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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2018

Modellvorhaben „Neue Gartenstadt mit System“ - Wohnbebauung Tallinner Straße in Erfurt

Lageplan

Lageplan

1. Preis

Therese Strohe Michael Ullrich Architekten

Architektur

Klöpfel Koenig Architektenpartnerschaft mbB

Architektur

JUCA Landschaft und Architektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Das Wettbewerbsgebiet befindet sich am östlichen Rand des Plattenbau-Wohngebietes „Moskauer Platz“ im Übergangsbereich zur Gera-Aue. Der große Grünzug ist als Kernbereich der BUGA 2021 von großer übergeordneter und stadträumlicher Bedeutung.
Das Wohngebiet ist geprägt von Großstrukturen der 70er Jahre.
Getragen wird der Entwurf von dem gedanklichen Modell von einem Zuhause mit einem eigenen Vorgarten. Dieses Modell ist präsent von der städtebaulichen Ausformulierung über die Erschließung bis zum Grundriss. Die Assoziation ermöglicht uns den Entwurf so anzureichern, dass ein erzählerischer und prägnanter Ausdruck entsteht.
Zwei Gebäudetiefen sind die Bausteine der kompositorischen Anordnung.
Die versetzte Ausbildung paralleler Baukörper und die Setzung von Einzelgebäuden als „Gartenhäuser“ gliedern den inneren Freiraum.
Durch die Eingangsterrassen als der Wohnung vorgelagerter „Vorgarten“ werden die Gebäude netzartig verbunden und der Freiraum mehrfach unterteilt und ausdifferenziert. Es entstehen Hoffolgen mit einer großen Durchlässigkeit und Verbindung zum Landschaftraum der Gera-Auen.
Der Entwurf erzeugt mit seiner Kleinteiligkeit und Differenziertheit eine menschliche Maßstäblichkeit und versteht sich als Gegenposition und Ergänzung zur bestehenden großmaßstäblichen Umgebungsbebauung mit Blockrändern und großen Freiräumen. Es entstehen intimere, klar definierte, verschiedenartige und facettenreiche Grünräume mit hohen Aufenthaltsqualitäten.
Es ist ein städtischer Entwurf mit nuancenreichen Abstufungen von Öffentlich über Gemeinsam zu Privat. Es entstehen Übergangsräume zwischen Innen und Außen, die eine lebendige Nachbarschaft ermöglichen – unsere Interpretation der Gartenstadt.

Freiraum
Entlang der Gera-Aue bildet ein sanfter, in Anlehnung an den weiten Landschaftsraum mit lockeren Baumgruppen bestandener Hang den Übergang zur Bebauung. In Gebäudenähe verdichtet sich die Struktur zu einem Patchwork aus Wohnwegen, halböffentlichen Gartenwegen und Höfen, flankiert von den Mietergärten.
Die Hofstrukturen reagieren auf die Dichte der Bebauung, so daß kleinere Höfe durch einen Gartenweg gequert werden, während die tieferen Höfe mit gemeinschaftlichen Elementen wie Kinderspielgeräten, Picnicbänken und Radstellplätzen bespielt sind. Durch die Nähe der Privatgärten zu den Höfen entsteht das nachbarschaftliche Miteinander, zufällige Begegnungen werden gefördert.
Die öffentliche Erschließung erfolgt jeweils quer zur Bebauungsstruktur durch die Durchgänge an der Straße als breiter Steg zu den Zugängen bzw. Treppenhäusern hin, während die informelle, eher für die Bewohner gedachte, informelle Durchwegung der Durchlässigkeit der Bebauung folgt.
Parkplätze gliedern sich entlang der Wohnstraße unter Baumreihen ein, ohne den Raum zu dominieren. Gleichzeitig dient die Wohnstraße mit ihrer Breite von 5,50m durchgängig als Bewegungsfläche für die Feuerwehr. Aufgrund der 3-Geschossigkeit können alle Wohneinheiten über Steckleitern angedient werden.
Das Regenwasser wird auf den Extensivdächern zwischengespeichert und verdunstet zum großen Teil, überschüssiges Wasser wird in offenen Rinnen zur Sickermulde am Weg zur Gera-Aue geleitet. Die ebenerdigen, befestigten Flächen der Höfe entwässern in die anliegenden Vegetationsflächen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf ist getragen vom Gedanken des »Zuhauses mit eigenem Vorgarten«. Dieses
Prinzip wird flächig in ein netzartiges System von dreigeschossigen Baukörpern, zugehörigen wohnungsbezogenen Freiräumen bzw. Terrassen und die lineare Erschließungsstruktur eingebunden, die das System der Höfe quert.
Damit entstehen kleine überschaubare Nachbarschaften, die eine sehr überzeugende Gegenthese zum umgebenden großmaßstäblichen Wohnungsbau aufstellen.
Die versetzen Wege öffnen sich alternierend zu privaten oder halbprivaten Innenhöfen, was die Orientierung für den Fremden und Besucher nicht einfach macht. Dem Bewohner ermöglicht die Anlage jedoch mit den knapp geschnittenen, aber wohl geformten Innenräumen unaufdringlich ein gutes und enges nachbarschaftliches Miteinander.
Zum Grünzug der Gera-Aue nimmt die Siedlungsstruktur hingegen außer zwei schmalen Wegen über den nordöstlichen Parkplatz keinen Kontakt auf. Die Abstandsflächen zwischen den Gebäuden und der Auenlandschaft beschränken sich auf eine homogene Wiesenfläche mit Einzelbäumen in Randlage.

