Offener Wettbewerb | 12/2022
Jahnsportpark für alle – Großes Stadion und Inklusionssportpark in Berlin
©Topotek 1
Stadion und Boulevard
2. Preis
Preisgeld: 112.500 EUR
Architektur, Landschaftsarchitektur
Schnetzer Puskas International - Projektbüro Berlin
Tragwerksplanung
WINTER Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik
TGA-Fachplanung
Erläuterungstext
Der Entwurf des neuen Stadions antwortet mit einer sich mit der Landschaft verschneidenden Gebäudetypologie auf die spezifische Topografie des Ortes und schafft damit ein räumliches Pendant zur charakteristischen Flächigkeit der gegenüberliegenden Sportparkanlage und des Mauerparks. Die Geometrie der bestehenden Gesamtanlage wird erhaltend fortgeschrieben und in ein zeitgemäßes, uneingeschränkt barrierefreies Konzept, aus dessen Raster das Stadion seiner Bedeutung entsprechend hervorsticht, überführt. Der historische Kontext des Sportparks bleibt für dessen Nutzer so trotz der Neugestaltung erlebbar. Der neue Eingangsplatz mit dem markanten Inklusionszentrum und einem der Flutlichtmasten des ehemaligen Stadions am südlichen Ende des Boulevards schafft einen kraftvollen, adressbildenden Auftakt zum Jahnsportpark und einen neuen Begegnungsort für das Quartier und die Stadt.
An der Schnittstelle der unterschiedlich geprägten Räume des Großen Stadions und des Sportparks erschließt ein großzügiger Boulevard als zentrale Begegnungs- und Aktivitätszone entlang der Nord-Süd Achse das Stadion und die beiden niedrigen Sportpark-Gebäude. Die Morphologie des Stadionvolumens ist geprägt von einem Spiel versetzter und geneigter Scheiben, die sich teilweise in die Topografie des Hügels hineinschieben. Die oberste Ebene des Daches neigt sich gegenläufig zum Gefälle des Hügels, das Stadionvolumen in Richtung des Boulevards öffnend. Das asymmetrische Gefüge organisiert sich mit dem Tribünengebäude in Richtung des Boulevards und zum Mauerpark als landschaftlich gelegenes Stadion
Die besondere Lage des Gebäudes am Hang des Trümmerhügels zum Mauerpark ermöglicht eine maßgeschneiderte Typologie zu dessen uneingeschränkt inklusiver, barrierefreien Erschließung für alle Nutzer. Nördlich und südlich des Stadions verlaufen zwei lange Rampen der Topografie des Trümmerhügels folgend nach Westen ansteigend. Entlang ihres Gefälles sind die Zugänge, die die Sektoren erschließen, vertikal versetzt zueinander angeordnet. Dadurch wird eine vollumfänglich inklusive, barrierefreie Erschließung sämtlicher Ränge ohne eine Separierung von Menschen mit und ohne Behinderung gewährleistet.
Beurteilung durch das Preisgericht
Mit der städtebaulich geschickten Setzung des siebengeschossigen Begegnungszentrums am südlichen Zugang zum Gelände verfügt dieser Entwurf über ein Alleinstellungsmerkmal. Es gelingt an dieser Stelle eine Verknüpfung des Sportparks mit dem Stadtraum und das Thema Inklusion kann in den öffentlichen Raum wirken.
Im Sportpark sorgt eine übersichtliche, schlüssige Wegeführung in Verbindung mit den Baukörpern des Stadions und der beiden Sporthallen für eine klare Raumbildung, die den Erfordernissen der Inklusion gut gerecht wird. Die beiden Hauptachsen lehnen sich dabei an die bestehende Erschließungsstruktur an.
Die Nord-Süd-Achse, die zum Vorplatz des Stadions führt, erscheint etwas unterdimensioniert und zu kleinteilig möbliert. Trotz der dargestellten taktilen Wegeführung bilden die vielen Sitzgelegenheiten, Skating-Elemente usw. Hindernisse.
Der Kreuzungspunkt der beiden Achsen ist mit einer kleinen Bauminsel und Tischtennisplatten nicht angemessen ausformuliert und auch funktional fragwürdig. Ob Beachvolleyballfelder im Vorfeld eines Stadions und ohne Umzäunung adäquat und realistisch sind, wird ebenfalls bezweifelt. Eine Qualität ist aber, dass die Mittelzone der Ost-West-Achse in Verlängerung des Platanenhains von Hochbauten frei bleibt.
