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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2018

Modellvorhaben „Neue Gartenstadt mit System“ - Wohnbebauung Tallinner Straße in Erfurt

Lageplan

Lageplan

2. Preis

dma deckert mester architekten

Architektur

club L94

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Lage
Zwischen Rieth und Gera-Park hat das Grundstück großes Potential, den Übergang zwischen Großsiedlung und Landschaft neu zu definieren.
Wo vor einigen Jahren eine unmaßstäbliche „Wohnscheibe“ den abrupten Übergang zur Gera-Aue markierte, hat sich nach ihrem Abriss der Park mit Wiese und Bäumen ausgedehnt. Die sanft modellierte Topographie lässt den einstigen Hausstandort erahnen und gibt den Blick ins Grüne Tal frei.
Städtebau
Das übergeordnete Thema des Konzeptes ist die Maßstäblichkeit, die den Groß- Wohnsiedlungen fehlt. Eindeutige Zuordnung von privaten und öffentlichen Freiräumen führt zu entsprechender Aneignung und Pflege.
Die Volumina orientieren sich an dem gegenüberliegenden Fünfgeschosser, werden jedoch in gleiche Einheiten zerschnitten, die funktionierende Hausgemeinschaften von 6-22 Parteien beinhalten. Schachbrettartig versetzt erzeugen sie räumlich definierte Gartenhöfe, die jeweils zwei Häusern zugeordnet sind. Diese sind so aufgeweitet, dass Durchblicke von Hof zu Hof und in die Gera-Aue möglich sind.
Die Höhenentwicklung der Häuser orientiert sich im Süden an der Fünfgeschossigkeit des Bestandes, während sie sich Richtung Park bis auf zwei Geschosse herab bewegt. Dadurch sind Blickbezüge und die Verzahnung von Grün und Wohnanlage gewährleistet. Das Thema Gartenstadt mit System wird durch ein gerastertes Feld, in dem sich Wohngebäude mit Gartenflächen abwechseln, interpretiert. Auf diese Weise werden die Gärten mit dem Wohnquartier verflochten.
Die partielle Bebauung des geplanten Parkplatzes ist städtebaulich wünschenswert. Davon wird aber wegen der Fernwärmetrasse und der Forderung nach einem verkehrsfreien Quartier Abstand genommen (dezentrales Parkierungskonzept).
Variabiltät
Durch variable Hausabstände in Nord-Süd-Richtung ist das städtebauliche Prinzip flexibel und lässt sich an die Gegebenheiten des Ortes anpassen: Im Südwest-Bereich wird der Hausabstand derart erhöht, dass der alte Baumbestand erhalten werden kann. In diesem größeren Hofgarten ist Raum für einen grünen Kinderspielplatz. Am Nordende des Ringweges hingegen wird der Hof auf das Mindestmaß reduziert und erhält damit Proportionen, die sich für einem eher urbanen Quartiersplatz eignen. Er dient den Bewohnern als Treffpunkt. Hier könnte ein überschaubares Angebot an Räumen für die Gemeinschaft gemacht werden. Brunnen, Bänke und Baum steigern die Aufenthaltsqualität.
Gartenhöfe/Freiraum
Den barrierefreien Erdgeschosswohnungen sind unmittelbar Gärten zugeordnet.
Für die Bewohner der oberen Wohnungen werden kleine Mietergärten im Gartenhof vorgehalten, die sich vorübergehend als Themengärten für die Bundesgartenschau eignen und eine Initialzündung für die gärtnerische Tätigkeit der Bewohner sein können. Die Quartierswege binden an die vorhandenen Parkwege an. Durch die klare Struktur
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der Freiräume legt sich das Gebiet wie ein Teppich an den Rand des Parks und bietet eine neue Freiraumqualität und -Dichte für Bewohner und Gäste.
Erschließung
Ein Ringweg erschließt die Anlage fußläufig. Er spielt abwechselnd mit den Themen Enge und Weite und erzeugt damit eine abwechslungreiche Raumfolge.
Der Ringweg ist für Feuerwehr, Müllabfuhr und zur Anlieferung als Einbahnstraße befahrbar. Die abgelegenen Häuser am Park sind zweigeschossig und damit durch Anleitern zu entflüchten. Alle Hauseingänge orientieren sich zum Ringweg und tragen zu seiner Belebung bei.
Ruhender Verkehr
Da aus Kostengründen auf eine kompakte, bauliche Lösung für den ruhenden Verkehr zu verzichten ist, erfolgt die Parkierung in einem Doppelstreifen entlang der Talliner Straße. Der Baumbestand wird hier weitgehend erhalten und durch Neupflanzungen ergänzt. Allerdings ist auch ein dezentrales Parkierungskonzept denkbar und innerhalb des städtebaulichen Systems möglich.
Grundrisse
Die kompakte Form des einzelnen Hauses lässt nicht nur eine wirtschaftliche Erstellung sondern auch entsprechende Betriebskosten erwarten. Die Kompakten Treppenhäuser erschließen vier bis sechs Wohneinheiten pro Ebene. Alle sanitären Anlagen sind um den Kern angesiedelt und ermöglichen eine günstige Leitungsführung der Ver- und Entsorgung. Die Wohnungen vermeiden unnötige Erschließungszonen und rangieren von der 2-Raumwohnung mit 42qm bis zur 5-Raumwohnung mit 90qm im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus. Um eine soziale Durchmischung und das Miteinander zu fördern sollen die Grundrisstypen in den Gebäuden und im gesamten Gebiet bewusst gemischt werden.
Konstruktion
Bei der Konstruktion handelt es sich um eine Schottenbauweise. Diese ist sowohl in Holztafeln als auch Stahlbetonplatten möglich. In beiden Fällen werden die Erschießungskerne in Stahlbeton auszuführen sein. Balkone werden als Fertigteile an die Fassade angehängt. Die Variante in Stahlbeton wird eine Außendämmung erfordern (WDVS). Aus Gründen der Möblierbarkeit und der Kosten wird auf bodentiefe Fenster weitgehend verzichtet (Absturzsicherungen).
Vielfalt
Zur leichteren Orientierung ist die Differenzierung der Häuser in Höhe und Fassadenmaterial wünschenswert. Als Fassaden-Wetterschutz kommen je nach Konstruktion Putz, Klinker, Holz, Trapezblech in verschiedenen Farbtönen in Frage.
Wohnungsschlüssel
Eine höhere als die dargestellte Ausnutzung des Quartiers durch Aufstockung ist - in Abhängigkeit vom Stellplatzangebot - möglich und denkbar (die maximale GFZ ist noch nicht erreicht). Allerdings sind mehr als vier Geschosse ohne Aufzug nur bedingt zumutbar und räumlich verträglich. Die Verteilung der Wohnungen innerhalb der Wohngruppen und auf dem Quartier sind innerhalb der vorgelegten Varianz frei variabel: dargestellt ist hier lediglich eine von vielen Möglichkeiten.

