Nichtoffener Wettbewerb | 03/2023
Landesgartenschau Ulm 2030
©Werk3 – Architekturvisualisierungen / SINAI
Perspektive Brückenspitz an der Kienlesbergbastion
1. Preis / Zuschlag
Preisgeld: 70.000 EUR
SINAI Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH
Landschaftsarchitektur
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Kaiyan Jin, Camille Régimbart, Sophie Holz, Leoni Layer, Loay Mohamed, Hans-Martin Peters, Theresa Balogh, Katja Schneider, Maja van der Laan, Qingfeng Wang
Stadtplanung / Städtebau
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Verfasser:
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Mitarbeitende:
Stadtplanung / Städtebau
werk3 architekturvisualisierungen
Visualisierung
Erläuterungstext
Glacispark West (Landesgartenschau Ulm 2030)
Bandartig verläuft der neue Glacispark West zwischen der Donau und der Wilhelmsburg und schafft einen landschaftlichen Mehrwert auf bisherigen Verkehrsflächen.
Erschlossen werden die komplexen und atmosphärisch vielfältigen Freiräume entlang der Relikte der Bundesfestung durch eine „Doppelhelix“: Die schnelle, lineare „Glacisroute“ ist verschränkt mit einem mäandernden „Flanierweg“ durch die einzelnen Parksphären. Städtebauliche Arrondierungen helfen, den neuen Kontext klar zu fassen.
Durch eine konsistente Gestalt- und Materialsprache erhält das Parkband einen starken sinnlichen Zusammenhalt. Demgegenüber werden die Teilräume in Bezug zu ihrer Umgebung herausgearbeitet – so entstehen ein offen nutzbarer Quartierspark am „Blaubeurer Tor“, ökologische Experimentierräume, eine urbane Aue, Sport- und Spielpunkte, ruhige Räume ebenso wie Orte für Veranstaltungen und immer wieder spektakuläre Aussichtspunkte über Stadt und Fluss.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Leitidee der Arbeit stellt ein überzeugendes, identitätsstiftendes Gesamtkonzept mit zwei unterschiedlich motivierten Wegeführungen vor. Die schnelle „Glacisroute“ führt dabei konsequent linear und auf direktem Weg östlich der B 10 von der Kienlesbergbastion zur Donau, während der „Flanierweg“ alle Bereiche langsamer durchwandert und im südlichen Bereich auch auf die Westseite der Bundesstraße wechselt. Diese kraftvolle Idee wird unterstützt durch verschiedene „Sphären“, die die Besucher auf ihrem Weg durch das gesamte Gartenschaugelände entdecken können. Durch die konzeptionelle Idee entsteht eine gut ablesbare, dem Ort angemessene „Dachmarke“, die das Format „Landesgartenschau“ im Jahr 2030 zukunftsträchtig umsetzt.
Während die „Glacisroute“ als Fahrradschnellweg relativ zügig mit wenigen Verschwenkungen das Gelände durchläuft, eröffnet der „Flanierweg“ für die Fußgänger mannigfaltigere Abzweigungen, Verschwenkungen, kleine Balkone und ruhigere Aufenthaltsbereiche.
Die Dimension dieser im wiederkehrenden formalen Kontext gestalteten Orte ist dem Ort wohltuend angemessen und trägt in der Größe nicht auf. Unterstützt wird dieses gestalterische Motiv durch richtige städtebauliche Setzungen und räumlich spannend ausgebildete Freiräume. Durch den Perspektivwechsel ergibt sich im Gesamtraum eine differenzierte Gliederung und eine Lebendigkeit, die von der Jury positiv gewertet wird. Ein innovativer „People mover“ führt hoch zur Wilhelmsburg. Als Ergänzung wäre ein behindertengerecht geführter Aufgang von der Bushaltestelle hinauf zur Straße „Heckenbühl“ wünschenswert. Die Anbindungen der “Glacisroute“ an das städtische Radwegenetz wird bei dieser Arbeit vernachlässigt und sollte ergänzt werden.
Innerhalb der Kienlesbergbastion wird der Rondengang geschlossen und durch ein behutsam eingefügtes Wege- und Platzsystem innerhalb der Bastion ergänzt. Ein „Nordauftakt Glacisroute“ mit neuer Brücke über den Festungsgraben im Bereich des ehemaligen Schießstandes bildet gleichzeitig Auftakt für den Grabenweg, welcher in sehr schlichter Führung den Boden des Grabens für die Besucher erlebbar macht. Ein besonderer Ort verspricht die behindertengerecht gebaute Aussichtsplattform an der Südostecke der Bastion zu werden. Diese wird baulich in Rücksicht auf das Denkmal auf das Gelände aufgesetzt.