Umso mehr überzeugt auch landschaftsarchitektonisch die Qualität der Gartenhöfe, die sich in den Wohnungen zugeordnete Garten- bzw. Terrassenflächen und insgesamt sieben Gemeinschaftshöfe gliedern. Diese bieten sich für eine spontane gemeinsame Nutzung der Bewohner an. Im Anbetracht der eher introvertierten Wohnqualität ist die angebotene Parkierung entlang der äußeren Erschließung stimmig.

Die Grundrisse sind kompakt, aber variabel; mit den Wohnungszugängen über die Küchen wird das Prinzip der Überlagerung von Zugang und Freiraum in das Gebäudeinnere fortgesetzt. Trotz der schmalen Innenhöfe, gelingt durch die fast komplett durchgesteckten Grundrisse und die schmalen Baukörper eine gute Belichtung aller Wohnungen. Dichte- und Flächenvorgaben werden exakt eingehalten, mit der kompakten Dreigeschossigkeit, einer sehr effizienten Ausnutzung der Kubatur und einem weitgehenden Verzicht auf gemeinschaftliche genutzte Innenräume ist eine sehr gute Wirtschaftlichkeit zu erwarten. Brandschutzprobleme bestehen nicht. Zweifel bestehen, ob die dargestellten (lasten?-) Aufzüge ausreichend dimensioniert sind; notwendig scheinen sie freilich nicht.
Die teilweise Unterkellerung für Abstellräume ist klug und völlig ausreichend. Mit den nur drei Geschossen besteht auch eine hohe Varianz bezüglich der einsetzbaren Materialien. Es fällt auf, dass die Erschließung nur über die offenen Terrassen/Stege möglich ist. Die Anbindung an bestehende Radwege ist gelungen. Es gibt zu dem ausreichend viele Fahrradstellplätze. Diese sind zum Teil offen angeordnet, können aber auch durch überdachte Stellflächen ergänzt werden. Dies wäre ein Hinweis für die weitere Überarbeitung.
Das beabsichtigte Mobilitätskonzept wird optimal unterstützt.
Die Regenwasserversickerung ist nur extern in der Gera-Aue möglich.
Der Abfall ist zentral erschlossen und kann ohne Wendehammer vom Service nicht bedient werden. Dieser wäre in einer Überarbeitung problemlos einzuordnen, jedoch gehen hierdurch gleichfalls Grünflächen verloren.

Die Einhaltung des Schallschutz-Abstands ist nicht ausreichend. Es sind Schallschutzmaßnahmen am Gebäude (Grundrissorientierung Küchen / Bäder oder Wegfall von Immissionspunkten, z.B. nicht zu öffnende / keine Fenster) notwendig.
Der Erhalt des Bestandsgehölzes findet nur teilweise statt.

Insgesamt stellt die Arbeit insbesondere vor dem Hintergrund der erweiterten Aufgabenstellung und dem wohnungswirtschaftlichen Kontext einen sehr zukunftsweisenden programmatischen Beitrag dar. Der Entwurf besitzt auch sozial ein hohes Aneignungspotenzial, mit dem Zusammenhalt und Identifikation im Quartier wesentlich verstärkt werden können.
Lageplan

Lageplan

Innenhof

Innenhof

Schwarzplan

Schwarzplan

Schwarzplan

Schwarzplan

Regelgeschoss

Regelgeschoss

Lageplan

Lageplan

Erschließung

Erschließung

Gestapelter Vorgarten

Gestapelter Vorgarten

Gestapelter Vorgarten

Gestapelter Vorgarten

Gartengewebe

Gartengewebe

Hofansicht

Hofansicht