßenkreuz.


ENTWURF

Rathausplatz
Der Rathausplatz stellt von Westen kommend den Auftakt in die Innenstadt dar. Geprägt von Gebäuden aus der jüngeren Geschichte Versmolds wie dem Rathaus und der Sparkasse, und bedingt durch seine Funktion als multifunktional nutzbarer Ort für Alltagsgeschäfte und Veranstaltungen, erhält er eine moderne, urbane Ausprägung. Die den Raum einengenden vorhandenen Mauern und Rampen werden abgebrochen. Durch eine einladende, großzügige Terrassierung öffnet sich der Rathausvorplatz zur Innenstadt und wird ein Teil des Gesamtraumes. Flache Stufenanlagen mit integrierter Rampe überbrücken den Höhenunterschied zum Eingang des Rathauses und erschließen diesen auch barrierefrei. Die vorhandenen Bäume auf dem Platz wie der Trompetenbaum und die Eiche tragen weiterhin zur Begrünung bei und spenden Schatten für die unter ihnen aufgestellten Sitzgelegenheiten. Neben den Bänken für Jung und Alt stellen kleine Spielobjekte und ein Trinkbrunnen eine Attraktion für Familien mit Kindern dar. Die überwiegend mit dem Stadtbelag befestigte Fläche ist flexibel für Konzerte oder für die Eröffnungszeremonie des St. Petri Marktes nutzbar. Ein ausgewogenes Maß an Begrünung wie zwei Pflanzbeete am Gebäude und der mit Bäumen gesäumte westliche Platzrand schaffen einen wohltuenden Kontrast zur offenen Platzfläche und verleihen dem Ort eine angenehme Aufenthaltsqualität. Gleichzeitig unterstützen sie die Einbettung des Rathauses in die Grünfläche des ehemaligen Parks der Villa Westerfrölke .
Zur Betonung des Auftaktes in die Innenstadt und zur Belebung des Platzes trägt ein Wasserspiel aus unterschiedlich hohen Fontänen bei, das die Blicke auf sich ziehen wird und eine zusätzliche Attraktion für alle Altersgruppen bietet.


Kirchplatz
Das historische Zentrum Versmolds am Kreuzungspunkt der Innenstadtachse wird von der alten St. Petri Kirche dominiert. Ihr grünes Umfeld strahlt Ruhe aus und bietet Rückzugsmöglichkeiten vom Trubel der Einkaufsstraßen. Grundsätzlich werden die vorhandenen Qualitäten wie der Natursteinbelag und die Rasenfläche mit dem Kriegerdenkmal als grüner Erholungsraum erhalten und behutsam weiterentwickelt. So erhält die Rasenfläche eine erneuerte Einfassung, die entlang der Münsterstraße als Sitzmauer Aufenthaltsmöglichkeiten in Südausrichtung gewährt. Die Baumgruppe an der Ecke Münsterstr. / Ravensberger Straße wird aufgegeben, um den Blick auf die Kirche und den Rasenteppich freizustellen. Die Pflanzbeete unmittelbar am Kirchenschiff werden an der Südseite zurückgenommen, um hier mehr Platz für kirchenaffine Veranstaltungen zu schaffen und den Eingang freizustellen. In diesem Zusammenhang könnte die Verortung des geplanten Gemeindezentrums so erfolgen, dass der Neubau mit der Kirche in Dialog tritt und eine kleine, introvertierte Platzsituation kreiert, die sich besonders für Veranstaltungen wie z.B. die Aufstellung eines Weihnachtsmarktes eignet. Eine Neuinterpretation der Pflanzbeete an der Nordseite der Kirche formuliert zum einen den Abschluss des Kirchplatzes zur angrenzenden Stellplatzfläche, zum anderen erlaubt die aufgelockerte Anordnung ein Durchlaufen und eine Verbindung zur Ravensberger Straße.


Marktplatz
Dem Kirchplatz gegenüber befindet sich der Ort, an dem die rurale Vergangenheit und die Tradition des fleischverarbeitenden Handwerks in Versmold ablesbar sind. Auf dem Marktplatz, wie der Name schon verrät, findet der Wochenmarkt statt. Der Wurstträgerbrunnen verweist unmittelbar auf die traditionelle Fleischverarbeitung, die auch heute noch als bedeutendster Versmolder Wirtschaftszweig gelten kann. Die von den Bewohnern liebevoll „Schweinebrunnen“ genannte Figur stiftet Identität und bietet insbesondere für Kinder eine Attraktion.
Um den Marktplatz in seiner Funktion zu stärken und besser an die Innenstadtachse anzubinden, wird vorgeschlagen, störende Einbauten wie raumgreifende Pflanzkübel und Poller zu entfernen und mit wenigen, dezidiert gesetzten Sitzmöbeln im Norden und Blumenbeeten unter den Bäumen aufzuwerten. Der hochwertige vorhandene Natursteinbelag mit seiner charakteristischen Ornamentik wird in Form eines „Markttepichs“ in der Mitte des Platzes erhalten. An den Rändern soll der neue Versmolder Stadtbelag eine bessere Begehbarkeit ermöglichen und zur gestalterischen Einheit des Innenstadtbereiches beitragen. Um den Platz auch an den Tagen zu beleben, an denen kein Markt stattfindet, wäre die Ansiedlung von weiteren gastronomischen Einrichtungen insbesondere mit Außengastronomie wünschenswert.


