Nichtoffener Wettbewerb | 12/2022
MoVe PM – Neubau Verwaltungsgebäude Landkreis Potsdam-Mittelmark in Beelitz-Heilstätten
©BOLLES+WILSON
Perspektive Eingang
1. Preis
Preisgeld: 96.000 EUR
LINDSCHULTE + GGL Ingenieurgesellschaft mbH
TGA-Fachplanung
Landschaftsarchitektur
Brandschutzplanung
Tragwerksplanung
Erläuterungstext
STÄDTEBAU
Die Erkenntnisse aus der ersten Phase, dem Städtebaulichen Ideenwettbewerb, werden in diesem Entwurf zu Realisierungswettbewerb aufgegriffen und mit dem Raumprogramm und den weiteren Anforderungen weiter entwickelt.
Der kreisrunde Wanderweg in der Parkanlage wird wieder hergestellt und fixiert so die „natürliche“ Baugrenze für das neue Gebäude. Der Rundweg dient der Erschließung und bildet die Verbindung zu den denkmalgeschützten Bestandsgebäuden.
Die Südseite des Neubaus entwickelt sich parallel zum Paracelsus-Ring und dem Feuerwehr- technischen Zentrums und vermittelt zwischen den Ausrichtungen des denkmalgeschützten Bestandes, der neuen Bestandsgebäude und der Verkehrswege (Straßen und Bahnlinie).
Der öffentliche Sockel des Neubaus streckt sich mit dem Haupteingang in Richtung der L88 – Haupterschließung für alle Kunden und Besucher.
Die drei Obergeschosse bilden den weit sichtbaren Hauptbaukörper. Zum Park lehnt er sich wie der Sockel an den Kreis des historischen Rundweges, zur L88 wie auch zum Paracelsus-Ring strukturiert sich das Volumen durch die Wellenform in einzelne Abschnitte
Die Mobilstation als leichtes reversibles Systemparkhaus bildet als separater, begrünter Kubus den östlichen Abschluss in der dichten Waldlandschaft. Zwischen dem Hauptgebäude und dem Parkhaus ist der Wirtschaftshof zur Versorgung des Neubaus verortet.
Somit kann auch im Realisierungswettbewerb der Innenkreis sowie der Vorplatz freigehalten werden und alle erhaltenswerten Bäume und das vorhandene Grün in den Entwurf integriert werden.
ERSCHLIESSUNG
Die Erschließung und Wegeführung auf dem Gelände ist so angelegt, dass möglichst wenig Konfliktpotential zwischen den Verkehrsarten besteht und sich auch neue Besucher intuitiv bewegen können.
Fußgänger und Radfahrer erreichen das Gebäude auf kürzestem Wege über den Vorplatz. LKW, PKW und fahrradfahrende Angestellte werden über den Paracelsus-Ring und den neuen Kreisverkehr zur Tiefgaragenzufahrt und zur Mobilstation geführt. Durch die Anbindung an den inneren Boulevard besteht eine direkte witterungsgeschützte Verbindung zum Verwaltungsgebäude. Die Tiefgarage liegt unter der Eingangshalle und ermöglicht eine direkte Anbindung mit kürzesten wegen für Kunden und Mitarbeiter.
Auch der Wirtschaftshof wird über die Erweiterung des Paracelsus-Rings erschlossen. Hier können mehrere LKW rangieren und witterungsgeschützt be- und entladen werden. Stellplätze für Betriebsfahrzeuge befinden sich ebenso wie die Entsorgungsstation im Außenbereich des Wirtschaftshofes.
Die Zufahrt zum Wirtschaftshof und zur Mobilstation wird in Verlängerung des Paracelsus-Rings über eine gemeinsame Verkehrsfläche realisiert. Sollte zukünftig der Ring über das Privatgrundstück geschlossen werden, kann eine direkte Anbindung eingerichtet werden und die Fahrbahn auf dem Grundstück einfach umgenutzt werden.
ARCHITEKTUR
Interne Struktur
Das Gebäude ist konsequent in den öffentlichen Erdgeschosssockel sowie den geschützten Büro- und Verwaltungsbereichen in den drei Obergeschossen getrennt.
Im Sockel reihen sich öffentliche und halböffentliche Funktionen wie die Eingangshalle, das Konferenzzentrum, das Beratungszentrum, der Sportbereich, die Kantine mit Café, die Gebäudedienste sowie die extern vermietbaren Büro- und CoWorkingflächen auf. Über vier großzügige, nicht öffentlich zugängliche Treppenkerne werden die Bürobereiche in den Obergeschossen für Mitarbeiter erschlossen.