Nachhaltigkeit/Wirtschaftlichkeit
Vielfalt und Durchmischung tragen zu Identität, einem soliden Sozialverhalten und einem nachhaltigen Städtebau bei. Die überschaubaren Einheiten fördern Teilhabe und soziale Kontrolle.
Im gesamten Quartier soll das Oberflächenwasser über versickerungsfähige Beläge direkt versickern. Die Dachentwässerung kann zur Bewässerung der Gärten genutzt werden. Überschüssiges Wasser wird auf dem Grundstück versickert (Rigolen).
Die Gartenflächen werden von den Bewohnern genutzt und verantwortlich gepflegt. Die Kosten für Bewirtschaftung des Quartiers werden dadurch auf ein Minimum reduziert, die Identifizierung der Bewohner mit dem Gebiet gleichzeitig gesteigert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Autoren der Arbeit 1012 schaffen ein eigenständiges, starkes Ensemble aus Einzelgebäuden mit 2 bis 5 Geschossen. Sie wollen die grobe Maßstäblichkeit der Großwohnsiedlung durch eine Kleingliedrigkeit am Rand des BUGA-Geländes »Gera-Aue« aufbrechen.
Der 5-Geschosser am Grundstücksrand stellt den Bezug zur umliegenden Bebauung her.
Die Autoren ordnen ausreichend viele Stellplätze an der Tallinner Straße an und schaffen so eine Wohnsiedlung, die autofrei bleiben kann. Ob die Wege und befestigten Flächen für den Bedarfsverkehr ausreichend dimensioniert sind, müsste überprüft werden. Die Feuerwehraufstellflächen sind zu gering dimensioniert.

