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Städtebaulicher und freiraumplanerischer Wettbewerblicher Dialog | 03/2024

Klimavorzeigestadtteil Rothneusiedl in Wien (AT)

ein 3. Preis

RLP Rüdiger Lainer + Partner

Stadtplanung / Städtebau

Kräftner Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

TRAFFIX Verkehrsplanung GmbH

Verkehrsplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebaulich-freiraumplanerisches Konzept

Der prägnante Ansatz des Konzepts basiert auf der Grundidee, Stadt und Natur durch die Invertierung des klassischen Blocks, die sich in den sogenannten generischen Baufeldern ausdrückt, auf neue Weise zu verschränken.

Bewusst wird zugunsten eines zusammenhängenden fließenden Raumkontinuums auf Dichtebildung im klassischen Sinne verzichtet. Der grundsätzlich neuartige und spannende Ansatz wird gewürdigt.

Dieser Ansatz führt zu Bebauungsinseln in einem öffentlichen Freiraumkontinuum. Dadurch wird eine Vielzahl von Möglichkeiten und Varianzen sowohl im Freiraum als auch in den Baufeldern versprochen.

Die angestrebte Prägnanz des Konzepts kann aber in der weiteren Durcharbeitung nicht in Gänze eingelöst werden. Das Verhältnis von Bebauung zu Freiraum führt schlussendlich zu einer relativ gleichmäßigen Struktur und Dichteverteilung über das gesamte Areal. Die Äquidistanz zwischen den Blöcken verhindert vermeintlich Konflikte, letztlich aber auch die Beziehung im Sinne eines zusammenhängenden Stadtquartiers und einer starken Identität. Übrig bleiben einzelne Bausteine, die eher zu einer Individualisierung und Privatisierung führen als zu einem gemeinschaftlichen Quartier. Verstärkt wird dies durch das Anheben des Erdgeschossniveaus im Übergang zum Park.

Das Prinzip einer lockeren und klar abgegrenzten Setzung von Baufeldern mit den dazwischen durchlaufenden Grünkorridoren wird konsequent auch im Bereich des in Ost-West-Richtung ausgerichteten Zentrums fortgesetzt. Trotz einer erfolgten Verdichtung im Bereich dieses zentralen Bands bleibt der Zielkonflikt zwischen baulicher Dichte und Nutzungsdichte einerseits und dem Erhalt der Systematik der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Freiraumbänder andererseits bestehen. Die daraus resultierende weitläufige Längsausdehnung erschwert zudem die Etablierung eines starken Zentrums mit einer Verdichtung im Bereich des öffentlichen Verkehrsknotens.

Die generischen Baufelder sollen über eine Strukturwidmung vielfältige Bebauungsstrukturen ermöglichen. Diese angestrebte Varianz wird im finalen Beitrag jedoch nicht sichtbar. Die dargestellten Typologien weisen durchgängig hohe Trakttiefen und Mittelgangerschließungen auf, welche in der Konsequenz zu einer Ungleichheit in der Ausrichtung der Wohnungen zum Hof bzw. zum Freiraum führen.

Zudem wird das Regelwerk gleichmäßig über das gesamte Gebiet angewandt und lässt dadurch eine städtebauliche Schwerpunktsetzung vermissen.

Die Trennung zwischen privat, halböffentlich und öffentlich genutzten Freiflächen ist teilweise schwer nachvollziehbar und kann zu Konflikten insbesondere zwischen Wohnen und Park sowie hinsichtlich des Aufenthalts verschiedener Nutzer*innengruppen führen.

Die Fortführung der bestehenden Einfamilienhausstruktur mittels Patio- bzw. Reihenhäusern stellt den nachvollziehbaren Versuch einer sensiblen Reaktion auf die bestehende Nachbarschaft im Osten dar, wird aber in Bezug auf eine klimagerechte und zukunftsweisende Bautypologie sehr kritisch hinterfragt. Darüber hinaus stellt die vorgeschlagene Struktur einen starken Bruch zum zentralen Areal dar, der insbesondere im Bereich der Himberger Straße augenscheinlich wird.

Im Westen treffen die ansonsten polygonalen Baufelder mit einer harten, linearen Bebauungskante auf das Betriebsbaugebiet. Nicht nur der dadurch entstehende monotone Straßenraum, sondern auch der fehlende räumliche Puffer zum lauten Gewerbe wird kritisch gesehen, da Konflikte mit dem anschließenden Wohnquartier zu erwarten sind.

Grün- und Freiraumsystem

Entsprechend den stadträumlichen Grundprinzipien ist das Freiraumsystem des Quartiers als ein mit der Bebauung verwobenes Freiraumnetz in Form von linearen Korridoren organisiert. Eine klare Hierarchisierung und Differenzierung zwischen privaten, halböffentlichen und öffentlichen Freiräumen innerhalb dieser Korridore sind nicht ablesbar. Trotz des insgesamt hohen Grünflächenanteils entstehen innerhalb des Stadtteils keine größeren zusammenhängenden Parkflächen. Sowohl die „Grüne Visitenkarte“ im Norden als auch der Stadtpark im Süden lassen eine Großzügigkeit und Weite vermissen und erschweren die Integration des „Frühen Grüns“.