Das Atrium über dem Beratungszentrum bildet eine optische Verbindung zwischen den öffentlichen Bereichen mit den internen Bürobereichen. Die beiden Treppenstege in den Obergeschossen ergeben weitere kurze Verbindungen zwischen den internen Geschossen. Das Atrium dient als Aufenthaltsort, Treffpunkt und Rekreationsbereich für die Mitarbeiter. Ebenso sind die Treppenkerne mit den transparenten Wänden und Lufträumen interne Verbindungen, die zum Aufenthalt und Austausch einladen.
Alle Büro- und Verwaltungsbereiche befinden sich an der Außenfassade mit Aussicht in die Grünflächen der Beelitz-Heilstätten. Die interne Erschließung schwingt als durchlaufendes Endlosband durch die Geschosse. Durch die Wellenform des Gebäudes überschneiden sich die Bänder und bilden weitere Verbindungen und Treffpunkte für die Beschäftigten. Auf den inneren Flächen zwischen den Wegen sind alle dienenden Funktionen wie WC’s, Server, Technikräume sowie Garderoben und Locker platziert und versorgen die Arbeitsplätze.
Die Teilung der Flächen in Einheiten < 400m2 ermöglichen einen uneingeschränkt flexiblen Ausbau vom Einzelbüro bis zur großflächigen Open-Space-Fläche. Durch die Anordnung der 400m2-Einheiten bilden diese nicht zwingend in sich abgeschlossene Bereiche sondern können übergreifend flexibel belegt werden.
Durch das 1,35m-Fassadenraster mit Wandanschlussmöglichkeiten an jeder zweiten Achse und umlaufend gleicher Tiefe von 4x1,35m kann wird auch hier die gewünschte Flexibilität voll umgesetzt.
Fassade
Die Interne Funktionsverteilung spiegelt sich auch in der Fassadengestaltung wieder. Der Sockel mit einer durchgehenden überhohen Geschosshöhe von 6,00m setzt sich durch die größere Ausdehnung von den Obergeschossen ab. Des Weiteren teilt das durchgehende Attikaband optisch den Sockel nach oben ab. Fassadenbereiche, die eine öffentliche Funktion wie Eingangshalle, Konferenzzentrum, Beratungszentrum oder innerer Boulevard haben, erhalten eine erhöhte Transparenz (2-Achsig = 2,7m-Pfostenabstand). Bereiche mit Büronutzung und auch die Kantine setzen sich durch das Standard-1,35m-Raster ab.
Die Obergeschosse erhalten entlang der Geraden wie auch der konkav und konvex geformten Welle einheitliche Fassadenelemente im 1,35m-Raster mit jeweils einem Lüftungsflügel und einer bodentiefen Verglasung als Holz-Alu-Elementfassade. Dabei dient das Holz als Tragstruktur und das Aluminium als Witterungsschutz. Alle Elemente erhalten einen außenliegenden Raffstore mit lichtlenkender Funktion.
Die kreisförmige Fassade zum Park ist ebenso im 1,35m-Raster strukturiert. Die gesamte Fassade wir durch vier große Rahmen im Bereich der Treppenhäuser unterteilt. Geschossweise wir dieser Fassade ein Wartungs- und Reinigungssteg mit einem außenliegenden Rankgerüst zur Fassadenbegrünung vorgelagert. Von dem Steg kann sowohl die Fassade gereinigt und gewartet wie auch die Fassadenbegrünung gepflegt werden. Durch die Blattdichte in den Jahreszeiten ist im Sommer eine natürliche Verschattung gegeben und im Winter eine direkte Belichtung der Bürobereiche vorhanden.
LANDSCHAFTSGESTALTUNG
Das neue Verwaltungsgebäude fügt sich behutsam in die weitläufige Parklandschaft ein. Es nimmt den Verlauf der ursprünglichen Spazierwege zu Zeiten der Beelitzer Heilanstalt auf. Die bestehenden teils überformten Parkwaldbestände werden erhalten, teils ausgelichtet und mit neuen Solitärbäumen und Baumgruppen ergänzt. So wird der rudimentäre Baumbestand wieder zu einer gesamthaften Parklandschaft entwickelt.
Das Wegesystem orientiert sich an den denkmalpflegerischen Zielsetzungen und verknüpft Bestehendes mit den neuen Nutzungen. Die Außensportflächen befinden sich östlich auf dem Grundstück in geschützter Lage, gerahmt von dichtem Grün und außerhalb des Rundweges. Ein Bogenweg mit Sitz- und Aktivitätsplätzen verläuft über die sanft wellige Rasenfläche vor dem Neubau und steht vor allem für die Mitarbeitenden als Aufenthaltsort zur Verfügung. Die mit Kiefern überstellte Rasenflächen dienen Picknick und Freizeitaktivitäten. An den Rändern rahmen zweischürige Wiesenflächen die intensiv genutzten Bereiche. Mittig befindet sich eine flache Senke, die sich je nach Witterung mit dem überschüssigen Wasser der Biodiversitätsdächer füllt. Das Wasser kann dort einstauen, verdunsten, langsam versickern und hat so einen positiven kleinklimatischen Effekt.