Im Bereich des „Bahnparks“ schirmt eine neue städtebauliche Setzung entlang der B10 die neu entstehende Freifläche ab. Hier finden Bewegungssportarten ihren Platz. Konzeptionell schlägt diese Nutzung die Brücke auf die Südseite der Schillerstraße und bietet hier ein qualitätsvolles Freiraumangebot für das neu entstandene Stadtquartier „Dichterviertel“.
Wohltuend freigestellt wirkt daneben das „Blaubeurer Tor“. Geschickt wird der enge Raum westlich des historischen Bauwerks mit Sitzstufen und einer unauffälligen eingegrünten Lärmschutzwand ausformuliert.
Im weiteren Verlauf nach Süden wird der Verbindungskanal zwischen Kleiner und Großer Blau als „Urbane Aue“ geöffnet und neue attraktive Orte am Wasser geschaffen. Eine etwas zurückhaltende Gestaltung bis zur Höhe des Söflinger Kreisels hätte dem Beitrag an dieser Stelle nicht geschadet. Hier bietet sich genügend Ausstellungspotential für das Gartenschauhalbjahr. Die neue Brücke über die „Große Blau“ sollte hinsichtlich des bestehenden Brückenangebotes am Ort diskutiert werden. Auch die weitere Führung des Flanierweges mit einem „Blauregen-Stahlfachwerk“ nun auf der Westseite der B10 wirkt etwas aufgesetzt.
Für den „Platz vor dem Ehinger Tor“ wird ein Belagsteppich von der Seite des Tores über die B10 gezogen und so eine freiraumplanerische Verzahnung erreicht. Dieser Teppich ist hinsichtlich der Funktionalität zu diskutieren. Die kräftige rote Ausformulierung der „Glacisroute“ direkt vor dem Tor könnte etwas zurückhaltender südlich positioniert werden. Östlich des „Scholl-Gymnasiums“ wird mit Mensa und einer Blockbebauung eine städtebauliche Setzung vorgeschlagen, die die Definition der B 10 als Stadtstraße in diesem Bereich stärkt und ihr die überdimensionierte und trennende Wirkung etwas nimmt.
Der Freiraum östlich der Schule wird als „Platz mit stilisierten Flugblättern“ thematisch besetzt und erhält eine neue Qualität auf dem Dach der bestehenden Sporthalle. Die Dimension der vorgeschlagenen Neubebauung wird kontrovers diskutiert. Im Bereich der Grünanlage entlang der Thränstraße und der Kleinen und Großen Ehinger Anlage wird der Bestand weitestgehend berücksichtigt.
Die Eingriffe in den wertvollen Baumbestand sind gering. Die Querung der Zinglerstraße ist mit der Präferierung des Grüns sehr gut gelöst. Ohne große gestalterische Zwangspunkte führt der „Flanierweg“ zum Fluss und endet mit der kraftvollen Geste des „Donauspitz“, einer über den Flusslauf geschobenen Wegeverschwenkung mit behindertengerecht gestalteter Abfahrt zum stadtseitigen Uferweg. Der dargestellte Abgang auf den uferseitigen „Ziegelländeweg“ ist aufgrund der zu schmalen Darstellung der Adenauerbrücke so nicht lösbar. Abschließend setzt sich die Arbeit auch intensiv mit dem Lärmschutz auseinander. In Anlehnung auf die in Teilen am Ort noch vorhandene Escarpe wird die Wand als Abfolge aus „Grün und Bau“ mit Vegetation, Holz- und Glaselementen ausformuliert.
Insgesamt stellt die Arbeit eine in allen Teilen hervorragenden Beitrag zur Lösung der schwierigen Aufgabenstellung dar. Sie bietet in puncto Nachhaltigkeit und Angemessenheit einen hohen Mehrwert für das Freiraumsystem Ulms in den kommenden Jahrzehnten. Eine Gartenschau kann in der vorgeschlagenen Flächenabfolge mit einem großen Spannungsbogen ausgerichtet werden. Besucher werden ermutigt, den gesamten Grünzug bis zur Donau zu erwandern. So kann zusammen mit weiteren touristischen Angeboten und gutem Marketing ein Zweck der Gartenschau erreicht werden, die Aufenthaltsdauer der Besucher in Ulm zu verlängern.
©Werk3 – Architekturvisualisierungen / SINAI
Perspektive Blaubeurer Tor
©SINAI
Lageplan
©SINAI
Skizze Doppelhelix
©SINAI
Skizze Nutzungen
©SINAI
Skizze Raumfolge