modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Kooperatives Werkstattverfahren | 01/2022

Kur- und Rehastandort Aachen Burtscheid

ein 2. Preis

scape Landschaftsarchitekten

Stadtplanung / Städtebau

scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft mbh

Architektur

Erläuterungstext

Kur- und Gesundheitsstandort Burtscheid

Neue Zugänge. Neue Perspektiven. Alte Prägungen.


Das Kur- und Gesundheitswesen des traditionsreichen Quellort Burtscheid mit seiner bis in die Römerzeit zurückreichenden Geschichte des Bade- und Kurwesens prägt bis heute das soziale und wirtschaftliche Leben im Stadtteil. Ziel ist es, neben der Anpassung an die aktuellen Erfordernisse im Reha- und Gesundheitswesen eine ganzheitliche Zukunftsperspektive für den Kur- und Gesundheitsstandort Aachen-Burtscheid zu entwickeln. Teile der verschiedenen Reha - und Kurangebote in Burtscheid sollen auf einen Campus konzentriert werden. Darüber hinaus jedoch ist es Ziel, das Thema der Gesundheit im gesamten Stadtteil als prägendes Thema zu etablieren und sichtbar zu machen. Das Thema “Gesundheit” soll über das Reha- und Kurwesen hinaus weitergedacht und im Alltag der Menschen vor Ort erlebbar werden: die Nutzung verschiedener Indoor- und Outdoor- Therapieangebote, gemeinsame Sportaktivitäten im Ferberpark oder Fußbäder und Entspannung in offengelegten Quellbereichen des Thermalwassers.

Das Klosterareal soll dabei als neuer Impulsraum zu einem modernen, für den Stadtteil geöffneten Gesundheitscampus entwickelt und durch weitere Infrastrukturen ergänzt werden.

Unter Betrachtung des demographischen Wandels und Veränderungen von Lebensstilen und Gewohnheiten, werden Neu- und Umbauten sowie die freiräumliche Aufwertung den vielfältigen Wohn-, Lebens- und Nutzungsansprüche einer sich diversifizierenden Gesellschaft gerecht. Dabei soll Burtscheid sowohl als Kurstandort den Bedarfen des Kurwesens für Gäste und Patientinnen und Patienten gerecht werden als auch der Bevölkerung und den Unternehmen vor Ort ein Quartier mit modernen Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsformen bieten.

Der Stadtteil gliedert sich funktional mit den Teilräumen nach der Grundlage historischer Prägungen und Epochen. Mit verschiedenen städtebaulichen und freiraumplanerischen Besonderheiten, die im Kontext der Planung weitergedacht werden, kann auf die Anforderungen eines gesunden Stadtteils reagiert werden. Hierbei geht es sowohl um die medizinische Versorgung wie auch um die gesundheitliche Vorsorge, Prävention bzw. Nachsorge.


Die Prämissen der Planung umfassen folgende Leitgedanken:

• Den Zeitgeist verschiedener Epochen insbesondere bezogen auf das Thema Gesundheit verstehen, Schätze bewahren und Historisches wiederbeleben

• Nutzungen und Funktionen verschiedener Teilräumen ausdifferenzieren, etablieren und miteinander in Einklang bringen

• Den Kurpark als grün-blaue Mitte ausbilden sowie Zugänglichkeit, Nutzbarkeit und Erlebbarkeit optimieren

• Rad- und fußläufige Wegeverknüpfungen zwischen den Teilräumen ausbauen und attraktivieren

• Die Stärkung der "Burtscheider Mischung" und die Verzahnung von Gesundheitseinrichtungen, Freiraum, Wohnen, Kultur, Versorgung


1) Städtebau und Nutzungen:

Behutsame Nachverdichtung im Bestand unter Wahrung historischer Strukturen!

Abwechslungsreicher Nutzungsmix mit besonderem Schwerpunkt auf Gesundheit für eine besonders vielfältige Gesellschaft!


Die Anforderungen an die städtebaulichen Entwicklung ergeben sich vor allem aus den bestehenden Baustrukturen im näheren Kontext sowie aus der Nutzungszuteilung der Teilflächen. Öffentliche Raumsequenzen und die Vernetzung der gewachsenen Baustruktur des Stadtgebietes bilden das neue Rückgrat des Stadtteils Burtscheids. Infolge der Qualifizierung der Teilflächen sollen diese miteinander verbunden werden und atmosphärisch zusammenwachsen. Dabei soll sich ein prägendes, wiederkehrendes Erscheinungsbild durch den Stadtteil und die sich daran anrainenden Teilflächen ziehen.