Die verwilderten Bereiche im Norden werden als Puffer zum Bestandsgebäude erhalten, teils ausgelichtet und wo nötig wieder verdichtet. Ein aufgeständerter Weg führt möglichst schonend über die bestehende Bodenstruktur und folgt dem ursprünglichen Verlauf des nördlichen Bogenweges.
Der Haupteingang orientiert sich in Richtung der westlichen gelegenen Bushaltestelle und der Zufahrtsstraße L88. Der großzügige Vorplatz dient der ersten Orientierung, nimmt eine Vielzahl von Fahrradabstellplätzen sowie eine Umfahrung für Bus oder LKW auf. Wichtige Bestandsbäume stehen geschützt auf den grünen Inseln.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Arbeit überzeugt dadurch, dass dem übergeordneten Ziel des Denkmalschutzes – nämlich dem Erhalt des Gartendenkmals - gefolgt wird. Es wird ein großzügiger Parkbereich freigehalten, wobei der Baukörper der kreisförmigen Wegeführung des Gartendenkmals folgt. Auf der Südseite orientiert sich das Gebäude an der Flucht des Paracelsus Rings; dabei werden vorgegebene Kanten aufgenommen, jedoch ohne dass ein prägnanter Baukörper entsteht. Auf einem eingeschossigen Sockel springt der 4- geschossige Baukörper über dem Eingangsbereich und dem Konferenzbereich zurück, so dass er nach Süden weniger wuchtig erscheint als auf der Nordseite.
Die Abfolge der Nutzungen im EG ist gut nachvollziehbar. Der im Südwesten angeordnete Eingang ist klar definiert und wird über einen großzügigen Vorplatzbereich erschlossen. Der Bezug zwischen Parkhaus und dem Mitarbeiterzugang im Osten ist plausibel gelöst. Auch die Strukturierung der Funktionen in den Obergeschossen sowie die Anordnung der Kerne ist nachvollziehbar. Die relativ langen Flure werden durch Aufweitungen rhythmisiert und aufgelockert. Ein zentrales Atrium verbindet die Obergeschosse mit dem Wartebereich und versucht, durch lange einläufige Treppen besondere räumliche Qualitäten zu schaffen.
Der Eingangsbereich ist offen gestaltet und flexibel nutzbar und stellt eine gute Verbindung zum Konferenzbereich her. Die Anbindung des Warte- und Schalterbereichs erscheint etwas eng und introvertiert. Die weitere Erschließung öffnet den Blick qualitätsvoll in den Park.
Die Anordnung der Cafeteria auf der Südseite an der Straße wird kontrovers diskutiert, da die freiräumlichen Potenziale nicht genutzt werden. Die Laborbereiche im UG erhalten durch ihre Positionierung kein Tageslicht. Der Sportplatz liegt zwischen Parkhaus und Wirtschaftshof an einem wenig plausiblem Ort und ist zudem weit von den Umkleideräumen entfernt.
Die schützenswerte Baumgruppe wird erhalten und die Belange des Denkmalschutzes respektiert.
Das Ausbauraster der Büros zeigt sich in der Fassade, so dass die gleichmäßige Umhüllung mit einer roten Aluminiumverkleidung zu einem etwas monotonen Fassadenbild führt. Die auf der Nordseite zum Park hin angeordnete Fassadenbegrünung erscheint wenig sinnvoll, da sie die Sicht in die Freiflächen beeinträchtigt und den Tageslichtertrag in den Innenräumen vermindert.
Ebenso ist sie als Sonnenschutz an dieser Stelle ungeeignet.
Die Hybridkonstruktion zielt auf den optimierten Einsatz der eingesetzten Baustoffe Holz und Beton, wobei eine etwas kompliziert erscheinende Fügung vorgeschlagen wird.
Das Nachhaltigkeitskonzept ist umfangreich dargestellt und spiegelt den aktuellen Stand der Fachdiskussion. Umfangreiche PV und PVT-Flächen auf den Dächern eröffnen die Möglichkeit, ein Plusenergiegebäude zu erstellen. Der Einsatz von Aluminium als Fassadematerial ist zu überprüfen.
Die Arbeit weist das größte Bauvolumen der eingereichten Entwürfe aus und liegt ca. 10% über dem Mittelwert, die Kosten sind entsprechend hoch. Eine Reduzierung ist hier anzustreben
©BOLLES+WILSON
Perspektive Park
©BOLLES+WILSON
Lageplan
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Schnitt
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Erdgeschoss
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Ansicht West
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Ansicht Nord
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Modell