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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2019

Landesgartenschau 2022 Bad Gandersheim

Anerkennung

Preisgeld: 8.750 EUR

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Bad Gandesheim ist ein anerkanntes Sole-Heilbad im Tal des Flusses Gande. Die Stadt blickt auf eine 1200-jährige Geschichte zurück und ist als Kur-, Kultur und Festspielstadt weit über seine Grenzen hinweg bekannt. Einen Teil dazu hat die erste deutsche Dichterin „Roswitha“ beigetragen, die der Stadt den Beinamen „Roswithastadt“ gegeben hat. Naturräumlich ist die Region neben dem Leine- und Weserbergland vor allem durch das Harzvorland geprägt. Diese besondere landschaftsräumliche Situation im südlichen Harzvorland ist das Ziel vieler Wanderer. Die Stadt selbst liegt im Becken von Gandersheim, von ihr aus hat man einen Blick auf den östlich liegenden Oberharz. In den fruchtbaren Tallagen der Beckenlandschaft verlaufen die Flüsse Gande und Eterna, die ihren Zusammenfluss im Bereich des Sole-Waldschwimmbades haben.
Diese landschaftlichen Merkmale und die gewachsenen Wald- und Gewässerstrukturen machen das Gelände zu etwas Besonderem. Die Landesgartenschau hat die einmalige Chance, in einem Gelände mit gewachsenen Strukturen stattzufinden, während die Bad Gandersheimer durch das Instrument Gartenschau nach 2022 einen qualitativ aufgewerteten und in seinen Charakteristika geschärften Wald-, Kur- und Aue-Park erhalten.

Das Ziel der Landesgartenschau ist die Schaffung neuer Impulse für Bad Gandersheim, um den verstaubten Kurcharakter abzulegen und neue und jüngere Zielgruppen anzusprechen. Diesbezüglich muss vor allem der Bereich des Kurparks mit seinen in den 1960er Jahren errichteten Rehakliniken und Gesundheitseinrichtungen aufgewertet werden. Es müssen neue Infra- und Freiraumstrukturen geschaffen und in eine nachhaltige Entwicklung integriert werden.

Die Landesgartenschau greift die vorhandenen Potentiale der Landschaft auf und macht sie durch verschiedene Inszenierungen für alle Generationen nutzbar. Es werden neue Attraktoren geschaffen und vorhandene Elemente bekommen neue Werte. Naturräume werden durch Spielplätze oder Aussichtsplattformen in Szene gesetzt. Das dynamische Konzept bildet den Grundstein für eine neues zukunftsorientiertes Image der Kurstadt Bad Gandersheim.

KONZEPT
Der Park ist in drei Zonen unterteilt, die sich sowohl charakterlich als auch in ihrer Nutzung unterscheiden: Auepark, Kurpark und Waldpark. Ein weiteres Kernelement des neuen Parks wird das Wegekonzept bilden. Ein schneller Weg verbindet die verschiedenen Kur- und Kultureinrichtungen miteinander aber auch mit der Innenstadt und den überregionalen Rad- und Wanderwegen. Ein schwungvoller Weg dient als Ergänzung und lädt zum Schlendern im Park ein. Mit dem schnellen Hauptweg wird die städtische Materialität (Asphalt/Beton) in den Park hineingetragen und hebt die Verbindung und Geschwindigkeit hervor. Die untergeordneten Wege nehmen die Materialität der einzelnen Parkzonen auf (Holz/Wassergebundene Wegedecke/Pfaster). Durch dieses Wegekonzept entstehen gleichzeitig Rundwege durch die drei Parkzonen, sodass der Besucher beim Spazieren gehen die Vielfalt des Geländes erfährt und die unterschiedlichen Charaktere der Zonen erleben und spüren kann.