Die neue Mitte und grüne Lunge des Stadtteils bildet der Kurpark mit seiner Topografie und der besonderen Prägung durch das Quellwasser. Er wird baulich freigehalten, freiraumplanerisch gestaltet und die historische Bedeutung von Terrassen und Quellverläufen sichtbar und erlebbar gemacht. Einen besonderen Stellenwert erhält der Kurpark klimatisch zugunsten der Kalt- und Frischluftversorgung der angrenzenden Bebauung. Die Bebauung auf der Teilfläche Rosenquelle wird zurückgebaut und damit der Kurpark freiräumlich arrondiert. Stattdessen bildet ein landschaftliches Entrée mit dem verlagerten barocken Couven-Pavillon den kultureller Auftakt und neuen Stadtteileingang.

Der Kurpark fungiert als räumliches Gelenk zwischen den Teilflächen. Der Park zieht sich als Begegnungsort mit seinen landschaftlichen und kulturellen Besonderheiten funktional und optisch über die Kurbrunnenstraße bis zum Viadukt und orientiert sich dabei an der historischen Abgrenzung des Parks. Am Viadukt soll auf einem begrünten Platz das Thema von Kunst und Kultur modern inszeniert werden. Während eine u.a. als Open-Air-Gallery nutzbare Veranstaltungsfläche vor der Kulisse des Viadukts freiräumlich zum Aufenthalt einlädt, ergänzt der mittig platzierte Pavillon einen überdachten Raum für weitere Kultur-, Informations- oder Festveranstaltungen. Die denkmalgeschützte Viaduktfassade erzeugt eine Fernwirkung in Richtung Kloster und Kurgarten. Dies sollte bei einer Gleisergänzung berücksichtigt werden. Die attraktive Platzgestaltung in sich öffnender Lage zum Stadtteil dient der Aneignung durch unterschiedlichste Bevölkerungsschichten und verklammert Burtscheid mit dem Frankenbergviertel und der Aachener Innenstadt.

Die ehemalige Tuchfabrik, die durch die topographischen Gegebenheiten und imposante Architektur in weiten Teilen des Stadtteils wahrnehmbar ist, bettet sich funktional in das Thema “Gesundheit” ein und kann als Ausbildungsstandort für das Gesundheitswesen zur Nachhaltigkeit und Verstetigung des Kur- und Gesundheitsstandortes Burtscheids beitragen. Verschiedene und experimentelle Wohnangebote, die auf künftige gesellschaftliche Anforderungen reagieren, flankieren die Teilfläche. Hochbaulich tritt die neue Bebauung hinter der Tuchfabrik zurück. Eine großzügig gestaltete Durchwegung bindet die topographisch höher gelegene Teilfläche in den Stadtteil ein.

Südöstlich des Kurparks gliedert sich die Teilfläche des Klosterareals und Michaelsbergstraße an. Nutzungsspezifisch bilden sich drei Schwerpunkte. Das ehemalige Kloster setzt sich mit der Bebauung im Blockinnenbereich zum neuen Gesundheitscampus zusammen, der insbesondere durch die öffentliche Durchwegung und die Freiraumgestaltung einen Mehrwert für Gäste, Touristen und Stadtteilbewohnerinnen und -bewohner entfaltet. Die Entwicklung einer campusartig verräumlichten Gesundheitsstruktur im Stadtteil wird durch Synergien und Spillover-Wirkungen gestützt. Insbesondere der Klinikneubau im Klostergarten vernetzt sich freiräumlich und funktional insbesondere mit dem nahegelegenen Marienhospital. Die Bebauung erfolgt längs zur Talachse. Sie prägt eine Kante zur Bestandsbebauung aus, ohne diese zu isolieren. Durchlässigkeiten zur Siedlung “In den Heimgärten” werden baulich und freiraumplanerisch berücksichtigt.

Sichtbeziehungen auf das Kloster und die Anbindung zum neuen Campusgelände binden die Historie in die Neuplanung mit ein. Die eher kleinteilige Neuplanung ordnet sich den historischen Gegebenheiten des ehemaligen Klosters und der Maßstäblichkeit des historischen Stadtgrundrisses unter. Vorhandene Frischluftkorridore werden durch eine geringe Versiegelung und niedrige Geschossigkeit berücksichtigt. Akzentuiert wird der öffentliche Raum mit seinen Platzgelenken durch viergeschossige Hochpunkte.