Straßenraum
Zur gestalterischen Einheit der Innenstadtachse trägt insbesondere ein zusammenhängender Bodenbelag bei. Die Reduktion auf wenige Belagsmaterialien und Verlegearten beruhigt das Stadtbild und ermöglicht eine klare Zonierung.
Als „Versmolder Stadtbelag“ wird ein länglicher Klinkerstein vorgeschlagen, der im Fischgrätverband die Fahrbahn ausbildet und im Reihenverband die Laufzonen und Stellplatzflächen markiert. Der in leicht changierenden Beige-Rottönen verlegte Klinker evoziert das Bild von grob gewebtem Leinen und erinnert an das einstige „Handelszentrum für in Handarbeit betriebene Leinenweberei“ in Versmold. Nur an einigen Orten wie dem Kirchplatz und dem Marktplatz bleibt der den Ort charakterisierende vorhandene Natursteinbelag erhalten.
Um die Fahrbahn deutlich zu markieren, wird diese durch beidseitig verlaufende Rinnen aus Betonmuldensteinen abgesetzt. Sie können in Kombination mit Aufmerksamkeitstreifen als Teil des Blindenleitsystems dienen und ermöglichen eine barrierefreie Ausbildung des Straßenraumes.

Verkehr
Um die Versmolder Innenstadt weiterhin als wirtschaftliches Zentrum und Einzelhandelsstandort zu bewahren, soll der motorisierte Verkehr nicht verdrängt werden. Gleichzeitig ist jedoch eine Gliederung des Straßenraumes und Anpassung der Verkehrsflächen zur Aufwertung der öffentlichen Räume notwendig. Ein erster Schritt ist die Festlegung eines „verkehrsberuhigten Geschäftsbereiches“ (Tempo 10kmh mit Parkraumbewirtschaftung), wie von der Politik beschlossen. Darüber hinaus wird auf Basis der Var. 2 der vorliegenden Verkehrsuntersuchung eine Einbahnstraßenregelung nach Osten und Norden für die Münster- und Ravensberger Straße vorgeschlagen. Dies ermöglicht die Reduzierung der Fahrbahn in den beengten Bereichen auf eine Breite von 4m und eine damit einhergehende Vergrößerung der Fläche für Fußgänger. In diesem Zusammenhang werden die Stellplatzflächen in der Münster- und Ravensberger Straße konsequent nur entlang der rechten Straßenseite angeordnet und mit Straßenbaumpflanzungen gegliedert. Die linke Straßenseite, an der sich die Plätze am Rathaus und an der Kirche befinden, bleibt baum- und autofrei und den Fußgängern vorbehalten. Besonders wünschenswert wäre ein Durchfahrtsverbot von der Münsterstraße über den Marktplatz, um diesen als Marktstandort und Aufenthaltsbereich zu stärken. Die Stellplatzsituation entlang der Berliner Straße bleibt unverändert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit stellt ein konsequent durchgearbeitetes, graphisch ansprechendes Konzept dar. Ihm liegt die Verkehrsvariante 2 zugrunde und verfolgt die Grundidee, das historische Wegenetz innerhalb eines durchgehenden neuen Stadtbodens nachzuzeichnen. Eine einheitliche, klare Straßenführung soll die drei Stadtplätze miteinander verbinden. Allerdings wird die Durchlässigkeit des Verkehrsflusses am Marktplatz zugunsten einer deutlichen Aufwertung des Marktplatzes gekappt. Dieser Ansatz ist aus Sicht der Kaufmannschaft auf die Durchführbarkeit sicherlich kritisch zu hinterfragen.
Die Absicht einen einheitlichen Stadtboden zu schaffen, der durch unterschiedliche Verlegarten unterschiedliche Nutzungsbereich ablesbar macht, ist positiv zu werten und stellt eine Stärkung des Innenstadtkerns dar. Die Einbettung der drei unterschiedlichen Plätze zeigt eine konsequent einheitliche Gestaltungssprache.
Marktplatz: Der Marktplatz wird vergrößert und bezieht sich räumlich eindeutig auf das nördlich anschließende Gebäude. Es entsteht eine Einheit. Jedoch entfallen die Bestandbäume an dieser Stelle komplett und eine neue Baumreihe wird auf der gegenüberliegenden Seite neu angelegt.
Kirchplatz: Der Kirchplatz erhält eine neue rechteckige Kontur mit eingebetteten Sitzreihen zur Straßenseite. Es entsteht eine große Rasenfläche, durch die jedoch das Kirchengebäude in der Wahrnehmung von der Innenstadtachse abgerückt wird. Die vorhandenen Stellplätze werden an dieser Stelle aufgegeben.
Rathausplatz: Der Gestaltungsansatz des Rathausplatzes ist auf die Gebäudearchitektur abgestimmt und die Flächenaufteilung ist gut proportioniert. Jedoch ist durch die Art der Terrassierung eine vielfältige Nutzbarkeit des Rathausvorplatzes eingeschränkt.
Die Auswahl der Materialien ist sehr wertig und nachhaltig gewählt. Jedoch ist zu bemerken, dass die Nutzbarkeit der Plätze durch die gewählte Ausgestaltung im Alltag und selbst zu besonderen Anlassen oder Veranstaltungen zu kurz kommen könnte.