ENTWURF
Waldpark
Der südliche alte Baumbestand wird im Wald wird durch heimische Gehölze ergänzt. Durch ein forstlich gepflegten und an einigen stellen gelichteten Baumbestand wird ein Wald gebildet der eine verwunschene, zum Entdecken anregende Atmosphäre ausstrahlt. Der Waldboden wird durch den geringen Lichteinfall mit keinen Sträuchern, Moosen bzw. den Nadeln, Blättern und Tannenzapfen gebildet. Lediglich in den Lichtungen entstehen freie Rasenflächen, die zum Verweilen und zum aktiven Walderlebnis einladen. Die reinen, mit ätherischen Ölen der Nadelbäume versetzte Luft bietet zudem die Möglichkeit zum Waldbaden, einer besonderen Psycho-, Körper- und Naturtherapie. Die Wege um den südlichen Osterbergsee bleiben erhalten und werden lediglich durch Wege entlang der Lichtungen ergänzt.
Kurpark
Der Kurpark bleibt in seiner durch die umliegenden Straßen und dem Viadukt geprägten Form erhalten. Er wird jedoch in einigen Teilen angepasst und aufgewertet. Hauptbestandteil bleibt der geschnittene Rasen und die vereinzelten bestehenden Solitärgehölze, die das Bild eines englischen Landschaftsparks bilden. Um den Parkcharakter hervorzuheben werden Teilbereiche in der Strauchschicht etwas ausgelichtet, so wird der Bahndamm wieder Teil des Kurparks und die Ufer werden von den Wegen aus sichtbarer. Die formale Wegestruktur bleibt erhalten und wird durch wichtige Wege zu Anschlussorten ergänzt. Kleine Anpassungen in der Ausgestaltung der Beetformen und der Wegestruktur werden vorgenommen. Die erneuerten und aufgewerteten Rasenfächen laden zum Sonnenbaden, Picknicken, zum Pflanzen bewundern, zum Wasser bestaunen und zum Kaffee trinken auf den verschiedenen Gastronomieterrassen ein.
Auepark
Der Auepark bietet bereits jetzt eine sehr naturnahe Atmosphäre, diese wird durch das Hervorheben einzelner Potentiale noch intensiviert. Entlang der Gande entstehen Retentionsflächen aus Röhricht und Weiden und kleine Stege über die Seen bieten die Möglichkeit Vögel, Libellen und Frösche zu beobachten. Ein Naturlehrpfad für Klein und Groß soll den Besuchern ermöglichen, die Landschaft zu erkunden und kennenzulernen.

Wegekonzept – Verbinden & Zusammenbringen
Die drei Zonen und die Stadt verbindet der schnelle Hauptweg. Dieser Weg besteht aus einem Asphaltweg mit einer hellen Abstreudecke. Gefasst wird der Weg mit einem 30 cm breiten Streifen aus großformatigen Betonplatten. Als großer Rundweg für die Gartenschau führt der Weg aus der Altstadt über die Gandepromenade an die Buntsandsteinterrasse, welche als Knoten- und Orientierungspunkt dient. Innerhalb des geschlossenen Gartenschaugeländes bildet der Hauptweg zusammen mit dem geschwungenen untergeordneten Wegen einen Rundweg zwischen dem Kloster Brunshausen und der Paracelsus Klinik am See. Daneben bieten viele kleinere Wege die Möglichkeit abzubiegen und kürzere Strecken zurückzulegen.

Buntsandsteinterrasse
Der Mittelpunkt des neuen Parkensembles wird die Buntsandsteinterrasse. Hier werden sich die Menschen treffen oder neu orientieren, wenn sie sich im Parkgelände bewegen. Die große Terrasse mit Buntsandsteinbelag, welcher sich an die natürlichen Resourcenvorkommnisse der Region anlehnt, enthält diverse Ausstattungselemente, wie Leuchten und kunstvolle Blumenrabatten, Gastronomie, eine schwimmende Seebühne und ein Angebot an Wassersportaktivitäten. Das Bestandsgebäude wird zukünftig durch ein Hotel bespielt, welches die Außenterrasse für Gastronomie nutzen kann. Während der Gartenschau besteht die Möglichkeit den Hotelbetrieb räumlich von der Gartenschau zu trennen.
Betrachtungsbereich westlicher Kurpark
Der Kurpark bleibt in seinen Grundstrukturen erhalten. Das leerstehende Kurgebäude wird abgerissen und durch einen Neubau, der als Jugendherberge genutzt wird ersetzt. Als Angebot für Jugendliche wird neben einer an das Gebäude angrenzende Terrasse eine Holzplattform an den bestehenden Teich gesetzt. Hier können kleinere Aufführungen stattfinden oder beim abendlichen Grillen kann entspannt werden. Südlich der Jugendherberge wird eine Aktivfläche mit verschiedenen Klettermöglichkeiten errichtet. Die Bäume werden weitestgehend erhalten und spenden Schatten. Das bestehende Café westlich des Parks wird durch eine Außengastronomieterrasse ergänzt. Entlang der Gande führt die neue, befestigte Gandepromenade die Nutzer von der historischen Altstadt bis in den Kurpark.
Landesgartenschau-Themen
Entlang des Hauptweges verteilen sich die Gartenschauobjekte wie an einer Perlenkette, die zum Teil temporären, aber auch dauerhaften Charakter haben können. Das Motto „Wasser“ zieht sich über das gesamte Ausstellungskonzept, die thematischen Schwerpunkte Familie, Wellness, Gesundheit, Bewegung und Kultur werden entlang des Weges aufgegriffen und an passender Stelle erlebbar gemacht. Das Thema Familie erhält eine Sonderposition, indem die verschiedenen Aktivitäten für alle Generationen nutzbar sind. Die anderen Themen werden in die natürlichen Gegebenheiten der verschiedenen Zonen integriert.
Außerhalb des Landesgartenschaugeländes werden die Stationen ebenfalls durch das alles verbindende Element, den Hauptweg, zusammengehalten. Angefangen am östlich gelegenen Stadtgarten geht es durch den Kurpark über die Gandepromenade zur Buntsandsteinterrasse, wo die verschiedenen Aktivitäten neben der Gastronomie und Wassersportangeboten, auch die große Veranstaltungsbühne ist. Der Osterbergersee bietet die Möglichkeit mit Hilfe das Thema Bewegung und Kultur aufzugreifen. Weiter entlang des Sees geht es durch den Wald entlang an kleineren Ausstellungslichtungen, einem Wasserspielplatz, der kleinen Waldseebühne und dem grünen Klassenzimmer bis hin zu den südlichen Blumenschauhallen. Nördlich der Buntsandsteinterrasse geht es durch den Kurpark. Hier befindet sich ein konzertiertes Areal verschiedener Schaugärten. Es geht um die Heilquellen, den Garten der Sinne, Yoga und Kneipp-Erlebnis. Hier wird Platz für gärtnerische und nicht gärtnerische Ausstallungsflächen geboten. Verlässt man den Kurpark am Übergang der Dr.-Heinrich-Jaspers-Straße gelangt man in den Auepark. In Anlehnung an den Bestand wird hier das Thema Natur aufgegriffen. Ein Naturlehrpfad für die ganze Familie macht auf die Flora und Fauna in diesem Teil des Parks aufmerksam. Den Abschluss bildet der Klostergarten mit einem kontemplativen Charakter.