Die lockere Bebauungsstruktur im Schachbrettmuster gestattet vielfältige Durchblicke in die Gera-Aue. Die Freiflächen zwischen den Häusern sind bewusst gestaltet und eindeutig zugeordnet. So entsteht die Interpretation einer »Neuen Gartenstadt mit System«.
Die gleichartigen, nur in der Geschossigkeit differierenden Baukörper unterstützen serielle/modulare Bauweisen. Die Wirtschaftlichkeit der Grundrisslösungen äußert sich in dem sehr guten Verhältnis zwischen Verkehrsfläche zu Nutzungsfläche. Der Verzicht auf Aufzüge wird zumindest bei dem 5-geschosseigen Gebäude kritisch eingeschätzt. Die ebenerdigen Wohnungen können barrierefrei ausgebildet werden. In der kompakten Grundrisslösung sind sanitäre Anlagen im Gebäudekern angesiedelt und übereinander organisiert. Die Wohnungsgrößen der 2- bis 5-Raum-Wohnungen versprechen eine gute soziale Mischung. Die einfache Typologie ist sehr gut geeignet für eine industrielle Bauweise. Die privaten Wohnungsfreiräume sind entweder als Loggien oder als angehängte Balkone geplant.
Eine Identifikation der Bewohnerinnen und Bewohner kann durch eine differenzierte Farb-und Materialgestaltung der Gebäude unterstützt werden. Eine gute Idee ist die Möglichkeit der Gestaltung von temporären Themengärten für die Bundesgartenschau. Die Autoren stellen sich vor, dass dies eine Initialzündung für das gärtnerische Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner sein kann.

Die serielle Baustruktur generiert ähnlich dimensionierte Freiräume, die jedoch unterschiedlich ausgerichtet sind und vor allem eine große Vielfalt an Funktionen und Raumqualitäten aufweisen. Das weite Spektrum von privaten, gemeinschaftlichen und öffentlichen Räumen verspricht eine große Lebendigkeit und kommunikative Vernetzung. Mit dem Angebot des wohnungsnahen Gärtnerns, allein oder mit anderen, produktiv oder kontemplativ, wird ein konzeptioneller Ansatz der modernen Gartenstadt bis ins Detail entwickelt.
Quartiersplatz und Spielbereich sind richtig gesetzt und gut gegliedert, sehr angemessen
wirkt die pragmatische Einfügung der notwendigen PKW-Stellflächen. Nach Osten verknüpft sich das Quartier mit der angrenzenden Geraaue und profitiert von den Qualitäten des Landschaftsraumes.
Die Wege zwischen den Gebäuden werden als zu eng angesehen, sodass seine Befahrbarkeit für die Entsorgungsfahrzeuge nach derzeitigem Planungsstand nicht möglich ist. Ein Abfallentsorgungs-Service ist möglich, die Entsorgung auf jedem Fall gesichert.

Die Anbindung an den bestehenden Radverkehr wird als gelungen betrachtet. Die bestehenden Gehölze (Schwarzkiefer) werden überwiegend erhalten und bilden weiterhin ein identitätsstiftendes (verbindendes) Element für die Nachbarschaft.
Die Reservewasserversickerung kann auf zwei Wegen gesichert werden; intern durch die Rigolen unter den Mietergärten oder extern in der Geraaue.
Der Abstand zur bestehenden Gastronomie und deren Parkplätzen aus Schallschutzgründen wurde eingehalten (nur mit einer geringfügigen Unterschreitung).
Es sind ausreichend Fahrradstellflächen vorhanden und es besteht eine gute Sicherheit, da sie in den Gebäuden untergebracht werden. Der Stellplatzschlüssel sollte aber auf 2 je WE erhöht werden, um dem angedachten Mobilitätskonzept gerecht zu werden.

Insgesamt ist festzustellen das die 11 Wohngebäude zweifellos ein starkes Quartier bilden werden. Die beispielhaft gelösten Bezüge zwischen Gebäude, privatem und öffentlichem Freiraum versprechen eine hohe Aneigenbarkeit der Freiflächen durch die Bewohnerinnen und Bewohner. Die durchdachte Ordnung verspricht Wirtschaftlichkeit und städtebauliche und architektonische Qualität gleichermaßen und damit auch eine hohe Nachhaltigkeit.
Blick in eine Gasse

Blick in eine Gasse

Blick auf den Platz

Blick auf den Platz

Blick in die Gärten

Blick in die Gärten

Grundriss EG

Grundriss EG

Systemskizzen

Systemskizzen