Dem Verlauf der Dammstraße folgend, reiht sich die Teilfläche des Schwertbades an. Die Nutzung umfasst zum einen die neue Rehaklinik, dessen Gebäude architektonisch an das vorherige Schwertbad angelehnt ist. Zum anderen wird eine Blockrandbebauung mit weiteren Wohnangeboten geschaffen, die die bestehende Baulücke füllt und sich in das Wohnprojekt Quartier 74 einfügt. Möglich ist hierbei die Ausrichtung auf Mehrgenerationenwohnen oder betreute Wohnangebote. Hochbaulich wird die anspruchsvolle Topographie mit verschiedenen Geschossigkeiten ausgeglichen.

Eine öffentliche Durchwegung, ausreichend Grünflächen und die Platzierung eines Spielplatzes vervollständigen die Teilfläche. Die Wegeverknüpfung erfolgt vom Burtscheider Markt über die Straße Adelberg durch ein Luftgeschoss in den neuen Blockinnenbereich.

Insgesamt sollen Nutzungskonzepte mit anteiligem Wohnungsneubau verfolgt werden, die zusätzliche Angebote für ruhiges, gesundes und erschwingliches Wohnen vorhalten (unterschiedliche Gebäudetypologie und Wohnformen, 40% der Wohnfläche öffentlich geförderter Wohnungsbau,..) und zur lebendige Gesamtentwicklung des Stadtteils beitragen.


2) Freiraum und Wasser:

Historische Elemente unter Berücksichtigung der verschiedenen Zeitgeister wiederbeleben.


Für die Kur- und Bäderstadt Aachen steht das Wasser als besonderes historisches Element. Durch akzentuierte Offenlegung des kalten und warmen Baches, wird eine Thermalwasserroute ausgebaut, welche sich als blauer Faden vom Burtscheider Markt bis zum Viadukt zieht. Wasser - beruhigend und vitalisierend regt es die Sinne an und trägt zur physischen und psychischen Gesundheit des Menschens bei. Auch im neu gestalteten Klostergarten regen angelehnt an die historischen Nutzgärten, Duft- und Heilpflanzen zur Sinnes- und Aromatherapie an. Brunnenplätze als wiederkehrende Gestaltungselement ergänzen das Konzept im Klostergarten und an weiteren Erlebnispunkten innerhalb des Stadtteils.

Durch das Zusammendenken von Grünräumen und Wasser als verzahnendes Element, fungieren die blau- grünen Bänder als grüne Lunge und Frischluftschneise von Burtscheid, sodass der klimatischen Erwärmung in Innenstädten positiv entgegengewirkt werden kann. Eine Feuchtwiese, die den mäandrierenden Bachlauf im Kurpark begleitet, soll auch ein Beitrag zur ökologischen Aufwertung und Schaffung der Artenvielfalt in Burtscheid beitragen.

Der Kurpark – als grüne Mitte von Burtscheid fungiert als verknüpfendes Bindeglied. So werden wichtige Eingänge sowie Knotenpunkte aufgewertet und neustrukturtiert. Durch direkte Wegeverbindungen zwischen Klostergarten und Kurpark schließen sie sich zu einem freiräumlichen Wege- und Raumkonzept zusammen. Die im Kurpark vorhandenen historischen Terrassen werden aufgegriffen und entlang der Michaelbergstraße ergänzt. Blütenbäume entlang der Michaelsberg-Promenade werten den verkehrsberuhigten Straßenraum zudem auf, schaffen einen erweiterten barrierefreien Aufenthalts- und Bewegungsort und erweitern optisch den Kurpark. Auch der Ferberpark wird als attraktive Kurparkroute zur Sport-und Gesundheitsförderung durch eine Grünvernetzung stärker an den Klostergarten und den Kurpark angebunden.