Das Fuß- und Radwegenetz innerhalb der Freiräume ist unvollständig dargestellt und bildet kein schlüssiges
Durchwegungs- und Erschließungssystem für den neuen Stadtteil. Aufgrund der großen Maschenweite
entstehen teilweise sehr lange Wegeverbindungen, die eine fußläufige Erschließung des Quartiers
erschweren.

Die starke Konzentration der Stadtlandwirtschaft auf einen im Westen des Quartiers vorgeschlagenen Gartenkorridor mit einer durchgehenden Feldstruktur erscheint im Hinblick auf die Verortung und die Frage der Bewirtschaftung und Nutzung nicht plausibel.

Für die atmosphärische und thematische Programmierung der verschiedenen Freiraumkorridore sind interessante Motive (Pflanzenharmonie, Wilder Park, Pflanzenkaleidoskop etc.) entwickelt worden, die jedoch in ihrer Zuordnung in den jeweiligen Teilräumen eine gewisse Beliebigkeit haben und keine klare Adressbildung und Orientierung innerhalb des Quartiers schaffen.

An den Knotenpunkten zwischen den Baublöcken werden an insgesamt sieben Orten, sogenannte „Verknüpfer“ vorgesehen, in denen die Angebote für soziale Treffpunkte, Kinderspiel und sportliche Aktivitäten räumlich konzentriert und gleichmäßig über den gesamten Stadtteil verteilt wurden. Durch ihre homogene Programmierung und gestalterische Ausformulierung wird die Adress- und Gemeinschaftsbildung jedoch nicht hinreichend unterstützt.

Das in die Freiraumkorridore integrierte System des Regenwassermanagements auf Basis von Fließwegen und Retentionsflächen erscheint plausibel und robust, wird jedoch nicht im Hinblick auf die geplanten Einzugsgebiete und den Umgang mit den gestalterischen und funktionalen Herausforderungen der zahlreichen temporären Wasserflächen ausgearbeitet.

Durch die relativ gute Ausrichtung der Grünkorridore an den bestehenden Durchlüftungsachsen und Kaltluftbahnen und die durchlässigen Gebäudestrukturen funktionieren die natürliche Belüftung und Luftzirkulation gut. Bestehende Gehölz- und Biotopstrukturen werden räumlich integriert. Es wird ein strategisch gut durchdachtes Verfahren zur Gewährleistung der Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft vor Ort mit dem ambitionierten Ziel einer Erhöhung des Biotopwertes, im Vergleich zur bestehenden Situation, vorgeschlagen.

Mobilitätskonzept / Verkehr

In der U-Bahnstation sind die Umsteigemöglichkeiten zur Stadt-Regio-Tram und den Buslinien an zwei unterschiedlichen Zugängen angeordnet. Dies führt zu längeren Umsteigewegen, vor allem zwischen der Stadt-Regio-Tram und den Buslinien, aber auch zwischen den Haltepunkten der Buslinien untereinander.

Die Unterbringung der privaten PKWs ist in Form von Mobilitätshubs vorgesehen. Die Erschließung der Siedlung für Feuerwehr, Polizei, Rettung, Umzüge, Handwerker*innen und weitere Dienste erfolgt über ein Netz von Quartierstraßen. Für die Quartierstraßen wird eine Breite von 4,00 m vorgeschlagen. Eine Zufahrtsregelung regelt das Befahren der Quartierstraßen, was Fragen der Funktionalität aufwirft.

Auf der Himberger Straße ist ein eigener Bahnkörper geplant. Ob eine solche Trasse nötig ist, wird in Frage gestellt. Zudem fehlt das Anpassen des Straßencharakters von einer Situation außerorts zu einer zukünftigen innerstädtischen Straße.

Das Projekt schafft mit Ausnahme der Umsteigeverhältnisse generell gute Voraussetzungen für einen klimagerechten Umgang mit der Mobilität.

Energie, Klima und Regenwassermanagement

Die städtebauliche Konfiguration ermöglicht ein potenziell gutes Mikroklima auf der Quartiers- und Straßenebene. Durch die Kompaktheit und Tiefe der Baukörper ergeben sich jedoch bei den einzelnen Wohnungen zumeist einseitig belichtete und belüftete Wohnungsgrundrisse. Die Gebäudetypologie ist demnach hinsichtlich sommerlicher Aufwärmung und einem gleichmäßigen Belüften eher nachteilig.

Aspekte der Kreislaufwirtschaft werden exemplarisch ausgeführt, sind jedoch in der generellen Gebäudetypologie nicht hinreichend angewandt.

Das Energiekonzept ist in seinen Grundzügen dargestellt und adressiert die wesentlichen Aspekte einer nachhaltigen und erneuerbaren Energieversorgung für den Stadtteil.

Das Regenwassermanagement erfüllt die Anforderungen der Ausschreibung.

Fazit

Das Team hat sich der Herausforderung gestellt, ein völlig neues Modell für den Klimavorzeigestadtteil im Zusammenspiel zwischen „schöner Stadt“ und „schöner Natur“ als zusammenhängendes, vernetztes Raumkontinuum zu entwickeln und zu testen. Die aus dem Konzept der Invertierung des Blocks und der fließenden Landschaft resultierenden Herausforderungen kann das Projekt jedoch nicht überzeugend räumlich und strukturell formulieren.
Modellfoto

Modellfoto