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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2022

Kohlenbunkerensemble in Gelsenkirchen

Perspektive Kohlemischanlage

Perspektive Kohlemischanlage

3. Preis

Preisgeld: 15.000 EUR

h4a Gessert + Randecker Architekten | h4a Gessert + Randecker + Legner Architekten

Architektur

GM013 Landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept
Das Kohlebunkerensemble liegt als Bestandteil der Zentralkokerei Nordstern auf einem weitgehend industriegeprägten Landschaftsraum: einer exponierten Insel, zwischen dem Rhein -Herne Kanal und der Emscher. In Sichtweite des Weltkulturerbes Zeche Zollverein strahlt es mit seinen Hochpunkten weit über die Grundstücksgrenzen hinaus und ist eine Landmarke. Um dieser exponierten Stellung gerecht zu werden, wird ein architektonisch freiraumplanerisches Konzept vorgeschlagen, dass der Internationalität gerecht wird.
Die Gebäude werden über mehrere Mobilitätsachsen erschlossen. Kommt man vom südöstlichen Parkplatz erreicht man die Kohlenwaschanlagen über eine bereits vorhandene Diagonale in der angehobenen Ebenen 01. Ein davor gelagerter Knotenpunkt von verschiedenen Zuwegungen wird als Treffpunkt und Adresse wahrgenommen. Betritt man das Industriegebäude führen neue barrierefreie Erschließungselemente durch das Haus. Von dort aus erreicht man auch die historische Bandbrücke, die Sie in luftiger Höhe bis zum Kohlebunker in 27,0 m Höhe führt. Mit den Impressionen des spektakulären Fernblicks in das Ruhrgebiet führen verschiedene neu eingefügte vertikale Elemente hinab zum Ausgangspunt des Rundwegs.

Gestaltung und Funktion
Die beiden Hauptbauwerke des Kohlebunkers und der Kohlemischanlage werden in Ihrer Grundkonstruktion weitgehend erhalten und durch gläserne Ein- und Aufbauten in ihrem Erscheinungsbild zu neuer Strahlkraft geführt. Dabei wird die Fassade des Kohlebunkers in der Ebene 01 bis auf die Stahlbetonkonstruktion zurückgebaut. Acht spektakuläre Trichter des Kohlepunkers werden damit frei gelegt und von außen sichtbar gemacht. Die umlaufenden Stahlbetonjochen der Außenfassade werden anschließend mit Stahl- Glaskonstruktionen ausgefacht. Damit wird nicht nur die ursprüngliche Funktion des Gebäudes erkennbar, man gewinnt gleichzeitig einen einer „Orangerie“ ähnelnden Veranstaltungsraum, der Platz für Empfänge schafft, temporäre Ausstellungen, Events, Cafés und somit zum „Herz“ und Mittelpunkt der gesamten Internationalen Gartenschau werden kann. Eine davor liegende Terrasse schafft mit der bereits vorhandenen Projektionswand die entsprechende Bühne für Zuschauer und Besucher an warmen Sommertagen. Über neu hinzugefügte und ertüchtigte Erschließungselemente erreicht man die Ebene 02, die barrierefrei ausgebaut wird und für Events, private Festlichkeiten und multifunktionalen Veranstaltungen als Innenraum zur Verfügung steht. Eine Etage darüber (Ebene 03), liegt die Roof-Top-Bar mit dreiseitiger begrünter Dachterrasse und einem spektakulären Fernblick über das zukünftige IGA-Gelände 2027.
Das Pendant zum Kohlebunker stellt die Kohlemischanlage dar. Während der Kohlebunker im Erdgeschoss frei gelegt wird und von unten strahlt, ergänzt eine filigrane Stahlglasdachkonstruktion die abgestaffelte Kubatur der Kohlemischanlage und strahlt von oben. Mit eingefügten Treppenhäusern und weiteren Ebenen wird sie zu einer Musteranlage für Aquaponic ausgebaut, die ebenfalls von außen sichtbar und ablesbar ist. Somit werden die kubisch-funktionalen Industriebauten aus dem vorherigen Jahrhundert zu transparenten und ablesbaren Anschauungsobjekten im Wandel der Zukunft.