3) Mobilität :

Gesamträumliche Vernetzung zentraler Funktionsorte und nachhaltige Mobilität stärken



Der neuen Erschließungsstruktur liegt ein ausgewogenes Verkehrssystem zugrunde, das die Ansprüche des Fuß- und Radverkehrs mitdenkt und neu berücksichtigt. Straßenquerschnitte für den MIV werden auf das notwendige Maß reduziert. Der Ausbau der Fuß- und Radwege ermöglicht eine autoarme Erschließung mit kurzen Wegen für Fußgänger und Radfahrer mit Vernetzungen mit der Innenstadt, dem Hauptbahnhof und dem Frankenberg-Viertel. Insbesondere auf der Michaelsbergstraße und der Dammstraße wird der MIV- Verkehr ausgeschlossen bzw. auf den Anliegerverkehrreduziert. Lediglich die Zufahrt zum Mobility-Hub im Klostergarten ist von der Kurbrunnenstraße gesichert. Eine überörtliche Fahrradachse wird vom Kapellenplatz, über den Burtscheider Markt und der Dammstraße separiert von anderen Verkehren ausgebildet. Im Bereich der Auftaktplätze sollen Stellplätze sowie Verleihstationen für Fahrräder integriert werden, um einen weiteren Anreiz zu schaffen, auf das private Auto zu verzichten. Entsprechend der

erforderlichen Stellplätze sind im Klostergarten, Ferberpark sowie im Wohnquartier “Am Schwertbad” Mobility-Hubs und unter dem Platz am Viadukt eine Tiefgarage untergebracht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Stärke der Arbeit liegt in der klaren Idee, den Park als grünes Zentrum Burtscheids zu qualifizieren und den Bach als lebendiges Element in den Mittelpunkt zu rücken. Das neue blau-grüne Band beginnt am Burtscheider Markt in urbaner Prägung und wird in unterschiedlich gestalteten Sequenzen bis ins Frankenberger Viertel fortgeführt. Für diese Durchlässigkeit werden die baulichen Bestände der Rosenquelle zurückgebaut und der Park bis an das Viadukt herangeführt sowie eine Wegeverbindung zum Frankenberger Viertel aufgezeigt. Der nördliche Abschluss der Kurbrunnenstraße mit dem 10-geschossigen Baukörper wird als neuer Stadteingang akzeptiert und demzufolge erhält der Parkeingang an der Ecke Kurbrunnenstraße / Dammstraße nur eine zurückgenommene bauliche Akzentuierung mit einem Pavillon.

Die Kurbrunnenstraße wird als Teil des Parks verstanden und verkehrlich gedrosselt. Die westlich und östlich rahmenden Straßenräume Dammstraße und Michaelsbergstraße werden verkehrlich zurückgenommen: Die Dammstraße wird als urban aufgefasste Promenade für Fuß- und Radverkehr angelegt und die Michaelsbergstraße bildet eine landschaftlich geprägte Kante zum Park aus. Der Park wird durch neue Wegebeziehungen und Anschlüsse stärker mit den angrenzenden Räumen vernetzt. Dies erfolgt durch Treppenanlagen, barrierearme Erschließungen sind nicht vorgesehen.

Auf dem Klosterareal wird ein kleinteiliger Ansatz verfolgt, der differenzierte Bauvolumen und Freiflächen vorsieht. Die baulich-räumliche Dichte und die kleinteilige Vielgestaltigkeit werden jedoch kritisch gesehen: sowohl die Kliniknutzung des Areals als auch der gewünschte Mehrwert für die Alltagsnutzung in Burtscheid sind nicht erkenn-bar. Mit der städtebaulichen Anlage wurde der vorhandene Baumbestand nicht erhalten, jedoch der vorhandene bauliche Bestand respektiert. Die vorgeschlagene bauliche Ausformulierung im Bereich der Klosteranlage kann nicht überzeugen, demgegenüber ist die Einbindung des historischen Schulgebäudes positiv hervorzuheben. Der Mobilitätshub am nördlichen Abschluss wird sowohl in seiner Nutzung als auch in der Massivität kritisch gesehen, dies betrifft auch die städtebauliche Orientierung mit ihrem negativen Effekt für die Kaltluftschneise. Demgegenüber wird die stadträumliche Einbindung des südlich an der Zeise platzierten Hubs als gelungen erachtet.

Am Standort Jägerstraße wird eine bauliche Ergänzung mit experimentellen Wohnformen und öffentlichem Treff-punkt vorgeschlagen, ein Nutzungsprogramm bleibt vage und die städtebauliche Lösung im Kontext der Tuchfabrik kann nicht überzeugen. Die vorgeschlagene Lösung am Schwertbad schießt über das gesteckte Ziel einer baulichen Nachverdichtung hinaus und ignoriert den Bestand.

Insgesamt besticht die Arbeit durch die starke Durcharbeitung und die Stärkung der Freiraumqualitäten Burtscheids, demgegenüber können die städtebaulichen Ansätze nicht ganz überzeugen.