Zaunführung
Die zukünftige Zaunführung umschließt das westliche Gelände mit Ausnahme des Sole-Waldschwimmbad und der Paracelsus-Roswitha-Klinik, sodass der Betrieb durch die Landesgartenschau nicht beeinträchtigt wird. Die Grenze verläuft entlang der Terrasse der Paracelsus-Roswitha-Klinik, südlich der Klinik entlang der Hildesheimerstraße und nimmt den Zaunverlauf des Freibades auf. Westlich wird das Gelände größtenteils durch den Flusslauf der Eterna begrenzt. Während der Gartenschau ist das ganze Gelände umzäunt. Wanderer haben die Möglichkeit das Gelände im Westen zu umgehen. Der Haupteingang befindet sich im Süden an der Paracelsus-Klinik am See, weitere Eingänge befinden sich an der Buntsandsteinterrasse, nördlich des Sole-Waldschwimmbad und gegenüber dem Kloster. Ausgänge im Westen in den Wald sind optional. Ein großer Auto- und Busparkplatz befindet sich am südlichen Haupteingang.
Erschließung und Besucherführung
Die mit dem PKW anreisenden Gartenschaubesucher werden auf dem südlichen Parkplatz neben der Paracelsus-Klinik am See parken. Den Weg zum Haupteingang legen sie zu Fuß zurück, wo sie entlang einer Baumreihe zu einem neu gestalteten Platz kommen. Während der Gartenschau können Reisebusse hier anhalten und ihre Passagiere ein- und aussteigen lassen. Nach der Gartenschau können die Parkplätze zurück gebaut werden.
Bad Gandersheim steht jetzt schon für Gesundheit und Wellness, Erholung und Natur und für erlebbare Geschichte. Diese Themen werden durch dieses Konzept intensiviert und vor allem für jüngere Zielgruppen attraktiviert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Leitidee der Arbeit besticht durch eine klare Dreiteilung des Wettbewerbsgebietes: Auepark, Kurpark und Waldpark. Hier überzeugt besonders der extensiv gestaltete Auepark, wogegen der vorgeschlagene südliche Teil als bewaldeter Park sehr kontrovers diskutiert wird.

Die Arbeit sieht einen einfachen Rundweg vor, der im Detail einige Schwächen aufweist. So ist das südliche Gartenschaugelände nicht eingebunden, und auch die Verbindung zur Innenstadt müsste gestärkt werden. Das Verbindungsstück klammert die potentielle Störung des Klinikums und des Schwimmbads konsequent aus, ohne dabei zu überzeugen.

Der kraftvolle, ruhige Gestaltungsansatz überzeugt grundsätzlich, stößt dennoch in Bereichen auf Unverständnis, zum Beispiel bei der unnötigen Überformung der Osterbergseen, der schemenhaften, geradlinigen Wegführung oder die für die Retention kontraproduktiven Befestigung der Gande im Bereich des Kurparks.

Die gewünschte Verbindung zur Innenstadt ist gewährleistet, einen besonderen Impuls verspricht die Gestaltung, als auch der Vorschlag eine Jugendherberge hier zu positionieren, allerdings nicht.

Bezüglich der vorgeschlagenen Verteilung der Gartenschauflächen kann die Arbeit nur bedingt überzeugen. Der nördliche Teil befindet sich im Hochwassergebiet und müsste verlegt werden. Die Gestaltung des Haupteingangs im Süden wirkt eher schemenhaft. Insgesamt ist das Ausstellungskonzept sehr zurückhaltend dargestellt.