Realisierbarkeit und Wirtschaftlichkeit
Während im vorherigen Jahrhundert fossile Brennstoffe in Form von Kohle tief aus der Erde gefördert wurden, kommt die Energie heute und zukünftig von der Sonne, dem Wind und den Wassersystemen der Atmosphäre. Die Sanierung der Gebäude sollte dies auch widerspiegeln und sichtbar machen. Als Idee steht daher der Wandel der Energie von „schwarz in grün“ im Vordergrund. Sonnen- und Windenergie werden über PV-Anlagen und Windräder auf dem IGA- Gelände gewonnen und in Lithium-Ionenspeichern, die sich z. B. in den Trichtern des Kohlebunkers untergebracht werden können, zusammengeführt. Über die Bandbrücke kann dann kontinuierlich Strom in ausreichender Menge, zum richtigen Zeitpunkt und dort eingesetzt werden, wo er gebraucht wird, z. B. für die Wasserumwälzung und Belichtung der Aquaponic-Anlage oder für Events im Kohlebunker.
Somit hat sich zwar die Energiegewinnung im Zuge der Jahrhunderte gewandelt, die dafür vorgesehenen Gebäude können aber weiterhin genutzt werden. Es entsteht ein energieeffizienter, nachhaltiger und unabhängiger Kreislauf, der mit der Zeit geht und die bislang eingesetzte „Graue Energie“ erhält.
Die Maßnahmen beschränken sich auf das Notwendigste um die alte Bausubstanz zu sanieren, Sicherheitsmängel zu beseitigen, Barrieren abzubauen und das Nutzungsprofil der Anlage fit für die Zukunft zu machen. Dies sind sinnvolle Investitionen, die sich mit den Jahren bald amortisiert haben werden. Ein Gewinn für die Menschen, die Region und das Land.

Beurteilung durch das Preisgericht

Den Bestand respektierend entwickeln die Entwurfsverfasser*innen die Gebäude aus Kohlenbunker und Mischanlage als schlüssiges Gebäudeensemble. Mit nur wenigen akzentuierenden Eingriffen durch gläserne Ein- und Luftbauten erhalten die Bestandsgebäude eine für die Aufgabe angemessene Strahlkraft. Die vierseitige Öffnung des Kohlenbunkers durch eine umlaufende Verglasung öffnet den Kohlenbunker und gewährt umfängliche Einblicke. Gleichwohl wird hier eine klare Ausrichtung der Verglasung vermisst und die durchgängige Belichtung wirkt im Innenraum wenig spannungsvoll. Eine auf der Westfassade positionierte Treppenanlage gewährleistet die Erschließung aller Nutzungsebenen, wobei die Schichtung von Treppenauflage, Fassadenbegrünung und Verglasung nicht überzeugt. Über die nach Nordosten ausgerichtete Terrasse erfolgt die Adressierung des Kohlenbunkers auf die Ebene 1 mit Gastronomie und Eventbereiche. Diese Gastflächen sind abteilbar und getrennt zur übrigen Hüllfläche beheizbar. Entsprechend der Aufgabenstellung befindet sich der klar strukturierte Eventbereich auf der zweiten
Ebene und die Rooftop-Bar mit Dachterrasse auf der dritten Ebene. Die Nutzung der hohlen Trichter als Energiespeicher wird begrüßt, auch die Einsichtebene von der Eventebene in den Kohlentrichter wird positiv bewertet.
Die Beschränkung der wandgebundenen Begrünung auf die oberen Stockwerke der Westfassade des Kohlebunkers lässt die dauerhafte Entwicklung dieser grünen Fassade erwarten und wird von der Jury sehr begrüßt. Der Vorschlag überzeugt sowohl technisch-funktional als auch unter dem Aspekt der Kosten für die langfristige Pflege der Fassadenbegrünung. Dagegen überzeugen die hängenden Rankpflanzen entlang der Verbindungsbrücke weder gestalterisch noch erscheint es möglich, hier für tiefwurzelnde Pflanzen ausreichend große Tröge mit einem entsprechenden Substratvolumen installieren zu können.
Die Kohlenmischanlage wird mit einer Stahl-Glaskonstruktion deutlich ausgebaut und bildet damit das Pendant zur Glaskonstruktion in der unteren Ebene des Kohlenbunkers. In dem Gebäude sind ein Gewächshaus und ein Forschungsbereich auf den Ebenen zwei und vier vorgesehen sowie eine umweltschonende Fischzucht auf der Ebene drei.
Die Gefahrenwege auf die brandschutzrechtliche Rettungswege werden erfüllt. In den Flächenkennwerten liegt das Konzept für den Kohlenbunker im mittleren Sollbereich, die Kennwerte der Kohlenmischanlage überschreitet durch die Ergänzung eines großzügigen Glasbaukörpers die Flächenangaben, was unter wirtschaftlichen Aspekten kritisch diskutiert wird. Durch die klare Ordnung und wertvollen Interventionen bietet der Entwurf einen insgesamt in sich schlüssigen und angemessenen Wettbewerbsbeitrag, wobei das Konzept jedoch in Teilbereichen wie Fassadengestaltung und Fassadenbegrünung nicht vollumfänglich überzeugen kann.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Kohlebunker

Grundriss Kohlebunker

Entwurfskonzept

Entwurfskonzept

Kreislaufsystem - Gewächshaus

Kreislaufsystem - Gewächshaus

Schnitt Kohlemischanlage

Schnitt Kohlemischanlage

Ansicht West

Ansicht West