Östlich der nördlichen Sporthalle erhält die neue Sportwiese einen zwar geschützten, aber auch recht schmalen Raum mit ca. 1/3 der heutigen Fläche. Die Sportplätze auf der Halle befinden sich in kritischer Nähe zur Wohnbebauung an der Gaudystraße (Lärm, Flutlicht).
Ein Flutlichtmast soll in die vorgelagerte BVG-Tramwendeschleife verlegt werden. Damit liegt das einzige zu erhaltende, identitätsstiftende Element außerhalb des Parks und des Bearbeitungsbereichs. Diese Positionierung ist stark adressbildend, aber auf ihre Realisierbarkeit zu prüfen.
Die Arbeit geht vergleichsweise behutsam mit dem Baumbestand um und sieht Neupflanzungen im Verhältnis von gut 2:1 der Fällungen vor. Sie weist damit planerisch den größten Baumbestand auf. Im Widerspruch dazu steht der hohe Versiegelungsgrad. Hinsichtlich ökologischer Aspekte sieht das Preisgericht Nachbesserungsbedarf.
Die Erschließung der Tiefgarage und der oberirdischen Stellplätze über die schmale Topsstraße (Einbahnstraße), jeweils mit Überquerung der Grünanlage, wird kritisch gesehen. Auch sollten angesichts der Tiefgarage die oberirdischen Stellplätze an sich und in ihrer Verortung hinterfragt werden.
Die ovale und zum Vorplatz exzentrisch aufgeweitete Dachform des Stadions wirkt in der Draufsicht prägnant, wirft aber hinsichtlich der Entwässerung Fragen auf. In der Ansicht entspricht der Entwurf diesem Eindruck weniger. Die zwei vorgesetzten Wendelrampen sind bedingt raumbildend, deuten immerhin das Thema Inklusion an. Diesem Thema und dem Ziel, ein Stadion für alle zu schaffen, kommt dieser Entwurf am nächsten. Durchgängige Rampen im Innenraum, die sich mit den Rängen verschneiden, bieten inklusive Plätze an vielen Stellen des Stadions mit unterschiedlichen Qualitäten. Sie gewährleisten gleichzeitig die ebenengleiche Erreichbarkeit sanitärer Anlagen. Diese ringförmige Erschließung auch über die Sektoren hinweg stellt eine hohe funktionale und bildhafte Qualität der Arbeit dar. Darüber hinaus werden acht „Inklusionsboxen“ für Menschen mit kognitiven Einschränkungen geplant. Das Inklusionsstadion ist damit insgesamt sehr gelungen.
Die einfache Tragstruktur und die Architektur erreichen nicht die Prägnanz des Bestands. Ob der architektonische Ausdruck dem Thema der Inklusion und der Aufgabe insgesamt angemessenen ist, wird im Preisgericht kontrovers diskutiert.
Die große Dachfläche, die vielen Ebenen und die Höhe des Daches führen zu vergleichsweise hohen Kosten, obwohl die Konstruktion sehr einfach und gut baubar konzipiert ist.
Die Bedarfsanforderungen sind insgesamt erfüllt. Die geschickte Trennung der Entfluchtung von den Angriffswegen der Rettungskräfte stellt eine weitere besondere Qualität der gut durchdachten Arbeit dar.
Das Preisgericht formuliert folgende Hinweise für die weitere Bearbeitung im Falle der Beauftragung eines der Preisträger:innen.
2. Preis
- Die Dachform des Stadions ist im Hinblick auf die Entwässerung zu überprüfen.
- Die Geschossigkeit des Stadions ist im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu überprüfen.
- Die Sichtabstände von den Zuschauer:innenplätzen auf das Spielfeld sind zu verkürzen.
- Die Platzsituation vor dem Stadion ist klarer und großzügiger zu gestalten.
- Die Möblierung in der Nord-Süd-Achse ist im Hinblick auf die Inklusivität zu reduzieren.
- Die Funktionalität des Standortes des Begegnungszentrums am südlichen Eingang ist nachzuweisen.
- Für die Sportplätze auf der Halle an der Gaudystraße ist ein von der Wohnbebauung weiter entfernt gelegener Standort zu prüfen.
- Es ist zu prüfen, ob die Sportwiese größer dimensioniert werden kann.
- Der hohe Versiegelungsgrad ist zu reduzieren.
- Die Erschließung der Tiefgarage und der Stellplätze ist zu optimieren.
- Für den Flutlichtmasten ist ein innerhalb des Wettbewerbsgebietes gelegener Standort zu prüfen.
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Stadion und Beachvolleyball
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Lageplan
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Axonometrie
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Modell